Prozess:Frau will mit Sperma ihres toten Ehemanns schwanger werden

Prozess: Anschaulich: Unter dem Elektronenmikroskop sind einzelne Spermien in 610-facher Vergrößerung sehr gut zu erkennen.

Anschaulich: Unter dem Elektronenmikroskop sind einzelne Spermien in 610-facher Vergrößerung sehr gut zu erkennen.

(Foto: mauritius images)
  • Eine Frau verlangt die Herausgabe von eingefrorenem Sperma ihres verstorbenen Ehemannes.
  • Das Labor, welches das Sperma einlagert, verweigert nach dem Tod des Mannes die Herausgabe der Proben und beruft sich auf das Embryonenschutzgesetz.
  • Die Frau beharrt auf ihrem Recht auf Fortpflanzung und will im Zweifel bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Von Sebastian Jannasch

Schon seit ihrer Jugend kannten sich Anna-Maria L. und ihr späterer Ehemann. Das Paar wollte unbedingt Nachwuchs. Doch als dies dauerhaft nicht gelang, entschieden sich die beiden im Sommer 2014, den Versuch einer künstlichen Befruchtung zu unternehmen.

Mitte 2015 musste der Ehemann der jungen Frau aber wegen einer schweren Krankheit für einen längeren Zeitraum ins Krankenhaus. Damit seine Frau während dieser Zeit weiterhin versuchen konnte, schwanger zu werden, ließ der Ehemann insgesamt 13 Spermaproben bei einem Labor einfrieren. Kurz darauf starb der Mann jedoch im Alter von 37 Jahren, weil eine Herztransplantation nicht glückte.

Den Wunsch, von ihrem mittlerweile toten Ehemann ein Kind zu bekommen, hatte die Frau allerdings nicht aufgegeben. Also forderte sie als alleinige Erbin ihres Mannes die Herausgabe des Spermas. Doch das Labor aus dem Raum Traunstein verweigerte es, ihr das Sperma zu übergeben, das seit der Abgabe in flüssigem Stickstoff konserviert wird.

Nun verklagt die heute 35-jährige Frau die Einrichtung. Das Labor fürchtet, sich strafbar zu machen und beruft sich auf das Embryonenschutzgesetz. Demnach ist es verboten, eine Eizelle mit den Samen eines Toten zu befruchten. Wer dagegen verstößt, dem droht eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.

In erster Instanz hatte das Landgericht Traunstein im vergangenen September die Klage abgewiesen und das ebenfalls mit dem klaren Verbot im Embryonenschutzgesetz begründet. Außerdem sei das Wohl des Kindes möglicherweise gefährdet, weil es zwangsläufig ohne den Vater als Bezugsperson aufwachse. Außerdem könne es eine Belastung für das Kind sein, zu wissen, dass es erst gezeugt wurde, als der Vater bereits gestorben war.

Da die Frau sich mit dem Urteil jedoch nicht zufriedengeben wollte, begann am Mittwoch die Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht München. Das gesetzliche Verbot, Sperma eines Toten zu verwenden, hält die Witwe für verfassungswidrig. Die Regelung verstoße gegen ihr Grundrecht auf Fortpflanzung.

Die Frage, ob die Regelung aus dem Embryonenschutzgesetz gegen die Verfassung verstoßen könnte, nimmt Richter Wilhelm Schneider gleich zu Beginn der Verhandlung auf. Eine Verfassungswidrigkeit könne das Gericht aber "derzeit nicht erkennen". Der Gesetzgeber habe mit der Regelung das Ziel verfolgt, das Kindeswohl zu schützen. Auch seiner Einschätzung nach könnte es zu "massiven Problemen" führen, wenn ein Kind später herausfinde, dass es erst nach dem Tod seines Vaters gezeugt wurde. "Nicht alles, was technisch machbar ist, muss rechtlich zulässig sein", sagte der Richter. Selbst wenn die Befruchtung im Ausland geschehen sollte, könnte das Labor gegen das Gesetz verstoßen.

Was der Richter über den Fall sagte

Zweifel blieben dem Richter auch daran, was der Wunsch des Mannes war. Sein Ziel sei es gewesen, zusammen mit seiner Frau ein Kind zu bekommen und es aufwachsen zu sehen. Fraglich sei aber, ober er wirklich wollte, dass seine Ehefrau noch Jahre nach seinem Tod von ihm schwanger werde. Der Vertrag zwischen dem Mann und dem Labor regelt sogar explizit, dass das Sperma unverzüglich vernichtet werden müsse, wenn der Vertrag beendet wird. Das Vertragsende sei mit dem Tod des Mannes eingetreten.

Auf Nachfrage des Richters, ob es angesichts der Krankheit des Mannes ein Thema war, was passieren sollte, wenn die OP schiefgeht, antwortete die Anwältin der Frau, dass das Paar dieses Szenario nie besprochen hätte. Somit fehlte aber auch ein eindeutiger Hinweis, dass der Ehemann der Vertragsregelung widersprechen wollte.

In der Verhandlung kam auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Rostock zur Sprache, das in einem ähnlichen Fall der Witwe recht gegeben hatte. Richter Schneider betonte allerdings, dass die Situation nicht vergleichbar sei. In dem Rostocker Fall waren Eizelle und Spermium schon vor dem Tod des Mannes verbunden. Somit fand die Befruchtung noch zu Lebzeiten statt. Ein Gesetzesverstoß lag somit nicht vor.

Richter Schneider ließ in der Verhandlung durchblicken, dass er kaum eine Grundlage sehe, anders zu entscheiden als das Landgericht in Traunstein. Offen ließ er, ob er eine Revision zulassen würde. In knapp drei Wochen soll das Urteil verkündet werden. Sollte das Anliegen erneut abgelehnt werden, will die Witwe bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Dort will sie klären lassen, ob das Verbot, Spermien eines Toten zu verwenden, gegen die Verfassung verstößt.

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