Verschwundenes Mädchen:Der Mann, der als Erster nach Peggy suchte

Hauptkommissar Herbert Manhart ließ der Fall auch nach seiner Pensionierung nie los. Wie er nun die Chancen bewertet, den Mörder zu finden.

Von Olaf Przybilla

Für Herbert Manhart war der Montag ein besonderer Tag. Am liebsten wäre er gleich nach Rodacherbrunn in Thüringen gefahren, wo ein Pilzsammler ein Skelett gefunden hatte - die sterblichen Reste von Peggy, wie man jetzt weiß. 15 Jahre hatte die Polizei erst nach dem Mädchen und dann nach dessen Leiche gesucht.

Manhart, heute 73 Jahre alt, war der erste Chefermittler in dem Fall. Elf Monate leitete er die Sonderkommission "Peggy", bis er pensioniert wurde. Losgelassen hat ihn die Geschichte nie. Er hat Aktenordner angelegt mit allem, was über das Kind erschienen ist. Manhart kennt jede dieser Spuren, die alle ins Leere führten. "Wir suchen nicht die Nadel im Heuhaufen", hat er einmal gesagt, "wir wissen noch gar nicht, wo der Heuhaufen ist." Bis Montag hatte sich daran nie etwas geändert. Es war zum Verzweifeln.

Hunderte Polizisten und freiwillige Helfer hat der Kriminalhauptkommissar im Mai 2001 auf die Suche nach Peggy geschickt. Sie durchkämmten die Wälder, suchten in Flüssen und Höhlen; sämtliche Mülltonnen in der fränkischen Kleinstadt Lichtenberg wurden geleert. Manhart hoffte, wenigstens persönliche Gegenstände des Mädchens zu finden - vergebens.

Verschwundenes Mädchen: Herbert Manhart war erster Chefermittler im Fall Peggy.

Herbert Manhart war erster Chefermittler im Fall Peggy.

(Foto: Frankenpost)

Als er am Montag vom Skelettfund im Wald hörte, musste er nachschauen, wo das ist: Rodacherbrunn. Bis dorthin, 15 Kilometer entfernt von Lichtenberg, waren sie nicht gekommen. "15 Kilometer in alle Richtungen, Meter für Meter, das kann man praktisch nicht leisten", sagt Manhart. Dabei bleibt er; auch jetzt, wo es den Anschein hat, dass dies notwendig gewesen wäre.

Zermürbt hat ihn jahrelang nicht nur der Gedanke, womöglich eine Spur übersehen zu haben. Irritiert hat ihn auch das Urteil, das 2004 in Hof gesprochen wurde. Drei Jahre, nachdem das damals neun Jahre alte Mädchen verschwunden war, wurde ein geistig behinderter Mann zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Dieser Mann sollte den perfekten Mord begangen haben? Eine Tat ohne Spuren, ohne Zeugen, ohne Leiche?

Manhart sagt, er habe das "nie glauben können". Für ihn war der Mann, der zehn Jahre in der Psychiatrie einsaß, nicht der Täter. Und Manhart war der Überzeugung, dass die meisten Gerichte diesen Mann auch nicht als Mörder verurteilt hätten. Zu viele Widersprüche, zu viele Indizien dagegen. Trotzdem wurde der Mann erst 2014 in einem Wiederaufnahmeverfahren vom Mordvorwurf freigesprochen.

"Ich bin ich jetzt voller Hoffnung", sagt Manhart nun. Auch wenn er wisse, wie ein Skelett nach so vielen Jahren aussehe und wie gering die Chancen sein dürften, nach so langer Zeit noch "genetisches Fremd-Material" auf Waldboden zu finden - die DNA also eines möglichen Täters. "Seit Jahren hatte man auf diesen Tag gewartet", sagt Manhart umständlich. Seine Stimme klingt auf einmal brüchig. Für einen Nicht-Kriminalisten möge sich das merkwürdig anhören, gibt er zu: "Aber die Spur schlechthin für eine Mordkommission, das ist die Leiche."

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