Produktionszentrum des BRK:Der Ort, an dem das Blut gefriert

Im unterfränkischen Wiesentheid sammelt das Rote Kreuz Blutspenden aus ganz Bayern. Bei minus 42 Grad warten Zehntausende Beutel auf einen Empfänger. Doch nicht jede Probe ist für eine Transfusion geeignet. Den Laboren fehlt es an jungen Spendern.

Katja Auer

Wie müde Marionetten hängen die Beutel an den Schläuchen herunter. Das Blut darin ist frisch, gerade erst ist es Spendern in ganz Bayern abgezapft worden. Ein halber Liter von jedem wurde direkt nach Wiesentheid gebracht, wo gewissermaßen alles Blut zusammenfließt. In der 5000-Einwohner-Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Kitzingen steht das Produktions- und Logistikzentrum des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes - jeder Tropfen Blut wird hier noch in der Nacht nach der Spende weiterverarbeitet. 1800 Beutel sind es an diesem Tag.

Kampagne wirbt um junge Blutspender

Blutspendedienste halten große Mengen an Blutkonserven bereit - von jedem Spender wird zudem aber auch fünf Jahre lang eine kleine Probe zurückgelegt. 

(Foto: dpa)

"Erst Ende der 1940er Jahre hat man aufgehört, Blut direkt vom Spender zum Empfänger zu übertragen", erklärt Rainer Leimbach, der Leiter der Herstellung in Wiesentheid. Und erzählt gleich noch eine Schauergeschichte von früher, als Verbrechern Lammblut übertragen worden sei, um sie ein bisschen friedlicher zu machen. Der ein oder andere soll diese Prozedur sogar überlebt haben.

In den Fünfzigerjahren sei Blut zum ersten Mal in Flaschen und von 1975 an schließlich in Beutel abgezapft worden, erklärt er. Aber erst Anfang der Achtzigerjahre wurde das Blut in seine Komponenten zerlegt. Bis dahin erhielt der Patient das Blut so, wie es dem Spender entnommen wurde. Nach ein paar Tests allerdings.

Blut wird gefiltert und zerlegt

Heute ist das anders. "Der Patient soll das bekommen, was er braucht", sagt Leimbach. Also Plasma,Thrombozyten oder Erythrozyten, das ist die eigentliche Blutkonserve. Hergestellt wird all das in Wiesentheid. Da werden die Beutel zunächst aufgehängt und gefiltert. "Die Leukozyten werden herausgefiltert", erklärt Marijke Weber-Schehl, die Leiterin der Molekularen Virusdiagnostik. Das sind weiße Blutkörperchen, die im Körper Krankheitserreger bekämpfen, aber beim Empfänger unerwünschte Nebenwirkungen auslösen könnten. Also werden sie entfernt.

Anschließend kommen die Blutspenden in die Zentrifuge, wo sich bei den schnellen Umdrehungen das Blutplasma von den roten Blutkörperchen trennt. Holt man die Beutel wieder heraus, sind sie unten rot, oben bernsteinfarben - im Idealfall. Erwin Link hat gerade einen in der Hand, in dem das Plasma beinahe weiß ist. "Fett", sagt Link, "der hat wohl vorher eine Schweinshaxe gegessen." Für die Therapie ist dieses Plasma nicht zu gebrauchen. Wer Blut spenden wolle, sagt Weber-Schehl, sollte auf allzu fettes Essen davor verzichten. Tatsächlich kann man am Blutplasma einiges ablesen, erklärt sie. Das von Frauen, die die Pille nehmen, hat beispielsweise einen Grünstich.

"Am liebsten ist uns die treue Klientel"

An einer Art Presse füllt Erwin Link Plasma und Erythrozyten in getrennte Beutel. Er ist Gruppenleiter hier, seit 37 Jahren arbeitet er schon beim Blutspendedienst. "Früher war ich Maler und Verputzer", erzählt er und im Winter hat ihn das Arbeitsamt dann nach Wiesentheid geschickt. Irgendwann ist er geblieben. Viele der 60 Mitarbeiter sind angelernt, ein Mediziner muss hier niemand sein.

Ist das Plasma erstmal im Beutel, wird es etikettiert und tiefgefroren. Im Kühlraum, wo es bis zu drei Jahre gelagert werden kann, herrschen minus 42 Grad, der Atem macht sofort weiße Wolken vor dem Mund. Wie auf sehr großen Kuchenblechen stapeln sich die Plasmaproben bis unter die Decke. Das Einlagern und Herausholen läuft vollautomatisch ab. Etwa 120.000 Proben, die direkt für die Therapie eingesetzt werden können, sollen in diesem Jahr hergestellt werden, sagt Leimbach.

Im Vergleich zu den insgesamt 500.000 Blutkonserven scheint das einerseits wenig zu sein, andererseits muss man wissen: Als Plasmaspender kommen nur Männer infrage, da Frauen während einer Schwangerschaft Antikörper bilden können. Vernichtet wird das Plasma von weiblichen Blutspenderinnen aber natürlich nicht, es geht (wie auch das von dem Spender, der die Schweinshaxe verzehrt hatte) an die Industrie, die es in seine Bestandteile zerlegt; auf diesem Weg kann es doch noch für die Therapie eingesetzt werden.

Urlaubslöcher gibt es nicht mehr

"Während der Ehec-Krise im vergangenen Jahr war Deutschland leer von Plasma", erzählt Leimbach. Es ist der einzige Engpass, an den er sich erinnern kann. Das gefürchtete "Urlaubsloch" im Sommer gebe es nicht mehr, sagt er. Um Spender werben muss der Blutspendedienst trotzdem unablässig. Vor allem an jungen Spendern mangelt es: Zu wenige im Alter zwischen 20 und 40 Jahren geben ihr Blut ab - und bei denen, die in der Stadt wohnen, ist die Bereitschaft besonders niedrig. Allenfalls in industriell geprägten Städten wie Ingolstadt oder Schweinfurt werde gespendet, sagt Leimbach, in Würzburg dagegen sei beispielsweise kaum Blut zu bekommen.

"Am liebsten ist uns die treue Klientel", sagt Leimbach, also jene, die regelmäßig, vielleicht drei-, viermal im Jahr spenden. Zwar stellen sie beim Blutspendedienst auch den Effekt fest, den Hilfsorganisationen nach schweren Naturkatastrophen immer bemerken: dass Leute dann spenden, wenn sie schlimme Bilder sehen. Nach dem Zugunglück in Eschede 1998 etwa hätten sich scharenweise Blutspender gemeldet. Das sei gut gemeint, aber nicht besonders sinnvoll, sagt Leimbach. Die Kliniken bräuchten regelmäßig Blut.

Bevor das Plasma oder die Blutkonserven an die fünf Institute in Bayern gehen, die sich um die Verteilung an die Kliniken kümmern, wird alles gründlich getestet. Das Risiko, sich bei einer Bluttransfusion mit Hepatitis C anzustecken liege bei eins zu zehn Millionen, sagt Leimbach, bei HIV bei eins zu vier Millionen. In den vergangenen zehn Jahren habe es in Deutschland zwei solcher Fälle gegeben.

Ist die eigentliche Blutkonserve vom Plasma getrennt, wird auch sie etikettiert. Wenn dann alle Laborwerte überprüft wurden und in Ordnung sind, geht die Spende an die Krankenhäuser. Der Ausschuss hält sich in Grenzen: Weniger als fünf Prozent der Spenden würden in Wiesentheid aussortiert, sagt Leimbach. 42 Tage ist eine Blutkonserve haltbar, dann muss sie vernichtet werden. Aber so lange, sagt Marjike Weber-Schehl, bleiben die wenigsten Konserven liegen.

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