Protest gegen NPD-Demo:2000 gegen zwölf

Ein Pfeifkonzert, fliegende Eier und Glockenläuten: Mit kreativen Mitteln haben Bürger in Regensburg die NPD-Kundgebung auf dem zentralen Domplatz gestört. Als die Gegendemonstranten die zwölf Neonazis aber nicht mehr abziehen lassen wollten, schritt die Polizei hart ein. Von dem Eingriff gibt es verschiedene Versionen.

Von Wolfgang Wittl

Am Tag danach erinnert nichts mehr an die brutalen Szenen, die sich in der Nähe des Platzes abspielten, der eigentlich ein Ort des Friedens sein soll. Menschen lehnen an der Rückwand des Regensburger Doms und lesen Zeitung, Lieferanten entladen Lastwagen, ein asiatisch aussehender Mann zückt seinen Fotoapparat. Am späten Donnerstagnachmittag waren Touristen noch aufgefordert worden, den Dom schleunigst zu verlassen. Die Polizei hatte die für den benachbarten Kohlenmarkt geplante NPD-Kundgebung aus sicherheitstaktischen Gründen kurzerhand auf den größeren Domplatz verlegt. Dennoch eskalierte die Situation.

Es war kurz vor 19 Uhr, die von den Protesten entnervten NPD-Funktionäre hatten ihre Sachen bereits gepackt, da hinderte eine Gruppe von etwa 100 Menschen ihren Bus durch eine Sitzblockade am Abfahren. Als sich die Demonstranten trotz mehrmaliger Aufforderung weigerten, die Fahrbahn zu räumen, bahnte sich die Polizei eine Gasse. Über das Wie gehen die Schilderungen der Beteiligten auseinander:

Das Polizeipräsidium Oberpfalz erklärt, Beamte seien "massiv bedrängt und auch mit Flaschen beworfen" worden. Die Einsatzkräfte hätten daher keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als sich dieser Bedrohung "nur mit unmittelbarem Zwang in Form körperlicher Gewalt und dem Einsatz von Pfefferspray erwehren" zu können. Drei Polizisten seien leicht verletzt worden, sechs Personen festgenommen.

Demonstranten haben die Szene anders in Erinnerung: Selbst friedliche Bürger, die in der Nähe standen, seien zurückgedrängt und unkontrolliert mit Pfefferspray besprüht worden. Fliegende Flaschen hätten sie nicht bemerkt, trotzdem sei das Unterstützungskommando (USK) der Polizei mit voller Härte vorgegangen. Im Jahr zuvor hätten die Spezialkräfte besonnener agiert: Damals trugen sie sitzende Demonstranten einfach von der Straße.

Bürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) findet es "einfach nur schade", wie der Tag zu Ende ging. In Abwesenheit von OB Hans Schaidinger (CSU) war er von der bisherigen Strategie der Stadt abgewichen, Ort und Zeit von NPD-Kundgebungen geheim zu halten, um diesen keine Bühne zu bieten. Zugleich meldete Wolbergs als Privatperson eine Gegendemonstration an. Der Protest solle nicht autonomen Gruppen überlassen, sondern von der breiten bürgerlichen Mehrheit getragen werden.

Zur Begrüßung ein Pfeifkonzert

Zumindest diese Rechnung ging auf: Mehr als 2000 Menschen zeigten in der Regensburger Innenstadt Flagge gegen rechtes Gedankengut. Sämtliche Fraktionen im Stadtrat, Kirchen und gesellschaftliche Gruppen beteiligten sich an der zunächst friedlichen Gegendemonstration, Redner betonten den Wert der Demokratie. Als der NPD-Bus mit Verspätung eintraf, empfing ihn ein gellendes Pfeifkonzert. Allerdings störten sich die Menschen auch daran, dass die Kundgebung wegen des blockierten Kohlenmarkts nun direkt vor dem Wahrzeichen der Stadt, dem Dom, stattfand. Mit einer Kolonne von Polizeiwagen wurden die Demonstranten von den gerade mal zwölf NPD-Funktionären abgeschirmt. Als diese ihre Parolen absonderten, antwortete ihnen ein Hagel von fliegenden Eiern und Tomaten.

Doch sogar Trommeln und Trillerpfeifen vermochten den rechtsextremen Klamauk nicht zu übertönen. Erst als Bischof Rudolf Voderholzer und Dompropst Wilhelm Gegenfurtner die Glocken des Doms erklingen ließen, kapitulierte die NPD. Niemand müsse sich das dumme Gerede solcher Leute anhören, sagte Gegenfurtner.

Wolbergs lobte, er sei "richtig stolz" auf die Regensburger. "Super" sei der Tag verlaufen, abgesehen von der Eskalation, die auch er am Megafon nicht verhindern konnte. Für das Verhalten der Polizei äußerte der Bürgermeister Verständnis, auch er habe Flaschen fliegen gesehen. Gleichwohl kündigten erboste Bürger noch am Donnerstag Anzeige gegen den USK-Einsatz an.

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