Prozess:Ehepaar verklagt Kirche wegen zu lauten Glockenläutens

Prozess um Läuten von Kirchenglocken

Die Martin-Luther-Kirche mit ihrem Glockenturm in Langquaid im niederbayerischen Landkreis Kelheim.

(Foto: dpa)
  • Sandra B. und ihr Mann Robert haben die Evangelisch Lutherische Kirchengemeinde Schierling verklagt, weil das laute Glockenläuten gesundheitsschädlich sei.
  • Am Ende schlossen beide Parteien einen Vergleich. Die Kirche soll den Glockenturm schalldicht isolieren. Dafür gibt das Ehepaar Ruhe.

Von Andreas Salch

Gut möglich, dass Sandra B. und ihr Mann Robert demnächst ein Stoßgebet gen Himmel senden. Denn nach jahrelangem Streit mit ihrem Nachbarn stehen die Chancen jetzt gut, dass endlich wieder Friede einkehrt. Nachbar der gläubigen Katholiken Sandra und Robert B. in der niederbayerischen Marktgemeinde Langquaid (Landkreis Kelheim) ist die Evangelisch Lutherische Kirchengemeinde Schierling.

In dem Nachbarschaftsstreit unter Christen geht es nicht um Glaubensinhalte. Grund für den Zwist ist vielmehr das Gebetsläuten der Evangelischen Kirche. Familie B. geht dieses dreimal täglich stattfindende Geläut nicht nur gewaltig auf die Nerven. Es soll sogar so laut sein, dass es gesundheitsschädlich ist. Am Donnerstag befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) München mit der Causa. Das Medieninteresse war groß, sogar ein TV-Team des ORF war zur Verhandlung gekommen.

"Warum prüft mich der Herrgott so", klagte Sandra B., 43, von Beruf Chemielaborantin. In dem Wohngebiet, in dem sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebt, herrsche sonst "Totenstille". Doch morgens um sieben Uhr ist es damit vorbei. "Man schläft und dann hat man das Gefühl, jemand wirft eine Motorsäge an", schilderte Sandra B. den Klang des Geläuts. Dabei handelt es sich bei der Hirtenglocke und der Burgglocke um Meisterglocken aus einer angesehenen Gießerei, beteuerte der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde, Uwe Biedermann.

Angefangen hatte der Streit um das Geläut 2009. Die Evangelische Kirchengemeinde hatte damals nicht nur ihren Gebetsraum aus dem Jahr 1952 umgestaltet, sondern auch einen Glockentrum errichtet. Knapp acht Meter hoch und etwa 14 Meter vom Anwesen der Familie B. entfernt. In etwa genau der gleichen Höhe befinden sich in der Regel Schlaf- und Kinderzimmer von Einfamilienhäusern. Außer um 7 Uhr rufen die Glocken der evangelischen Christen in Markt Langquaid um 12 Uhr sowie um 18 Uhr zum Gebet. Morgens läuten sie zwischen 60 und 65 Sekunden lang. Mittags und abends 90 bis 95 Sekunden. Laut Sandra B. und ihrem Mann werden dabei Spitzenwerte beim Schalldruckpegel von 89 dB (A) erreicht.

Der Anwalt des Ehepaars, Rechtsanwalt Jürgen Linhart, erklärte in der Verhandlung vor dem VGH, angesichts solcher Werte drehe sich der "Rechtsstreit um eine handfeste Gesundheitsbelästigung". Pfarrer Uwe Biedermann hielt dem unter anderem entgegen, dass man der Familie B. in der Vergangenheit immer entgegenkommen sei. Sogar auf das samstägliche Morgengeläut habe man verzichtet, was eigentlich "gegen unsere Glaubensüberzeugung ist", so Biedermann. Die Messwerte zur Lautstärke der Glocken werden von der Kirche in Zweifel gezogen. Denn das Landratsamt Kelheim hat selbst Messungen durchgeführt. Und dabei kamen geringere Lärmwerte heraus, als sie das Ehepaar B. festgestellt haben will.

Fast vier Stunden feilschten beide Parteien vor den Richtern des 22. Senats, wobei dessen Vorsitzender, Richter Rainer Schenk, einen Versuch nach dem anderen unternahm, um den Frieden wiederherzustellen. Am Ende waren die Bemühungen von Erfolg. Familie B. schloss mit der Evangelischen Kirchengemeinde einen Vergleich. Unter andrem verpflichtet sich die Kirche bis spätestens Ende März 2017 die hölzernen Querlatten an der Nordseite des Turms - in Richtung des Anwesens der Kläger - "fugendicht" zu verschließen. Darüber hinaus sollen beim täglichen Gebetsläuten nicht mehr beide Glocken läuten, sondern nur noch die "Hirtenglocke" und im Kirchtrum sollen "schallabsorbierende Matten" installiert werden.

Sandra B. und ihr Mann Robert erklärten sich im Gegenzug unter anderem damit einverstanden, dass das Gebetsläuten zwei Minuten dauern und die Kirchengemeinde die Zeiten für das Läuten selbst festlegen darf. Überdies verpflichtete sich das Ehepaar dazu, dass es "keine Einwendungen gegen das sonstige liturgische Geläut", etwa bei Taufen und Beerdigungen zu machen. Der Vergleich wurde widerruflich geschlossen, da auch noch der Kirchenvorstand seine Zustimmung erteilen muss.

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