Prozess:Fehldiagnose Krebs: Frau wird Brust entfernt

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Von Sophie Burfeind, München

Vor zwei Jahren war Bettina W. wieder einmal zur Kontrolle bei ihrer Gynäkologin. Die Ärztin entdeckte in ihrer rechten Brust einen Knoten. Gutartig, sagte sie. Im Klinikum Garmisch-Partenkirchen ließ die damals 42-Jährige das betroffene Gewebe sicherheitshalber entfernen. Fünf Tage später dann der Anruf der Frauenärztin: Pathologen in Garmisch hätten festgestellt, dass der Tumor doch bösartig gewesen sei. Daraufhin wird Bettina W. erneut untersucht, die Ärzte finden einen zweiten Knoten. Sie raten ihr, die von Krebs befallene rechte Brust schnellstmöglich amputieren zu lassen. Im Juli wird sie im Klinikum rechts der Isar operiert. All das wäre nicht weiter ungewöhnlich, wenn die Ärzte sich nicht geirrt hätten: Bettina W. hatte keinen Krebs. Trotzdem verlor sie ihre Brust.

Seit diesem Montag klagt sie vor dem Landgericht München II gegen das Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Für die verhängnisvolle Fehldiagnose fordert sie ein Schmerzensgeld von 80 000 Euro.

Bettina W. ist braun gebrannt, schlank, über ihr gestreiftes Shirt fällt ein heller Schal. Sehen würde man aber ohnehin nichts, die fehlende Brust hat sie durch ein Implantat ersetzen lassen. Im Gerichtssaal schildert sie erneut, was ihr passiert ist: Nach dem Befund der Garmischer Ärzte habe sie im Klinikum rechts der Isar einen zweiten Rat eingeholt. Auch dort sei ihr zu der Operation geraten worden. Die Ärzte dort hätten sich allerdings darauf verlassen, dass die Diagnose aus Garmisch stimmte. "Üblicherweise werden die Befunde übernommen, ohne angezweifelt zu werden", sagt W.

Nach der Amputation kommen erste Zweifel auf. Mit einem Test wollen die Ärzte des Münchner Klinikum ermitteln, welche Art von Krebs vorlag und wie Bettina W. weiterbehandelt werden soll. Doch er bleibt ergebnislos: Es gibt keinen Krebs. Bettina W. lässt die Gewebeproben von Pathologen der Charité Berlin prüfen, um ein unabhängiges Gutachten zu erhalten. Auch hier - alles unauffällig. "Die Pathologen schwören Stein und Bein, dass die Diagnose gestimmt hat", wendet Anwalt Christian Koller ein, der das Klinikum Garmisch-Partenkirchen vertritt. "Wo kein Krebs ist, ist kein Krebs. Ich frage mich, wie viele Frauen in Garmisch denn noch falsch beurteilt worden sind?", entgegnet die Klägerin aufgebracht.

Zu einer Einigung kommt es nicht: Erst müsse eindeutig geklärt werden, inwieweit die Pathologen eine falsche Diagnose gestellt hätten, fordert Anwalt Koller. Dazu sollen diese die Proben nochmals untersuchen dürfen.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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