Prozess in Oberbayern:Kugelbomben im Vorgarten

Im oberbayerischen Traunstein wird ein Mann verurteilt, der im Auftrag von geprellten Anlegern einen mutmaßlichen Millionenbetrüger einschüchtern sollte. Dabei kamen auch Tierblut und Fleischabfälle zum Einsatz.

Von Heiner Effern, Traunstein

Der Mann, der mit 138 Millionen Euro jongliert haben soll, erscheint diesmal noch als Zeuge im Gerichtssaal. Das Hemd weiß-blau gestreift, Jeans, die Frisur sitzt auch nach knapp einem Jahr Untersuchungshaft. Als Beruf gibt er mit fester Stimme Immobilienkaufmann an, Alter 53. Adresse derzeit: das Gefängnis in München Stadelheim. Christian H. soll vor dem Landgericht Traunstein schildern, wie seine Familie und er bedroht und verfolgt wurden. Und warum der Angeklagte Günther S. am Ende sogar eine Kugelbombe unter das Auto seiner Nichte warf.

Der Münchner Christian H., zwischendurch wohnhaft in Dubai, darf wählen, auf welche Fragen er antwortet. Er muss sich nicht selbst belasten. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen ihn seit August 2011. Eine Polizistin bestätigte als Zeugin in Traunstein, dass es im Verfahren gegen H. um 138 Millionen Euro geht, die er eingesammelt hat, um sie in Dubai zu investieren. Der Vorwurf laute "Betrug in besonders schwerem Fall", sagt H. selbst. "Das gesamte Geld ist angelegt", beteuert er. Doch komme er im Moment nicht ran.

Auf einer Webseite wird vor Christian H. gewarnt

Anleger, die ihm vertrauten, sind anderer Meinung. Sie hofften auf Renditen von bis zu 36 Prozent. "Fakt ist, was er versprochen hat, hat er nicht zurückzahlen können", sagt ein früherer Geschäftspartner von H. vor dem Landgericht. Die Anleger fürchten, dass die Millionen verschwunden sind. Im Internet gibt es eine Seite, die vor Christian H. warnt. Doch es gibt Menschen, die mehr wollen als nur warnen.

Anleger, die ihr Geld H.'s Firma APL aus Dubai anvertraut haben, machten sich 2011 auf die Suche nach ihrem Kapital, und nach dem Mann, der es investieren sollte. Denn auch dieser war zwischenzeitlich verschwunden. "Flüchtig in dem Sinn" sei er nicht gewesen, sagt H. vor Gericht. Sein Anwalt habe stets gewusst, wo er sei.

"Ihr Schwiegersohn hat Leute betrogen"

In Oberösterreich sprach damals ein alter Spezl den jetzt in Traunstein angeklagten Landsmann Günther S. an, ob er nicht ein paar Aufträge übernehmen wolle. S. war dazu bereit, denn er hatte seine Existenz verloren, als er in seiner neuen Heimat Deutschland im Gefängnis saß. Als erstes sollte er die Familie von H.'s Frau in den Niederlanden ausspionieren.

Ein Auto mit einer Überwachungskamera wurde positioniert. H. ließ sich aber nicht blicken. Bei der Schwiegermutter lieferte Günther S. daraufhin mit einem seiner mutmaßlichen Auftraggeber im Dezember 2012 einen Fresskorb ab. "Ihr Schwiegersohn hat Leute betrogen", sagten sie der Frau. Er möge sich melden.

Und noch eine Kugelbombe

Vergebens. Noch vor Weihnachten warf Günther S. deshalb Beutel mit Tierblut und Fleischabfälle an das Haus von H.s Verwandtschaft in den Niederlanden. Kurz nach den Feiertagen schickte Günther S. eine Briefbomben-Attrappe hinterher. Begleitet wurden die Drohungen von E-Mails. Am 13. Januar 2013 etwa wurde laut Anklageschrift von Günther S. Geld gefordert. Falls H. nicht zahle, werde ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Keine Reaktion.

Am 28. März fuhr Günther S. an den Ammersee, wo H.'s Bruder wohnt. Er warf aus seinem Auto eine sogenannte Kugelbombe, die man in Tschechien legal kaufen kann. Der Sprengkörper rollte unter das Auto von Christian H.'s Nichte. Als er zündete, ging der Peugeot 207 nachts gegen 1.45 Uhr in Flammen auf. Am 6. April erhielt H. wieder eine E-Mail, die auf die Kugelbombe anspielte, wie die Staatsanwaltschaft schreibt. Diesmal sollte er 2,4 Millionen Euro zahlen. "Denken Sie vernünftig und denken Sie, es wäre der letzte Tag in Ihrem Leben - denn diese Tage sind nun gekommen", hieß es in der Mail.

Geschäftspartner die Wange aufgeschlitzt

Auch zwei frühere Geschäftspartner von Christian H. wurden bedroht. Als Zeuge in Traunstein beteuert einer von ihnen, mit den verschwundenen Millionen nichts zu tun zu haben. An seinem Haus hatten laut Staatsanwaltschaft Traunstein am 9. August 2012 zwei Männer geklingelt. Als er die Tür öffnete, zog einer der Männer ein Messer und schlitzte ihm die Wange auf. Die Wunde war sieben Zentimeter lang und zwei Zentimeter tief. Der andere sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht. Dieser Angriff konnte bisher niemandem zugeordnet werden.

Der Verletzte kehrte nicht mehr in sein Haus in Oberbayern zurück. Kurz vor Weihnachten 2012 war seine Wohnung dennoch Ziel einer Attacke mit Beutel voller Tierblut und Fleischresten. Dazu erreichten den Mann Anrufe und SMS mit Drohungen und Geldforderungen. Am 13. Januar 2013 fuhr Günther S. vor dem früheren Haus des Zeugen vor. Er nahm eine Kugelbombe, zündete sie und warf sie in den Garten. Verletzt wurde jedoch niemand.

Günther S. wurde am Dienstag vom Landgericht Traunstein für ein Jahr und zehn Monate in Haft geschickt. In Oberösterreich läuft ein Verfahren gegen zwei mutmaßliche Drahtzieher. Und Christian H. wartet in Stadelheim auf den Abschluss der Ermittlungen gegen ihn selbst.

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