Prozess:Angeklagter nimmt einen Reporter in den Schwitzkasten

  • Ein Reporter der Mainpost ist im Landgericht Würzburg von einem Angeklagten angegriffen worden.
  • Laut Staatsanwalt wirft der Mann der Lokalzeitung vor, über den Suizid seines Bruders in einer Justizvollzugsanstalt nicht berichtet zu haben.
  • Er hatte bereits eine Zeitungszustellerin verletzt.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Am Tag danach ist der Gerichtsreporter der Würzburger Main Post zurückhaltend. Er sollte am Donnerstag über einen Prozess berichten, in dem sich ein 28-jähriger Mann wegen versuchten Totschlags am Würzburger Landgericht zu verantworten hatte. Am Nachmittag musste er dann aber um rasche Unterstützung aus der Redaktion bitten, weil er ja schwer allein über einen Fall berichten konnte, in dem er plötzlich selbst zum Opfer geworden ist.

In einer Verhandlungspause hatte der Angeklagte den Reporter angegriffen, Beamten war es gelungen, den Angreifer im Gerichtssaal zu stoppen. Ein Beamter wurde leicht verletzt dabei. Ihm selbst sei bei dem Angriff nichts passiert, erklärt der Reporter. Weil er aber wohl demnächst selbst als Zeuge aussagen müsse, wolle er nicht mit weiteren Erörterungen vorgreifen.

Der Vorfall im Gerichtssaal ist offenbar schon der zweite Angriff auf Personen, von denen der Angeklagte wahrzunehmen glaubt, sie seien Vertreter der Würzburger Lokalzeitung. Der Angeklagte habe offenkundig "einen Hass auf die Main Post", formuliert Boris Raufeisen, der Leitende Oberstaatsanwalt. Das ist allem Anschein nach auch der Grund, warum sich der Mann vor Gericht verantworten muss.

Dem 28-Jährigen wird vorgeworfen, im vorigen Jahr eine Zeitungsausträgerin im unterfränkischen Höchberg vom Fahrrad gerissen und ihr gegen den Kopf getreten zu haben. Als Grund für seinen "Hass" nenne der Mann nicht etwa eine anstößige Berichterstattung. Er werfe der Zeitung vielmehr vor, über den Suizid seines Bruders in einer Justizvollzugsanstalt nicht berichtet zu haben, sagt Staatsanwalt Raufeisen. Was allerdings der Regel entspricht. Zeitungen sind gehalten, über Suizide sehr zurückhaltend und nur in Ausnahmefällen zu berichten.

Manfred Schweidler, Redakteur der Main Post, musste am Donnerstag einspringen, um über den Angriff auf seinen Kollegen zu berichten. Er könne nicht ausschließen, sagt Schweidler, dass dem Angriff eine Verwechslung vorausging. Augenzeugen hätten nämlich beobachtet, dass die Schwester des Angeklagten in der Pause vor dem Urteil vom Zuschauerraum aus ihren Bruder auf den Reporter aufmerksam gemacht hatte.

Ein weiteres Verfahren droht

Sie hätten den Reporter falscher Berichterstattung bezichtigt und ihn beschimpft. Über diesen Fall, sagt Schweidler, habe bis zu dem Zeitpunkt allerdings nur er berichtet. Normalerweise hätte er dies im Gericht dann auch fortgeführt. An dem Tag aber sei er verhindert gewesen. "Wahrscheinlich hat der Kollege das erlitten, was für mich gedacht war", vermutet Schweidler.

Der Angeklagte griff nach Angaben von Augenzeugen über eine Absperrung hinweg nach dem Laptop des Reporters und attackierte ihn. Dem Bericht der Main Post zufolge nahm der Angeklagte den 49-Jährigen danach zunächst "in den Schwitzkasten". Eine Polizeisprecherin berichtet, der Angeklagte habe nach dem Journalisten auch einen zu Hilfe eilenden Beamten angegriffen. Als der im Gerangel zu Boden ging, habe der 28-Jährige versucht, nach dessen Waffe zu greifen. Dies habe unterbunden werden können, der Angreifer wurde überwältigt.

Die Urteilsverkündung wurde auf Donnerstag verschoben. Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft, der Vorwurf wurde auf versuchte gefährliche Körperverletzung geändert. Beantragt wurde zudem die Unterbringung des Mannes in einer Klinik. Ein Gutachter hat bei ihm eine psychische Erkrankung festgestellt. Nach dem Übergriff wird nun aber zusätzlich wegen einer weiteren Körperverletzung ermittelt. Beide Verfahren sollen aber nicht miteinander verbunden werden.

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