Prozess in Coburg:Schuldirektor schönt Abi-Noten

Das Gymnasium Casimirianum in Coburg hat den Ruf einer Elite-Schule. Nun steht der Direktor vor Gericht, weil er Abiturnoten eigenmächtig nach oben korrigiert haben soll. Nicht zum ersten Mal.

Von Katja Auer, Coburg

Herzog Johann Casimir schaut an diesem Nachmittag wie immer recht ungerührt herunter auf die Touristengruppe, die gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht. Und dabei auch erzählt bekommt, dass man gerade auf ein recht renommiertes Gymnasium blicke, nach jenem Stifter, der jetzt oben in seiner Nische steht, Casimirianum genannt. Renommiert ist freilich untertrieben, wer die Schule besucht hat, bildet sich in der Regel ein Menge darauf ein.

Goethes Vater wurde an dem Gymnasium unterrichtet, "welches unter den deutschen Lehranstalten eine der ersten Stellen einnahm", wie der Sohn später schrieb und wie es heute auf einem Transparent an der Fassade zu lesen ist. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Casimirianer, ebenso der frühere Oberbürgermeister Norbert Kastner und Brose-Chef Michael Stoschek. Es gibt einen Casi-Codex und ein Casi-Lied und jedes Jahr zum Stiftungsfest wird mit großem Tamtam der steinerne Casimir bekränzt. Der Ruf ist der einer Elite-Schule.

Falsche Beurkundung in 86 Fällen

Um ebendiesen fürchtet nun mancher in Coburg, seit bekannt wurde, dass der Direktor - möglicherweise um genau jenen Ruf zu wahren - im vergangenen Jahr seinem gesamten Abiturjahrgang die Deutschnoten um jeweils einen Punkt nach oben korrigierte. Eigenmächtig. Und gegen den Willen der zehn Deutschlehrer, die die Klausuren benotet hatten. Deswegen steht der 58-Jährige jetzt wegen falscher Beurkundung im Amt in 86 Fällen in Coburg vor Gericht.

Der Direktor, selbst Lehrer für Deutsch, sagt, die Schüler seien zu streng bewertet worden, vor allem jene "im unteren Notenbereich". 23 Schüler hatten nur drei Punkte oder weniger bekommen, also mangelhafte oder gar ungenügende Arbeiten geschrieben. Er habe an die Deutschlehrer "mit Nachdruck appelliert", ihre Entscheidung noch mal zu überdenken, sagt er, aber die wollten ihre Noten nicht ändern.

Direktor drohen bis zu fünf Jahre Haft

"Ich war emotional da schon ein bisschen angesäuert", sagt der Direktor - und änderte die Noten selbst. Die Lehrer haben das von den Schülern erfahren, als sie mit ihnen über die schlechten Noten sprechen wollten. Der Schulleiter sieht sich im Recht, deswegen hat er den Strafbefehl über 90 Tagessätze zurückgewiesen und es kam überhaupt erst zu einer Gerichtsverhandlung. Nun drohen ihm bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft. Der zuständige Ministerialbeauftragte gibt ihm so weit recht, dass die schlechten Klausuren sehr rigide bewertet worden seien. Das bestätigen die Fachreferenten, die später die Arbeiten überprüften. Bei ihr wären die Noten besser ausgefallen, sagt eine Zeugin. Willkür sei aber nicht zu erkennen gewesen.

Nicht üblich oder strafbar?

Alle drei Prüfer räumen ein, dass Lehrer einen gewissen Spielraum hätten. So oder so, dass der Direktor einfach selbst Hand anlegte, könne er nicht gutheißen, sagt der Ministerialbeauftragte. "Das ist ein nicht-übliches Verfahren."

Nicht üblich nur oder strafbar, das gilt es zu klären. Ist der Direktor ein Mann, dem es alleine um das Wohl der Schüler geht, deren Zukunft er gefährdet sieht, wenn im Abiturzeugnis null Punkte bei der Deutschnote stehen? Oder einer, der den Ruf des Casimirianums als Elite-Gymnasium um jeden Preis wahren will und dafür, dass es die besseren Abiturienten hervorbringt als andere Schulen, einfach die Noten schönt?

Schülerfreundlich korrigiert

Die Deutschlehrer sagen aus, einer nach dem anderen. Alle erzählen sie das Gleiche: Dass sich Erst- und Zweitkorrektoren einig waren bei der Benotung, dass sie eher schülerfreundlich korrigiert hätten und dass sie sich "selbstverständlich" an die Vorgaben des Ministeriums gehalten hätten. Und dass sie ihre Noten nicht ausbessern wollten, als der Direktor eine Sondersitzung einberief und mitteilte, dass diese zu schlecht seien. Schlechter als am Ernestinum, einem anderen Coburger Gymnasium, und an einer weiteren Schule.

Ob es denn wieder so gehen sollte wie 2012, soll dann jemand gefragt haben, denn da hat der Chef offenbar schon einmal die Deutschnoten um einen Punkt korrigiert, wie sich im Lauf der Verhandlung herausstellt. Damals hätte sie das noch mitgemacht, erzählt eine junge Lehrerin, "aus Unwissenheit, Angst, Überrumpelung". 2011 soll der Direktor die Noten eines Schülers im Geschichts-Colloqium verbessert haben.

Direktor fühlt sich im Recht

Dass er das darf, davon ist der Direktor offensichtlich überzeugt. Und seine Lehrer nahmen es eine Zeitlang einfach hin. Das ist am Casimirianum nicht folgenlos geblieben. Die Stimmung sei gedrückt, beschreibt ein Lehrer. "Man fragt sich schon, ob öfter in Noten eingegriffen wurde." Und ob man als Deutschlehrer eigentlich noch geschätzt werde.

Der Direktor ist weiter im Amt, das Kultusministerium will das Ergebnis der Verhandlung abwarten. "Der Weg war der falsche", sagt ein Sprecher, aber eventuelle disziplinarische Maßnahmen werde es erst nach dem Urteil geben. Das soll in zweieinhalb Wochen fallen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: