PR-Aktion:"Ich hätte sie auch als Obdachlose in Berlin lassen können"

Refugees stand inside a bus arriving from the Bavarian town of Landshut to the Chancellery building in Berlin

Die Flüchtlinge kurz nach ihrer Ankunft in Berlin.

(Foto: REUTERS)
  • Die vom Landshuter Landrat als Protestaktion nach Berlin geschickten syrischen Flüchtlinge sind auf dem Rückweg nach Bayern.
  • Fast alle der 31 syrischen Männer sind am Vormittag in Berlin losgefahren.
  • Als PR-Aktion ist die Reise des Landrats wohl geglückt - doch Kritik kommt von vielen Seiten.

29 Flüchtlinge fahren zurück nach Bayern, zwei reisen weiter

Erst wurden sie etwa 560 Kilometer und mehr als sechs Stunden in die eine Richtung gekarrt, nun machen sie die gleiche Strecke wieder retour: Die vom Landshuter Landrat nach Berlin geschickten syrischen Flüchtlinge sind auf dem Weg zurück nach Bayern. Sie reisten am Morgen von einem Hotel in Hohen Neuendorf am nördlichen Stadtrand Berlins ab, wie ein Sprecher des Freie-Wähler-Landrats Peter Dreier sagte.

Allerdings sind nicht alle 31 Syrer im Bus, es gibt zwei Ausnahmen: Ein Flüchtling will in Berlin bleiben, einer will nach Bremen. Als anerkannte Asylberechtigte können sie frei entscheiden, wo sie in Deutschland leben wollen, das hatte am Donnerstagabend schon die Sozialverwaltung in Berlin deutlich gemacht. Für die Unterbringung nach der ersten Nacht wären die Ämter in den Bezirken zuständig gewesen.

Die 31 Syrer waren am Donnerstag aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Initiative des Landrats mit einem Bus zum Kanzleramt gebracht worden. Da die Asylanträge der Männer bereits anerkannt wurden, gelten sie als sogenannte Fehlbeleger: Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, sich aber eigentlich eine eigene Wohnung suchen müssten.

Kritik aus Berlin: "Ich fand das Agieren ziemlich unerhört"

Der Landrat bezeichnete die Reise nach Berlin als "Verzweiflungsaktion", weil es in seinem Landkreis keinen freien Wohnraum mehr gebe. Bei der bayerischen Staatsregierung, im Kanzleramt und den Berliner Behörden kam die Aktion aber ebenso wenig an wie bei SPD und Grünen. Viele kritisierten, dass der Landrat die Flüchtlinge nur instrumentalisieren und wie Gegenstände behandeln würde.

Vertreter des Berliner Senats warfen Dreier vor, den Mitfahrern falsche Versprechungen gemacht zu haben und noch nicht mal dafür gesorgt zu haben, dass alle ihre Pässe dabei haben. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sagte im Sender RBB, der Landrat habe die Flüchtlinge in den Bus gesetzt, mit dem Versprechen, in Berlin eine Wohnung zu bekommen.

"Wir haben ihnen deutlich gemacht, dass sie bei der Wohnungslosenhilfe hier in Berlin auf die Bezirke aufgeteilt werden nach den Geburtsmonaten. Und dass sie bei den Jobcentern vorsprechen müssen. Das Ganze war ihnen neu, das hatte ihnen niemand gesagt und ihre Pässe sind eben auch in Landshut und deshalb werden sie auch wieder zurückfahren." Czaja fügte hinzu: "Ich fand das Agieren ziemlich unerhört."

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Landshut, Thomas Gambke, forderte Dreier auf, "zur Sacharbeit zurückzukehren" und mit den Bürgermeistern im Landkreis Flächen für Flüchtlingsunterkünfte auszuweisen. "Hier trägt der Landrat die Verantwortung, die er bei seiner Politshow in Berlin hat vermissen lassen."

Dreier bezeichnet sein Handeln als "verantwortungsbewusst"

Dreier bestätigte am Morgen im Sender SWR Info, dass nicht alle Flüchtlinge nach Bayern zurückkehren wollten. "Die restlichen kommen wieder zurück und sind maßlos enttäuscht, weil sie in der Erwartung nach Deutschland kommen, Bundeskanzlerin Merkel hilft ihnen, und sie wollen in große Städte. Und diese Erwartungen werden nicht erfüllt."

Dem Sender N24 sagte er, aus ganz Deutschland habe er Unterstützung erhalten. Eine Niederlage sei die Aktion trotz der Rückkehr der Flüchtlinge nicht: "Ich würde eher sagen, verantwortungsbewusstes Handeln eines Lokalpolitikers - ich hätte sie auch als Obdachlose in Berlin lassen können."

Zumindest die Fahrt dürfte auf dem Rückweg etwas kürzer dauern. Auf dem Hinweg musste der Bus nämlich noch mal umkehren, weil einer der Flüchtlnige nach einer Toilettenpause auf einer Autobahnraststätte vergessen worden war.

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