Protest auf dem Königsplatz:Appell für die Armen

'Gemeinsam gegen Armut' anlässlich des G7-Gipfels

"United against Poverty - Zusammen gegen Armut" lautet das Motto, unter dem sieben Nicht-Regierungsorganisationen zum Protest gerufen haben.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Der Sänger Bono schickt Grußbotschaften, der Rapper Usher schweigt ausnahmsweise: Am Königsplatz kämpft eine ungewöhnliche Allianz für eine bessere Welt

Von Thomas Anlauf

An zwei Mülleimern lehnt ein Transparent an Besen: "Wie fühlt sich das an, über Leichen zu gehen, Demokraten der Welt?" Eine junge Frau mit schwarzem Shirt, auf dem schlicht "One" steht, fotografiert die kleine Szene. Sie ist eine von 250 Jugendbotschaftern der Hilfsorganisation, die anlässlich des G-7-Gipfels nach München gekommen sind. "Die Welt muss sich endlich ändern, wir müssen doch den Armen helfen", sagt sie. An diesem Samstagnachmittag sind die jungen Leute mit ihren schwarzen T-Shirts zunächst in der Mehrheit am Königsplatz. Es ist brütend heiß, viele Münchner sind lieber im Biergarten oder in Schwimmbädern als dafür zu demonstrieren, dass die weltweite Armut effizienter bekämpft wird.

Dabei hat sich am Königsplatz eine ungewöhnliche Allianz gebildet: Sieben große Nicht-Regierungsorganisationen, darunter die Welthungerhilfe, World Vision, Global Citizen und Plan Deutschland, haben sich für die Veranstaltung "United against Poverty - Zusammen gegen Armut" zusammengeschlossen. Und es kommen viele Prominente oder schicken Grußbotschaften. "Ihr macht etwas wirklich Wichtiges", sagt der Sänger Bono, einer der Mitbegründer von "One". "Ihr baut Druck auf die in Elmau auf." Und raunt dann auf Deutsch: "Zusammen gegen Armut. Wir können es schaffen." Bono hat seine Videobotschaft an die Münchner Demonstranten aus Denver geschickt, doch die applaudieren, als stünde der Star auf der Bühne.

Die Veranstaltung am Königsplatz wirkt auch eher wie ein großes Happening als eine wütende Protestaktion. Nur langsam füllt sich der Platz, die meisten fliehen gleich vom Eingang in die spärlichen Schattenplätze. Es sind am späten Nachmittag mehrere Tausend, die sich versammelt haben. Die Veranstalter sprechen von 5000 Teilnehmern. Vor allem auf den Stufen zur Antikensammlung sitzen Hunderte, die zunächst von einer Mitarbeiterin des Museums verscheucht werden. Doch offenbar haben die am Platz in Grüppchen stehenden Polizisten mehr Einsehen mit den schwitzenden Menschen: Sie geben die Treppe frei für etwa 300 Leute, die das Bühnengeschehen von dort aus beobachten. Da ist zunächst die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die trotz des eng getakteten Programmablaufs ebenso wie Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth nur ungern die Bühne verlässt. "Bei G-7-Gipfeln, das ist meine Erfahrung, bewegt sich nur etwas, wenn die Menschen auch fordern", sagt SPD-Politikerin Wieczorek-Zeul. Und Roth ruft der Menge zu: "Ich freue mich, dass ihr hier seid, weil ihr es nicht aushalten wollt, dass über eine Milliarde Menschen in Armut und Hunger leben."

Der amtierende Entwicklungsminister Gerd Müller erscheint zunächst nicht auf der Bühne vor den Propyläen, der CSU-Politiker schlendert, umringt von Sicherheitsleuten, an den zahlreichen Infoständen der Hilfsorganisationen entlang. Ein Demonstrant, der neben der Menschentraube um Müller steht, zuckt mit den Achseln und sagt: "Was wäre eigentlich los, wenn ein wirklich Prominenter kommen würde?" Der kommt später tatsächlich. Erst rockt Schauspieler Jan Josef Liefers mit seiner Band Radio Doria auf der Bühne und gibt sich politisch: "Deutschland ist, was Waffenexporte angeht, auf der Absahnerliste auf Platz drei." Der Tatort-Kommissar, der an diesem Samstag in einem Shirt von "Global Citizen" auftritt, kritisiert die enormen Kosten für den G-7-Gipfel in Elmau. Die mittlerweile eingestellte Seenotrettung Mare Nostrum für Flüchtlinge im Mittelmeer "kostete in einem Jahr weniger als der G-7-Gipfel".

Die Präsidentin von Liberia, Friedensnobelpreisträgerin Ellen Johnson Sirleaf, richtet schließlich einen Appell an die Staats- und Regierungschefs. "Ich glaube daran, dass die Welt die extreme Armut überwinden kann." Dafür müssten sich die G 7 und alle staatlichen Führer einsetzen. Denn mehr als drei Milliarden Menschen lebten von zweieinhalb Dollar pro Kopf und Tag. Ihr antwortet Entwicklungsminister Müller direkt im Anschluss auf der Bühne: "Wir haben alle ein gemeinsames Ziel: eine Welt ohne Hunger. Unser Planet kann alle ernähren, und es ist zynisch, es nicht zu tun. Die G 7 muss sich diesem Ziel verpflichten: eine Welt ohne Hunger."

Als der US-Sänger Usher lässig auf die Bühne schlendert, beginnen junge Frauen zu kreischen, Hunderte, die bis dahin auf der Wiese gesessen sind, hält es nicht mehr auf ihren Plätzen. Doch der Rapper denkt gar nicht daran, einen seiner Hits zu präsentieren. "Heute singe ich nicht. Ich hoffe, dass ich meinen Namen heute für einen anderen Zweck einsetzen kann." Er wirbt für die Organisation Global Citizen, die er selbst unterstützt, indem er etwa Briefe an Politiker in den USA schreibt. "Das könnt ihr auch", ruft er in die Menge. Als am Ende Hunderte auf dem Platz skandieren "Gemeinsam gegen die Armut!" bleibt der Sänger allerdings stumm. Sein Deutsch sei zu schlecht, sagt er.

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