Maximilian von Montgelas:Der Graf als Bürgermeister

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Maximilian Graf von Montgelas ist in Schloss Gerzen geboren. Er wird als der in die Familienchronik eingehen, der es nach 133 Jahren verkaufen musste. (Foto: Wolfgang Witt)
  • Maximilian Joseph Emanuel Konrad Eduard Taddäus Maria Graf von Montgelas ist der Ur-Ur-Urenkel des gleichnamigen Mannes, dem Bayern seine heutige Form zu verdanken hat.
  • Im niederbayerischen Gerzen ist er seit vergangenem Jahr Bürgermeister - nach mehreren vergeblichen Anläufen auf ein politisches Amt.
  • 2009 musste er den Familiensitz veräußern - eine Schmach für ihn, aber für den Ort ein Glücksfall, wie er sagt.

Von Wolfgang Wittl, Gerzen

Von Prunk kann keine Rede sein: Das Gebäude ist nüchtern und hell, so zweckmäßig wie man sich den Sitz einer Verwaltungsgemeinschaft nun mal vorstellt. Auf dem Flur steht ein Kopiergerät, Mitarbeiter in Jeans und Holzfällerhemd grüßen freundlich. Der Kunstgeschmack lässt sich wohl am besten mit einem feinen Sinn für Humor beschreiben. Wer sich den Zimmern der vier Bürgermeister nähert, muss jedenfalls erst an einem Bild von Dick und Doof vorbei. Die Repräsentanten der Gemeinden Kröning, Schalkham und Aham heißen Hartshauser, Fuchs und Herrnreiter. Und dann ist da noch der Bürgermeister der Gemeinde Gerzen, dessen Name im Ausweis mit Maximilian Joseph Emanuel Konrad Eduard Taddäus Maria Graf von Montgelas vermerkt ist.

Er ziehe es vor, mit Herr Montgelas angesprochen zu werden, sagt Montgelas. Wer ihn besser kennt, sagt ohnehin nur Max oder Graf Max zu ihm. Das sind einige unter den 1750 Einwohnern in dem gut 20 Kilometer südöstlich von Landshut gelegenen Dorf. Im vergangenen Jahr haben sie den Grafen mit mehr als 60 Prozent zu ihrem Bürgermeister gewählt, als der schon gar nicht mehr damit rechnete. Landrat von Dingolfing-Landau hatte er einst werden wollen, auch als Bürgermeister von Gerzen hatte er schon vergeblich kandidiert. Nun, mit 67 Jahren, ist er so aktiv wie nie in der Politik - in einem Alter, in dem sein berühmter Vorfahre längst aufs Abstellgleis abgeschoben war.

Montgelas modernisierte Bayern

Maximilian von Montgelas ist der Ur-Ur-Urenkel des gleichnamigen Mannes, dem Bayern seine heutige Form zu verdanken hat. Fast 20 Jahre diente Montgelas Anfang des 19. Jahrhunderts König Max I. Joseph als Superminister: 300 Gebietskörperschaften schweißte er zu einem Flächenstaat zusammen, agierte außen- wie innenpolitisch gleichermaßen geschmeidig, machte sich einen Namen als aufgeklärter Verwaltungsreformer. Kaum eine Entscheidung hat das Land so geprägt wie Montgelas' Eingriffe in der Säkularisation, er entmachtete Klöster und Kirchenfürsten, stellte Konfessionen gleich. Bayern tat sich lange schwer, seine Verdienste als Modernisierer zu würdigen. In der katholischen Kirche löst der Name Montgelas bis heute keine Jubelstürme aus.

Maximilian Joseph von Montgelas reformierte vor 200 Jahren Verwaltung und Politik in Bayern. Heute erinnert ein Denkmal am Promenadeplatz an ihn. (Foto: lok)

Sein Nachfahre kennt diese Geschichten. Nein, mit Priestern habe er eigentlich keine negativen Erfahrungen gemacht, sagt er und lächelt. Montgelas besuchte die Klosterschule in Metten, bezeichnet sich als säkularen Christ. Die einzigen Probleme mit seinem Namen, an die er sich erinnern kann, stammen aus dem Jahr 1969 von einer Abiturfahrt in die DDR. Warum er denn sieben Vornamen trage, fragte ein Grenzer. Er sei wohl "ein Junkerschwein".

Dass der Name gleichwohl eine Bürde sein kann, hat Montgelas sein ganzes Leben lang gespürt. Graf Max wird als derjenige in die Familienchronik eingehen, der das Schloss in Gerzen verkaufen musste. Sein Ur-Ur-Urgroßvater hatte es 1833 erworben, sein Erbe ist darin zur Welt gekommen. Doch zu groß wurden die Belastungen, als dass es der Rechtsanwalt hätte erhalten können. Auch eine Firmengründung brachte nicht den erhofften Erfolg. Nach 34 Jahren in seinem Besitz musste Montgelas das Anwesen 2009 veräußern - eine Schmach, die nicht dazu beitrug, die komplizierten Familienverhältnisse zu verbessern. Nicht jeder in der Verwandtschaft hatte für die Entscheidung Verständnis.

Für den Ort, sagt Montgelas, habe sich der Verkauf des Familiensitzes jedoch als Glücksfall erwiesen. Die neuen Eigentümer investierten einen zweistelligen Millionenbetrag, bauten das Schloss zu einem Gasthof um und errichteten im Park noch ein Altenheim. In seinem früheren Arbeitszimmer können sich jetzt Paare trauen lassen, zur Schlosskapelle hat die gräfliche Familie weiter Zutritt. Seit er 16 Jahre alt ist, läutet Montgelas an Fronleichnam traditionell die Glocken - beide gleichzeitig, was besondere Übung erfordere.

So schmerzlich die Aufgabe des Stammsitzes war, eine unangemessene Wehmut empfinde er nicht, sagt Montgelas. Zu seinem Lebensmotto gehört es, nach vorne zu blicken - durchaus mit Selbstironie. "Und jetzt wird der verkrachte Graf auch noch Bürgermeister", sagt er: "In einem senilen Alter, in dem andere aufhören."

Politisches Amt statt Ruhestand

Etwas recht viel Besseres hätte dem Ort nicht passieren können, findet Hans Ammer. Der 54-jährige Landwirt ist Fraktionssprecher der Gerzener CSU und im Gemeinderat somit kraft Amtes der politische Gegenspieler des Freie-Wähler-Bürgermeisters Montgelas. Doch von Rivalität keine Spur. Der Max, sagt Ammer, der hänge sich wahnsinnig rein und strotze nur so vor Ideen. Richtig schade sei es, dass es für ihn nach einer Amtszeit vielleicht schon wieder vorbei sei. Ob der Bürgermeister nun mit einem Minister oder einem alten Mütterchen spreche, er finde immer den richtigen Ton. "Einfach ein umgänglicher Typ" sei der Adelige. Ein Ruf, den sich Montgelas offenbar erst erarbeiten musste. Über seinen Vater werden im Ort andere Geschichten erzählt. Dessen Selbstverständnis sei so weit gegangen, dass er dem Papst geschrieben haben soll, er brauche eine zweite Frau. Denn nur mit 20 Kindern sei sein Dasein als glücklich zu bezeichnen.

Maximilian-Joseph von Montgelas ist heute Bürgermeister der Gemeinde Gerzen. (Foto: N/A)

Wenn Max von Montgelas aus seinem Bürgermeisterbüro blickt, sieht er die Giebel des alten Schlosses. Warum er sich das noch einmal angetan hat - Bürgermeister im Rentenalter? Das Leben sei nun mal interessanter, wenn man gefordert wird, anstatt auf der Couch zu sitzen. Montgelas' Tage sind ausgefüllt mit Plänen für Radwege, Besichtigungen von Baustellen, dem Erhalt der Schule, der Ausweisung von Baugebieten. In acht Jahren will er die Gemeinde schuldenfrei machen, derzeit kümmert er sich um knapp 40 Asylbewerber. Außerdem arbeitet er als Anwalt, schreibt Fantasybücher und entwickelt eine Philosophie, in der Vernunft und öffentliche Interessen über Emotionen und Egoismen obsiegen.

Von seinen Kindern muss er sich manchmal Spott gefallen lassen, doch öfter frage er sich, was der berühmte Urahn von seinen Ideen halte. "Der Minister", wie er ihn nennt, wäre auch in unserer Zeit ein fortschrittlicher Mensch, dessen ist sich Montgelas sicher. Stolz wäre sein Vorfahre auf das heutige Bayern. "Aber er würde auch sagen: ,Bleibt nicht stehen in eurer Euphorie, sondern entwickelt euch weiter'."

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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