Garmisch-Partenkirchen:Grundbesitzer bedroht, weil er Wiese an G-7-Kritiker verpachten will

G8 - Camp

Bilder vom G-8-Gipfel in Heiligendamm: Ein Demonstrant musiziert 2007 in Rostock im Zeltlager.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • In Garmisch-Partenkirchen wird ein Grundbesitzer bedroht, weil er eine Wiese an G-7-Kritiker verpachten will.
  • Die Demonstranten wehren sich dagegen, von Behörden "im Vorfeld kriminalisiert" zu werden.
  • Die Gemeinde will verhindern, dass bis zu 1000 Aktivisten ein Zeltlager errichten.

Von Heiner Effern und Lisa Schnell, Garmisch-Partenkirchen

Vor dem Haus von Bernhard R. in Garmisch-Partenkirchen fährt jetzt oft ein Polizeiwagen vorbei. Vier bis fünf Mal täglich vergewisserten sich die Beamten, dass bei ihm noch alles in Ordnung sei. Er stehe unter Polizeischutz, sagt Bernhard R. selbst. Gegen ihn gebe es mehrere Drohungen, das habe ihm der Polizeichef von Garmisch mitgeteilt. Auch deshalb will R. nicht seinen vollen Namen in der Zeitung lesen.

R. verpachtete seine Wiese an Aktivisten des "Stoppt G 7"-Bündnisses, die gegen das Treffen von Obama und Co im nahegelegenen Schloss Elmau am 7. und 8. Juni protestieren wollen. Auf seinen 7000 Quadratmetern Wiese wollen sie ihre Zelte aufschlagen. Monatelang suchten die G7-Gegner ein Areal, auf dem zumindest 500 bis 1000 Demonstranten unterkommen sollen. Immer stießen sie gegen eine Wand der Ablehnung - bis sie an die Tür von R. klopften.

Manche recken die Faust

Der Garmischer entspricht in seiner Tweed-Latzhose mit Folklore-Stickereien so gar nicht dem Klischee eines linken Aktivisten. Doch schon beim ersten Gespräch wusste R., dass er helfen wollte. Auch er ist gegen das Freihandelsabkommen TTIP und für ihn gehört es zur Demokratie, den G-7-Gegnern eine "Plattform für ihren Protest" zu geben. Viele im Dorf verzeihen ihm das nicht. "Ich werde angefeindet", sagt R. Manche würden die Faust recken, wenn sie ihm auf der Straße begegneten. Zu dem üblichen Tratsch nach einem Elternabend werde seine Frau nicht mehr eingeladen. "Du bist schuld, wenn die uns die Häuser anzünden" - solche Sätze hört er sogar aus seiner eigenen Familie.

Der Grundeigentümer kannte die Stimmung im Dorf und wollte nicht, dass sein Name an die Öffentlichkeit kommt. Ihn ärgert, dass manche doch geredet haben. Hat er keine Angst um sich und seine drei kleinen Kinder? R. winkt ab. Er lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Die Drohungen gegen ihn habe er sich nicht mal angesehen. Dafür habe er keine Zeit, sagt er, und zeigt seine schwieligen Arbeiterhände. Was nun genau an Drohungen vorliegt, weiß also nur die Polizei. Doch von dort heißt es: Zu Personenschutz gebe man grundsätzlich keine Auskunft.

Die Warnungen des Innenministers

Aktivist Benjamin Ruß kann es nicht mehr hören, dass wegen der Proteste und des Camps in Garmisch die Nerven blank liegen. In seinen Augen werden Demonstranten "im Vorfeld kriminalisiert". Vor allem Politik und Behörden würden "unnötig Angst schüren". Immer wieder bezeichnete Innenminister Joachim Hermann Camps als "Keimzelle der Krawallmacher". Die Garmischer Polizei sieht in ihnen "rechtsfreie Räume, in die sich militante Demonstranten zurückziehen" können. "Wir sind gegen jede Eskalation", sagt Benjamin Ruß. Bis jetzt wurden trotzdem alle Flächen, die sie angemeldet hatten, von den Behörden abgelehnt.

Ob sie auf der Wiese von R. campen dürfen, beschließt die Kommune in den kommenden Tagen. "Das sind politische Entscheidungen, keine verwaltungstechnischen", sagt Ruß. Als Grundbesitzer Bernhard R. der SPD-Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Sigrid Meierhofer, von seinen Pachtplänen erzählte, habe diese gesagt: "Das lasse ich nicht zu." Bis jetzt spricht alles dafür, dass den Aktivisten ihr Camp verwehrt wird.

"Da wird das Demonstrationsrecht vom Geldbeutel abgängig gemacht"

Die Wiese von R. liegt inmitten anderer Felder. Zwar wollen die Aktivisten ihr Zeltlager mit Bauzäunen abgrenzen. Trotzdem bleibt die Angst der umliegenden Landwirte, dass auch ihr Grund zum Zeltplatz wird, wenn etwa mehr Camper kommen als erwartet. "Wir sehen den Standort sehr skeptisch", sagt Josef Glatz, Vorsitzender der Weidegenossenschaft Garmisch. Die nahe Loisach gehe nach den jüngsten Regenfällen hoch, die Wiesen seien extrem nass. "So bleibt nach dem Camp ein einziger Baaz", fürchtet Glatz. Eine vernünftige Zufahrt gebe es auch nicht.

Landwirte aus ganz Garmisch-Partenkirchen haben deshalb einen Brief an die Bürgermeisterin geschrieben, dass sie diese Wiese als nicht geeignet ansähen. Glatz lässt aber wie mittlerweile so einige Garmisch-Partenkirchner durchblicken, dass er ein Camp auf einem befestigten, öffentlichen Grund für keine schlechte Idee gehalten hätte. Er fürchtet, dass bei einem generellen Verbot wild auf privatem Grund gezeltet werde.

Was die Polizei nicht will

Möglicherweise fällt die bisherige strikte Ablehnung der Gemeinden von Camps aber auch auf sie selbst zurück. Die G-7-Gegner haben vorsorglich beim Landratsamt vom 3. bis 8. Juni Dauerkundgebungen im Kurpark von Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen sowie auf dem Parkplatz der Hausbergbahn angemeldet. Teilnehmerzahl jeweils: 1500. Sollte kein Camp genehmigt werden, könnte so mancher Demonstrant auf diesen Plätzen seinen Schlafsack auspacken. Ein zweiter vielleicht wegen des Regens eine Plane spannen. Bis zu einem wilden Camp ist der Weg dann nicht mehr weit. Mit dem Nachteil, dass dort nicht einmal annähernd die sanitären Anlagen bereit stünden wie in einem organisierten Zeltlager.

Bis jetzt kam von öffentlichen Stellen nur der Tipp an die G7-Gegner, sich doch ein Zimmer zu suchen. "Da wird das Demonstrationsrecht vom Geldbeutel abhängig gemacht", ärgern sich die Kritiker. Auch der Verweis auf Campingplätze sei vergebens. Sie hätten auf einem Areal schon 200 Plätze reserviert gehabt. Eine Woche später sei eine Absage mit dem Hinweis gekommen, die Polizei wolle das nicht. Die Besitzerin des Campingplatzes in Garmisch-Partenkirchen will die Aussage nicht kommentieren.

Ablehnende Bescheide des Marktes Garmisch-Partenkirchen und des Landratsamtes würden aber noch nicht das endgültige Aus für ein Zeltlager oder eine 24-Stunden-Kundgebung etwa in den Kurparks bedeuten. Die G-7-Aktivisten wollen jede strittige Entscheidung über Demonstrationen und Camps vor Gericht überprüfen lassen. Die letzten zwei Wochen vor dem Gipfel könnten den Verwaltungsrichtern in München viel Arbeit verschaffen.

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