Prozess in Passau:Kriminelle Muskelmacher

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Rundumversorgung für dopende Sportler: Er belieferte die Bodybuilder-Szene weltweit mit illegalen Mitteln - nun beginnt in Passau der Prozess gegen einen international agierenden Dopinghändler.

Bernd Kastner

Als sie die Geldbündel, die Paketscheine und Spritzen in Händen hielten, ahnten die Fahnder, dass sie einen Fisch an der Angel hatten. Aber erst, als sie die beiden iPhones näher anschauten, wussten sie, welcher Art von Fisch dieser Mahmoud Essam E. war, der die ägyptische und kanadische Staatsbürgerschaft besitzt: Ein international agierender Dopinghändler.

Dopenden Profi- wie Hobbyathleten ist strafrechtlich kaum beizukommen. (Foto: Foto: AFP)

Ins Netz gegangen ist er der Polizei im März diesen Jahres bei einer Zufallskontrolle auf der Autobahn bei Passau. Am kommenden Montag beginnt der Prozess am Landgericht Passau, die Staatsanwaltschaft München I hat E. und einen mutmaßlichen Komplizen angeklagt, Vorwurf: Handel mit Arzneimitteln zu Dopingzwecken. Ihnen drohen einige Jahre Gefängnis.

Rundumversorgung für dopende Sportler

Unangenehm wird es auch für die gut hundert deutschen Kunden E.s, von denen ein Dutzend als Großabnehmer die Ampullen und Spritzen weiterverkauften.

Die beiden Handys waren für die Ermittler des Bundeskriminalamtes der Schlüssel zu einem der größten Dopingfälle im Amateursport. Es fanden sich darin die Zugangsdaten zu einer Internetapotheke, und dort wiederum die Namen und Adressen von rund 300 Abnehmern in Europa und Nordamerika.

Sie kauften bei E. leistungssteigernde und muskelaufbauende Mittel wie Testosteron einerseits, und auch solche, die mit dem Viagra-Wirkstoff Sildenafil unerwünschte Nebenwirkungen wie erektile Dysfunktion lindern sollten. Darunter Valium, damit die aufgeputschten Hobby-Sportler überhaupt noch Schlaf fanden. Von einer "Rundumversorgung des dopenden Sportlers" spricht ein Ermittler.

Dass dopenden Profiathleten strafrechtlich kaum beizukommen ist, ist bekannt, der Nachweis von Blutdoping beispielsweise ist äußerst schwierig. "Aber auch im Hobbysport stehen wir beim Kampf gegen Doping noch am Anfang", sagt Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger. Sie leitet jene Abteilung in München, die bayernweit für Doping zuständig ist.

Erst seit zwei Jahren ist der Besitz von bestimmten Aufputschmitteln strafbar, wenn ihre Menge über den Monatsbedarf eines Sportlers hinaus geht. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) will nun, wie berichtet, mit schärferen Gesetzen noch härter gegen Doping im Sport vorgehen, um auch Profis vor Gericht zu bringen.

Ihr Körper ist ihr Hobby

Essam E.s Abnehmer waren keine Stars, sondern vorwiegend Besucher von Fitnessstudios, die sich einen tollen Körper kaufen wollen. Sie könnten zwar jederzeit als Türsteher arbeiten, viele aber gehen bürgerlich-biederen Berufen nach: Versicherungsvertreter, Handwerker und Verwaltungsangestellte sind darunter. Bei jedem Zweiten von ihnen fanden die Ermittler bei einer bundesweiten Razzia im Mai ein Fachbuch, die "Bibel" der dopenden Kraftpakete: 2000 Seiten wissenschaftlich fundierte Darlegung des Dopings.

In den Vernehmungen gaben die meisten der Muskelmänner an, dass sie sich ihres Tuns bewusst seien: Dass das Dopen illegal ist und sie ihren Körper schädigen. Aber ihr Körper ist es ihnen wert, ihr Körper ist ihr Hobby, und für das zahlen sie bis zu 200 Euro für eine Spritze, die sie sich Tag für Tag setzen müssen.

Nicht nur Leber oder Nieren leiden darunter, auch die Psyche ändert sich durch Doping. Einige Partnerinnen berichteten nach SZ-Informationen, dass sich ihre hantelstemmenden Gefährten verändert hätten, aggressiver geworden seien. Eine Entwicklung, die sich auch im Strafregister niederschlägt: Wenn dort einer der Ertappten auftaucht, dann wegen Gewaltdelikten.

Die deutschen Abnehmer bekommen derzeit Strafbefehle zugeschickt, manche sind schon rechtskräftig. Meist kommen die Doper mit einer Geldstrafe davon.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der Handel mit den Doping-Präparaten vonstattenging.

Die Kunden konnten online ganz unkompliziert bestellen und mussten nur noch auf den Postboten warten. Aufwendiger war die Logistik dahinter. Mahmoud Essam E., ein 52-jähriger Familienvater mit Wohnsitz in Toronto, betrieb in Kairo ganz offiziell einen Arzneimittelgroßhandel. Nebenher aber importierte er aus Ländern wie Thailand oder der Ukraine die Dopingmittel.

Von Kurieren ließ er sie von Kairo per Flugzeug nach Wien bringen. Von dort aus verschickten die Boten die 40 Kilo schweren Reisetaschen nach Gießen, manchmal wurde auch ein Hotelpage für den Gang zur Post angeheuert.

42 Lieferungen von Kairo nach Gießen

In Gießen saß Mahmoud Esmail A., 35, deutscher Staatsbürger ägyptischer Herkunft. Der Hotelportier soll den Hauptangeklagten 2007 zufällig kennengelernt haben. Nach Erkenntnissen der Fahnder soll der Gießener die Mittelchen verpackt und an die Kunden geschickt haben. Während der Deutsch-Ägypter A. die Vorwürfe bestreitet und behauptet, er habe den Inhalt der von ihm verschickten Pakete nicht gekannt, ist E. weitgehend geständig - und belastet seinen mutmaßlichen Komplizen.

42 Lieferungen von Kairo nach Gießen können ihm die Fahnder nachweisen. Beide Angeklagte sitzen in Untersuchungshaft.

Betrieben habe E. seinen Dopingshop wohl seit mehreren Jahren, Beweise gibt es aber nur für die vergangenen gut 15 Monate. Allein in dieser Zeit soll er nach eigenen Angaben einen Umsatz von knapp einer halben Million Euro gemacht haben, weit über 100.000 Euro dürfte er verdient haben.

Geheimtipp in der Fitnessszene

100 verschiedene Präparate soll er im Angebot gehabt haben, der Verkauf von 170.000 Ampullen und gut 400.000 Tabletten mit dem Wirkstoff Metandienon ist ihm nach SZ-Informationen nachzuweisen. Metandienon gilt als Einstiegspräparat und ist in Deutschland nicht mehr zugelassen, weil er die Leber zu sehr schädigt.

E.s Mittelchen galten in der Fitnessszene als Geheimtipp, weil sie so günstig waren. Als Großabnehmer handelte E. bei seinen Herstellern offenbar gute Preise aus. "Er war kein schlechter Kaufmann", sagt ein Ermittler.

Auf sein Äußeres legt der 52-jährige ebenso wert wie seine Kunden, auch wenn der als hager beschriebene Mann nicht das Zeug zum Türsteher hat. Die beiden Spritzen, die die Fahnder in seinem Wagen entdeckten, seien nicht für den Bizeps bestimmt gewesen, erklärte er, sondern nur für seinen Bauch. Als Fett-weg-Mittelchen.

© SZ vom 09.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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