Prozess gegen Allgäuerin:Konvertitin zu Bewährungsstrafe verurteilt

Prozess gegen mutmaßliche deutsche Islamistin

Die Angeklagte vor Gericht.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • In München ist eine 30-jährige zum Islam konvertierte Mutter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Sie sei mit ihren kleinen Töchtern nach Syrien gereist, um sich am Krieg zu beteiligen.
  • Ihr wurde die Vorbereitung einer "staatsgefährdenden Gewalttat" vorgeworfen. Verurteilt wurde sie aber aus einem anderen Grund.
  • Die Frau aus dem Allgäu verteidigte ihre Reise: Sie habe helfen wollen. Dass sie Waffen besaß, gestand sie jedoch.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft München reiste die junge Frau mit ihren beiden kleinen Töchtern im Januar 2014 nach Syrien, um in den Krieg zu ziehen: Eine 30-jährige Allgäuerin stand vor Gericht, weil ihr eine staatsgefährdende Gewalttat vorgeworfen wurde. Das Münchner Landgericht folgte jedoch nicht der Argumentation der Anklage. Die Frau ist zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden.

Sie wurde lediglich wegen Entziehung Minderjähriger verurteilt, weil sie ihre beiden Töchter Anfang 2014 ohne Wissen des getrennt lebenden Vaters nach Syrien mitgenommen hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe.

Wie die Angeklagte ihre Reise nach Syrien begründete

Die Angeklagte hatte den Gewalttat-Vorwurf zurückgewiesen. Ihre Reise in das umkämpfte Land verteidigte die Einzelhandelskauffrau aus Immenstadt vor dem Landgericht als humanitäres Engagement. Sie habe helfen wollen, sagte Andrea B. beim Prozessauftakt. Im Internet habe sie verfolgt, wie Menschen in Syrien getötet und misshandelt würden. Denen habe sie sich aufgrund ihres Glaubens verpflichtet gefühlt. "Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Ich konnte nicht mehr essen oder trinken, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben", sagte sie.

Sie habe niemals Gewalt angewendet oder geschossen und sei auch dazu nicht bereit gewesen, sagte sie. "Ich würde auch nach Afrika gehen, um Christen zu helfen." Ihre Aufgabe in Syrien sei es gewesen, weit hinter der Front Spenden zu verteilen. Aggressive islamistische Motive für ihre Mission ließ sie nicht erkennen. Sie räumte aber ein, im Besitz von Waffen gewesen zu sein - allerdings nur zu ihrem eigenen Schutz. Sie habe niemanden vorsätzlich töten wollen.

Die Fragen des Richters

Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann nahm das Bekenntnis zur pazifistischen Nächstenliebe spürbar distanziert zur Kenntnis. Warum sie denn dem leiblichen Vater ihrer Kinder in Deutschland eine Nachricht geschickt habe, dass sie den Ungläubigen den Kopf wegschießen werde, wenn diese kämen, fragte er Andrea B. Und wie es dazu kommen konnte, dass ihre zweieinhalbjährige Tochter auf Fotos mit einer Kalaschnikow posiert?

Jeder habe in Syrien eine Waffe zur Selbstverteidigung, so die Angeklagte. Bei den Fotoaufnahmen sei die Kalaschnikow nicht geladen gewesen. Die Waffe hätte normalerweise für die Kinder unerreichbar an der Küchenwand gehangen, die Patronen habe man in einem anderen Raum aufbewahrt. Eine konkrete Gefahr für sich und die beiden Töchter habe sie nie gesehen, da sie nur hinter der Front gelebt und häufig den Wohnort gewechselt hätten. Als die Lage immer gefährlicher und sie selbst krank geworden sei, habe sie sich zur Rückkehr entschlossen.

Was die Staatsanwaltschaft der Frau vorwarf

Die Staatsanwaltschaft hatte der Frau vorgeworfen, sich in Syrien der Al-Nusra-Front angeschlossen zu haben, dem syrischen Al-Qaida-Ableger - als Zweitfrau eines Terroristen aus Hessen. Die Frau habe vorgehabt, im Ernstfall mit Waffengewalt gegen syrische Soldaten zu kämpfen, sagte die Vertreterin der Anklage. Das Gericht jedoch war anderer Ansicht.

Die Allgäuerin sitzt seit neun Monaten in Untersuchungshaft. Sie konvertierte im Jahr 2012 zum Islam. Über Freunde begann sie sich laut Ermittlern für die Religion zu interessieren, ursprünglich war sie katholisch aufgewachsen. Informationen holte sie sich aus dem Internet - dabei stieß sie auf eine aus Hessen stammende Frau, die ihr wohl den Weg in die Radikalisierung wies. Diese gab an, mit ihrem Mann nach Syrien ausgewandert zu sein, um gegen das Assad-Regime zu kämpfen. Wenn die Angeklagte mit ihren Kindern nachkomme, werde er sie zur Zweitfrau nehmen und versorgen.

Zu den Ermittlungen kam es durch ihren früheren Lebensgefährten: Er hatte Anzeige gegen die Mutter der beiden gemeinsamen Töchter erstattet, weil die Frau die Mädchen mit nach Syrien genommen hatte.

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