Protest gegen Gipfel in Elmau:G-7-Gegner gehen getrennte Wege

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Ein Ziel, zwei Wege: Die G-7-Gegner (hier ein Bild vom Gipfel 2007 in Heiligendamm) sind sich in ihrer Kritik einig, bei der Art des Protestes nicht.

(Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)
  • Die Gegner des G-7-Gipfels in Elmau sind zahlreich - doch sie sind in zwei Lager gepalten.
  • Großorganisationen wie Campact, der BN und die bayerischen Grünen wollen in München mit einer Demonstration ihrem Unmut Luft machen.
  • Kleinere Organisationen sind radikaler - sie wollen direkt am Tagungsort in Elmau protestieren.

Von Lisa Schnell

Nicole Gohlke von der Linken steht auf der Bühne des Backstage in München. Vor ihr über hundert Aktivisten. Aus ganz Deutschland sind sie angereist: Linksradikale mit schwarzen Kapuzenpullis, Globalisierungskritiker, Naturschützer und Kirchenaktivisten. Sie sind gekommen, um ihren Protest zu organisieren gegen den G-7-Gipfel, zu dem sich die sieben mächtigsten Staatschefs im Juni auf Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen treffen. Gohlke beugt sich vor zum Mikro.

Sie spricht von einem breiten Bündnis zusammen mit dem Bund Naturschutz oder Campact - Großorganisationen mit Ressourcen, von denen kleine linke Gruppen nur träumen können. Die stellen sie aber nur zur Verfügung, wenn der Protest in München stattfindet, nicht am Tagungsort selbst in Garmisch. "Ein paar haben geklatscht. Es waren nicht viele", erinnert sich Gohlke an diesen Samstag im Dezember, der die Bewegung spaltete.

Eine Stunde lang lieferten sich die verschiedenen Strömungen eine hitzige Debatte. Die Großorganisationen argumentierten, die breite Masse könne nur in München erreicht werden. Kleine, linke Gruppen warfen ihnen Erpressung vor. "Nur weil sie das Geld haben, können sie nicht bestimmen", sagt Benjamin Ruß vom Stoppt G-7-Bündnis.

Eine gemeinsame Protestplattform gibt es nicht

Seine Leute waren in der Mehrzahl, setzten eine Abstimmung durch. Etwa zwei Drittel stimmten dafür, in Garmisch zu demonstrieren. Eine "Kampfabstimmung" nennt das Roland Süß von Attac Deutschland. So ein Treffen hat er seit Jahren nicht erlebt. Normalerweise würde so lange diskutiert, bis es einen Kompromiss gibt.

Das Ziel, eine gemeinsame Protestplattform zu schaffen wie in Heiligendamm 2007, sei "gescheitert". "Zwei Bündnisse, die getrennt mobilisieren, das ist genau das, was wir nicht wollten", sagt er. Jetzt stehen auf der einen Seite Großorganisationen wie Campact, der BN und die bayerischen Grünen - die Professionellen. Vernünftig und gemäßigt würden die einen sagen, systemkonform und zahnlos die anderen. Am 4. Juni wollen sie in München eine "Demonstration für die ganze Familie" organisieren. Auf der anderen Seite das Stoppt G-7-Bündnis. Radikaler in ihren Ansichten und Protestformen wollen sie direkt nach Garmisch. Ihr Ziel: Den Gipfel stören.

"Mein Konto ist leer", sagt Protestsprecher Ruß

Ihr Sprecher Benjamin Ruß trägt Lederjacke und Jogginghose, seine langen Haare hat er mit einem Band zurückgebunden. Eigentlich ist der 29-Jährige Städteplaner, für ein Großereignis wie den G-7-Gipfel hat er noch nie mobilisiert. Seit Mai 2014 koordiniert er Vernetzungstreffen und Pressetermine, gerade hat er 15 Stunden plakatiert - alles ehrenamtlich.

"Mein Konto ist leer", sagt er. Mit ihm sind etwa 30 Leute aktiv, mehr als 8000 Euro konnte das Bündnis bis jetzt nicht auftreiben. Auf ihrer Unterstützerliste haben sie nur die Linke als bundesweit relevante Partei. Sonst finden sich dort kleine, linke Gruppen, die sich die "Sozialistische Alternative" oder "Revolutionäre Aktion" nennen.

Das Vokabular erinnert an lange vergangene Zeiten

Für sie geht es um das große Ganze - das System, den Kapitalismus, den Krieg. Das Vokabular von manchen erinnert an die marxistischen K-Gruppen der 70er Jahre. Ihr Protest ist der "Widerstand der Ausgebeuteten", Obama und Co die "herrschende Klasse". Dass sich sieben Staatenlenker anmaßen würden, über "die Geschicke der ganzen Welt zu entscheiden", ist für Ruß "illegitim". Das Bündnis wird daher alles tun, um die Postkartenidylle, die sich Kanzlerin Angela Merkel für den Gipfel im beschaulichen Werdenfelser Land ausgesucht hat, zu stören.

Pressekonferenz 'Stop G7 Elmau'

Benjamin Ruß vom Bündnis "Stop G7 Elmau" fühlt sich von der Wahl des Tagungsorts provoziert.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Ruß beobachtet genau, wie sein Gegenüber bei diesen Worten reagiert. Er kennt die Assoziationen: brennende Autos in Frankfurt bei der EZB-Demo im März, Steine werfende Demonstranten beim G-8-Gipfel in Heiligendamm. "Wir werden nichts tun, um zu provozieren", sagt er. Vielmehr fühlt er sich provoziert. Etwa von der Wahl des Tagungsortes. Elmau liegt mitten im Naturschutzgebiet, es gibt nur zwei Zufahrtsstraßen. Argumente für die Behörden, das Schloss mit einem riesigen Zaun weitläufig abzuriegeln.

Für Ruß ein klarer Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit, ähnlich wie in Heiligendamm, dessen Sicherheitskonzept das Bundesverfassungsgericht beanstandete. Wird das Demonstrationsrecht auch in Elmau unrechtmäßig eingeschränkt, will Ruß nicht warten, bis ihm ein Gericht später Recht gibt. "Ich werde mein Recht verteidigen auch mit persönlichem Einsatz", sagt er. Er wird gegen die Polizeiketten andrängen. Was das bedeuten könnte, ist ihm klar: "Knüppel und Pfefferspray." Warum Parteien und Gewerkschaften es ihm nicht gleich tun, versteht er nicht. "Am Ende bleibt es an den jungen Leuten hängen, die sich trauen."

Die Gemäßigten wollen möglichst viele Leute erreichen

Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz "traut" sich nicht. Zusammen mit Campact und den Grünen gehört der BN zu den Big Playern der Gipfelgegner, die in München demonstrieren wollen. Geilhufe will nicht als Demonstrant geschützte Grashalme auf den Elmauer Wiesen zertrampeln. Grüne und Campact wollen möglichst viele Leute erreichen. "Eine Familie mit Kindern wird wohl nicht nach Garmisch fahren", sagt Sigi Hagl von den Grünen. Doch auch inhaltlich ist es für sie kaum möglich, den Aufruf des Bündnisses zu unterschreiben. "Gegen alle NATO-Kriege" können die Grünen nicht sein, schließlich haben sie selbst Soldaten in den Kosovo geschickt.

Wenn Geilhufe vom BN manche Mobilisierungsvideos von linken Gruppen des Stoppt G-7-Bündnisses sieht, wird ihm ganz anders: Rauchschwaden über Frankfurt, Demonstranten, die gegen Polizisten anstürmen. "Für mich distanziert sich das Bündnis nicht klar von Gewalt", sagt er. Ihre Kritik ist ihm zu allgemein. Die Fraktion der Gemäßigten will den Gipfel nicht stören, sondern seine Ergebnisse beeinflussen. Ihre Großdemo konzentriert sich auf drei Themen: TTIP, Armutsbekämpfung und Klimaschutz.

Viel Geld und gute Organisation

Dafür geben sie eine Summe im unteren sechsstelligen Bereich aus. Vier Hauptamtliche kümmern sich um Logistik und Mobilisierung. Allein Campact hat 1,7 Millionen Menschen in ihrem Verteiler. Sie erwarten zwischen 15 000 und 19 000 Leute. Ärgert es Benjamin Ruß nicht, dass dem Bündnis solche Summen durch die Lappen gegangen sind, weil sie darauf bestanden in Garmisch zu demonstrieren? "Es ist doch egal, wo die Leute sind. Hauptsache sie gehen auf die Straße", sagt er. Kurz vor dem Gipfel will nicht nur Ruß die Wogen glätten. Ob Grüne, BN oder Campact, alle betonen ihre gemeinsame Kritik an G-7. Wohl auch, weil ihr Zwist sie einiges gekostet hat.

Er ist der Grund, warum Attac Deutschland seine Mitglieder - immerhin fast 30 000 - zu keiner der zwei Demos aufrufen wird. Aus Rücksicht auf die Demo des Stoppt G-7-Bündnisses am Samstag ist die Demo in München für einen Donnerstag geplant. "In den Bundesländern, in denen an diesem Tag kein Feiertag ist, wird die Mobilisierung schwach ausfallen", sagt Christoph Bautz von Campact. Zu ihrer Pressekonferenz kam kein einziger Journalist. "Für die Medien sind wir das Sprachrohr der G-7-Gegner", sagt Benjamin Ruß vom Stoppt G-7-Bündnis. Fast könnte man meinen, er freue sich darüber.

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