Prozess:Erzieherin flößt Kleinkindern gewaltsam Essen ein

Kindergärtnerin wegen gewaltsamer Ernährung von Kindern angeklagt

Das Urteil gegen die 26-jährige Erzieherin ist vielen Eltern zu milde.

(Foto: dpa)
  • Die 26-Jährige flößte Kleinkindern gewaltsam Essen ein.
  • Das Amtsgericht Augsburg verurteilt sie nun zu einer Geldstrafe.
  • Vielen Eltern ist das Urteil zu milde. Sie sagen, ihre Kinder würden noch heute unter den Taten leiden.

Von Johann Osel

Wegen rabiater Erziehungsmethoden muss eine Kindergärtnerin aus dem südlichen Landkreis Augsburg eine Geldstrafe bezahlen. Die 26-Jährige stand am Dienstag vor dem Amtsgericht Augsburg, sie hat laut Anklage mehrere Krippenkinder gewaltsam zum gemeinsamen Essen gezwungen. Demnach hat die junge Frau bei sechs Kindern im Alter von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren eine Art Zwangsfütterung vollzogen. Als die Kleinen in ihrer Gruppe das Essen, unter anderem Gemüse und Kartoffeln, verweigerten, hat die Erzieherin die Wangen der Kinder zusammengedrückt, um die Münder geöffnet zu bekommen. Danach hat die Frau das Essen eingeführt und den Kindern den Mund zugehalten - solange bis diese das Essen doch schluckten.

Eben sechs solcher Vorfälle aus dem Zeitraum von Ende 2014 und bis Anfang 2015 waren Gegenstand der Verhandlung. Die Kindergärtnerin sollte eigentlich eine Geldstrafe von 3200 Euro zahlen, hat dagegen aber Einspruch eingelegt. Deshalb wurde der Fall mit dem Vorwurf der Nötigung nun in einem Prozess vor dem Amtsgericht Augsburg verhandelt.

Zwölf Zeugen wurden geladen, der Sitzungssaal war überfüllt, da neben Eltern betroffener Kinder offenbar auch Kolleginnen der Angeklagten erschienen waren, auch viele Pressevertreter. Noch vor Beginn der Beweisaufnahme ergriff der Richter das Wort und stellte klar, dass der Strafbefehl in den Augen des Gerichts "sehr moderat" ausgefallen sei, nämlich unterhalb der Eintragungsgrenze ins Führungszeugnis. Wenn es in den kommenden Stunden zu einem Urteil komme, sei nicht sichergestellt, dass dies so bleiben werde. "Besser wird's nicht", sagte der Richter.

Er legte der Angeklagten nahe, sich es noch einmal zu überlegen und den Strafbefehl womöglich doch anzunehmen. Nach Unterbrechung der Sitzung, in der sich die Erzieherin mit ihrem Verteidiger beriet, stimmte sie dem zu. Seine Mandantin, sagte der Anwalt, stehe "unter extremem Druck" und werde dem Verfahren "nicht standhalten". Äußerlich war dies sichtbar: Die Frau wurde bis zum vorzeitigen Schluss der Sitzung mehrmals von Weinkrämpfen gepackt, zitterte, sank in sich zusammen.

Die Annahme des Strafbefehls und auch das Auftreten der Angeklagten könne als Schuldeingeständnis gesehen werden, sagte der Anwalt eines Elternpaars, das als Nebenkläger auftrat: "Sie hat es kapiert. Allerdings ist es schade, dass nun die Rolle des Krippenträgers und der Leitung nicht näher beleuchtet wird." Dementsprechend braute sich nach der Verhandlung Unmut bei anwesenden Eltern zusammen. "Das ist Deutschland" und "diese Sau", entfuhr es einer Mutter beim Hinausgehen. Draußen fand ihr Ehemann diplomatischere Worte: Man sei enttäuscht, da das Urteil "nicht nachhaltig" sei. Kleinkinder in Krippen müssten besser geschützt werden, "sie können nicht sprechen und über ihren Tagesablauf erzählen".

Das Problem liege auch im System, sagen viele Eltern

Dadurch, dass die Überforderung der Erzieherin nicht Thema war im Prozess und die Angeklagte nun nicht vorbestraft sei, drohten Gefahren auch für Kinder anderer Eltern. "Sie sollte nicht mehr in dem Beruf arbeiten." Bis heute zeigten sich bei dem dreieinhalbjährigen Sohn des Paares Probleme, er lasse sich zum Beispiel nicht den Mund abputzen. Ein anderer Vater berichtet ebenfalls davon, dass bei seinem Sohn "etwas im Kopf geblieben ist". Unmöglich sei es für die Eltern zum Beispiel, Medikamente wie Tabletten in den Mund zu verabreichen.

Bekannt geworden war das grobe Vorgehen der Erzieherin den Eltern zufolge einerseits durch ältere Kita-Kinder aus anderen Gruppen, die zu Hause von ihren Beobachtungen erzählten. Andererseits habe ein Spaziergänger durch die Fensterscheibe der Kindertagesstätte zufällig die Zwangsfütterung beobachtet und die Polizei alarmiert. Da die Staatsanwaltschaft Augsburg der Rücknahme des Einspruchs durch die Angeklagte zustimmte, ist der Strafbefehl rechtskräftig.

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