Prozess in München:Schmerzpatient wegen Cannabisplantage vor Gericht

Marihuana Plantage Oberau

Anbau im großen Stil: Im ersten Stock von Stefan K.s Haus hat die Polizei 245 Cannabispflanzen, Speziallampen, Zelte und Lüftungsschläuche gefunden.

(Foto: LKA Bayern)
  • Der Angeklagte vor dem Landgericht hatte in seinem Haus in Oberau eine große Cannabisplantage - angeblich nur, um seine Schmerzen zu lindern.
  • Doch er hat die Drogen auch verkauft und muss sich nun wegen Rauschgifthandels verantworten.

Von Christian Rost

Zwei Tage dauerte es, bis Speziallisten des Bundeskriminalamtes die Marihuanaplantage im Einfamilienhaus von Stefan K. in Oberau bei Garmisch-Partenkirchen abgebaut hatten.

245 Cannabispflanzen sowie die zur Zucht notwendigen Speziallampen, Zelte und Lüftungsschläuche stellten die Beamten am 1. Oktober 2014 sicher. Die Ernte der bis zu 1,10 Meter hohen Pflanzen hätte fast 15 Kilo rauchbares, berauschendes Cannabis ergeben, eine gewaltige Menge, die K. aber zu anderen Zwecken angebaut haben will: zur Schmerztherapie.

1,8 Kilo Gras habe er monatlich selbst konsumiert, sagte der 53-Jährige, der sich seit Dienstag wegen Betäubungsmittelhandels am Landgericht München II verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. zumindest die Hälfte des Rauschgifts an andere Konsumenten verkauft hat.

Stefan K. ist eher klein, hat einen kahl geschorenen Kopf, wirkt nervös und erinnert auch sonst an den verstorbenen französischen Schauspieler Louis de Funès. Zum Prozessauftakt stellte sich der Angeklagte als vom Leben gezeichneten Mann dar.

Oft habe er sich schon die Knochen gebrochen - bei einem Mopedunfall die Beine, bei einem Arbeitsunfall das Rückgrat, als ihm eine 400 Kilogramm schwere Palette ins Kreuz gefallen sei. An einer Schulhaustür hatte er sich in jungen Jahren einen Finger abgequetscht.

Der Unfälle wegen leide er an starken Schmerzen, die sich mit Medikamenten nur unzureichend lindern ließen. Er vertrage Schmerztabletten auch nicht, so der Angeklagte weiter, einmal habe er davon einen Magendurchbruch erlitten.

Um sein Leben erträglich zu gestalten, habe er sich der Wirkung von Cannabis bedient - und deshalb den ersten Stock seines Hauses in eine Plantage verwandelt. Aus dem Cannabisblüten habe ihm seine Verlobte, eine gelernte Konditorin, Kuchen gebacken, weil beim Verzehr die schmerzlindernde Wirkung deutlich größer sei als beim Rauchen.

Er habe auch Cannabisöl hergestellt, um sich damit einzureiben, und Tabletten, so Stefan K. Zu seinen Abnehmern, die ihm 8000 bis 10 000 Euro pro Kilo Gras zahlten und ihm damit die Miete des Hauses sowie die enormen Stromkosten für die Zuchtanlage finanzierten, wollte sich der Angeklagte nicht näher äußern: Es seien eine Handvoll gewesen, allesamt Schmerzpatienten wie er auch.

Verteidiger Thomas Pfister sagte, dass eine "verfehlte Drogenpolitik" Schmerzpatienten wie seinen Mandanten kriminalisiere. Es gebe in Deutschland nur vier Betroffene, die unter polizeilicher Aufsicht Marihuana züchten dürften.

Der in Untersuchungshaft einsitzende Stefan K. will sich nach seiner Entlassung ebenfalls um eine Genehmigung bemühen. Allerdings irritiert etwas an seiner Geschichte: Sein Sohn sitzt ebenfalls in Haft, wegen Handels mit Kokain und Marihuana. Der Prozess wird fortgesetzt.

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