Privatinvestor kauft Stationen:Großer Bahnhof für eine Idee

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Die Allianz pro Schiene prämierte den Murnauer Bahnhof mit dem Sonderpreis Tourismus. (Foto: Tobias Hase/picture alliance/dpa)

Die Bahn hat sich in den vergangenen Jahren von Hunderten Bahnhöfen getrennt, viele Gebäude verfallen. Privatinvestor Andreas Holzhey kauft die Stationen und vermarktet sie als Bürgerbahnhof, inklusive Café und Wohnungen. Gewinn macht er allerdings noch nicht.

Von Ralf Scharnitzky

Die klassische Gewerbeimmobilie wie Lagerhalle oder Bürogebäude wäre für Andreas Holzhey lukrativer gewesen. Die Kosten wären schneller wieder drin und die Rendite würde höher ausfallen. Allerdings hätte der 46-Jährige dann auch keine so schöne Messingtafel an der Fassade: "Bahnhof des Jahres" steht darauf.

Der gebürtige Schongauer hatte das 1879 errichtete Bauwerk im oberbayerischen Murnau vor gut zwei Jahren gekauft und umgebaut; zu einem "Bürgerbahnhof". Der hat alles, was zu einem Bahnhof gehört - und noch viel mehr: Wartehalle, Fahrkartenverkauf, Toiletten, aber auch Café, Reisecenter und Wohnungen. Diplom-Ingenieur Holzhey ist damit einer der wenigen Privatinvestoren, die einen funktionsfähigen Haltepunkt ihr Eigen nennen können: "Es kann bei so einem Objekt nicht so sehr um den Gewinn gehen. Ein bisschen Idealismus muss da schon dabei sein."

Die Deutsche Bahn AG hat sich in den vergangenen Jahren von Hunderten Bahnhöfen getrennt. Zum Teil war zuvor der Zughalt aufgegeben worden, zum Teil wurden einfach nur Schalter geschlossen und Personal abgezogen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Der Bahnhof wurde nicht mehr genutzt. Die DB bot deshalb viele Gebäude zum Kauf an.

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Zugeschlagen haben vor allem Investmentfirmen; sie kauften die Bahnhöfe zum Teil paketweise und platzierten sie oft in Immobilienfonds. Mit der Verwaltung und Vermarktung der Objekte erhofften sich Geldanleger hohe Renditen. Doch bei den meisten Bahnhöfen ging die Rechnung nicht auf; die Gebäude waren somit oft dem Verfall preisgegeben. Um den desaströsen Schandfleck - zumeist noch im Ortszentrum - zu beseitigen, haben vielerorts die Kommunen die alten Stationen selbst übernommen.

Es ist schon ein Erfolg, wenn die Gebäude nicht verfallen, sondern überhaupt genutzt werden - als Museen, Kulturzentren, Jugendtreffs oder Vereinslokale; auch an Stationen, an denen noch Züge halten. Murnau gehört zu den Bahnhöfen, "bei denen der Verkauf durch die Deutsche Bahn zu einem glücklichen Ende geführt hat", so Karl-Peter Naumann von Fahrgastverband Pro Bahn. Eben auch für die Fahrgäste. Dass es zu diesem Ende gekommen ist, war allerdings ein Glücksfall - denn Anfang 2011 stand das Projekt vor dem Aus.

"Besonders bitter"

Die Münchner Firma Ideal Mobil AG, deren Kerngeschäft das Kfz-Leasing ist, hatte 2007 fünf Bahnhöfe in Bayern, darunter Murnau, gekauft. Familienunternehmer Thomas Walter hatte einschlägige Erfahrung: Er hatte 2005 in Landsberg am Lech den damals einzigen, vollständig privat betriebenen Bahnhof Deutschlands eröffnet. Der "Bürgerbahnhof" war geboren.

Walter, lange Jahre in Landsberg wohnhaft, hatte das Empfangsgebäude von der Bahn erworben und ihm alten Glanz und den Bahnhofsservice zurückgegeben. Dieses Konzept wollte der Unternehmer auch in den zwei Jahre nach der Landsberger Eröffnung gekauften Bahnhöfen umsetzen. Doch er scheiterte. Die Banken strichen das Geld. Sie stuften die Bahnhöfe als Spezial-Immobilien ein und verlangten ungewöhnlich viel Eigenkapital - 50 Prozent der kalkulierten Sanierungskosten. Zu viel für den Besitzer. Walter damals: "Die Ideal Mobil AG ist nicht pleite." Man verabschiede sich nur von den Bahnhofsplänen und konzentriere sich auf das Kerngeschäft.

Das war im Februar 2011, im März sollten die Arbeiten am Gebäude in Murnau beginnen. Für Murnaus CSU-Bürgermeister Michael Rapp war das "besonders bitter". Hatten Marktgemeinde und Bahn doch schon einige Millionen in die Sanierung des Umfeldes und der Bahnsteige investiert. Auch einen Kauf der Immobilie schloss Rapp deshalb nicht aus: "Schließlich ist der Bahnhof etwas Besonderes." Doch die Konten der Kommune mussten nicht geplündert werden.

Denn Andreas Holzhey, in Berlin lebender freiberuflicher Ingenieur für Verkehrswesen, hatte die Umwandlung des Landsberger Bahnhofes schon von Berufs wegen mit Interesse verfolgt und war gespannt auf das Murnauer Projekt. Doch das drohte nun zu scheitern. Also griff Holzhey, Sohn des ehemaligen Miteigentümers der Schongauer Papierfabrik, zu - er kaufte den Bahnhof und begann die bereits genehmigte Sanierung zügig umzusetzen.

Das Café wurde verpachtet, die DB übernahm und zahlt für das Reisecenter, die Wohnungen sind vermietet. Holzhey geht deshalb langfristig davon aus, "dass ich auf alle Fälle auf meine Kosten kommen werde". Und weil Landsbergs Bürgerbahnhof vor Kurzem in eine Abwärtsspirale geriet, übernahm Holzhey inzwischen auch dieses Gebäude: "Ich möchte nicht, dass das Projekt kaputtgeht."

In Bayern gibt es nach Angaben der DB nur gut eine Handvoll Bahnhöfe in Privatbesitz, die noch in Betrieb sind. Mit den beiden Holzhey-Stationen und dem Mittenwalder Gebäude, das ein örtliches Ingenieur-Büro gekauft und saniert hat, liegt der Schwerpunkt in Oberbayern. Ob bald noch weitere Bürgerbahnhöfe hinzukommen, ist ungewiss. Zumindest Holzhey wiegelt ab: "Erst einmal muss Murnau laufen; bevor ich über weitere Objekte nachdenke."

© SZ vom 17.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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