Polizistenmord in Augsburg:Todesnacht am Kuhsee

Polizistenmord-Prozess Augsburg

Die beiden Angeklagten (3. v. l. und 2. v. r.) vor Prozessbeginn an ihren Plätzen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Sie hat miterlebt, wie der Augsburger Polizist Mathias Vieth bei einer Schießerei getötet wurde. Doch von den Tätern hat die Streifenpolizistin Diana K. nicht viel gesehen. Was sie von der Tatnacht erzählt, klingt wie eine Szene aus einem Kriegsfilm: "Es sind ganz viele Schüsse gefallen."

Von Hans Holzhaider, Augsburg

Für Mathias Vieth war es eine verhängnisvolle Entscheidung: Die Streifenfahrt war schon fast beendet, es war kurz vor drei Uhr. "Fahren wir noch eine Runde über den Kuhsee", sagte der Polizeibeamte zu seiner jungen Kollegin. Keine Viertelstunde später war Mathias Vieth tot. Vor dem Landgericht Augsburg berichtete am Donnerstag die Polizeiobermeisterin Diana K. von den Ereignissen jener Nacht im Oktober 2011. Sie ist die einzige Zeugin, die die beiden Täter gesehen hat.

An der Einfahrt zum südlichen Parkplatz am Kuhsee hielt Mathias Vieth den Streifenwagen an und schaltete den Motor aus. "Hast gesehen, da ist jemand auf den Parkplatz gefahren", habe er gesagt, berichtete die Zeugin. "Ich sah ein rotes Rücklicht und hörte Motorengeräusch." Die beiden Polizeibeamten stiegen aus.

"Rechts von uns stand ein Motorrad mit laufendem Motor, und daneben zwei Personen. Der eine hatte eine Tasche über die Schulter hängen." Es war eine große, dunkle Tasche, erinnert sich Diana K. auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Christoph Wiesner. Der Kollege habe die beiden Männer angesprochen, aber statt einer Antwort sprangen die beiden auf das Motorrad und fuhren davon, an einer Absperrung vorbei, sodass ihnen der Streifenwagen nicht unmittelbar folgen konnte. "Mathias hat gewendet, wir fuhren mit Blaulicht hinterher."

An der nächsten Kreuzung sahen sie das Motorrad wieder. Es fuhr über den Hochablass, ein Stauwehr, das an dieser Stelle den Lech überquert. Der Staudamm knickt zweimal scharf ab, "wir mussten rangieren", sagt Diana K., "aber dann holten wir wieder auf."

Am anderen Lechufer fuhr das Motorrad in einen Waldweg ein. "Es ist ein zweigeteilter, durch Büsche und Bäume getrennter Weg", berichtet die Zeugin. "Das Motorrad fuhr auf dem linken Weg, wir auf dem rechten. So ging das ein ganzes Stück weit, gefühlt kam es mir unendlich lang vor."

"Und dann fiel schon der erste Schuss"

Dann passierte es: Die beiden Flüchtenden stürzten mit dem Motorrad. "Ich weiß nicht, wie es kam", sagt Diana K., "es sah so aus, als ob das Hinterrad wegrutscht. Es lag sehr viel Laub auf dem Weg." Das Motorrad drehte sich einmal um die eigene Achse und blieb liegen, mit dem Scheinwerfer auf das Polizeifahrzeug gerichtet.

"Mathias stieg aus dem Auto, ich ganz kurz nach ihm", schildert die Polizistin. "Er zog seine Waffe und brachte sie in Anschlag. Er rief ganz laut: 'Polizei, hinlegen oder ich schieße'. Und dann fiel schon der erste Schuss."

An dieser Stelle stockt Diana K. Minutenlang kann sie nicht weitersprechen. Dann fasst sie sich wieder.

"Da gab es nichts wiederzubeleben"

"Der erste Schuss war abgesetzt von den nächsten. Dann sind ganz viele Schüsse gefallen. Ich lief zurück zum Fahrzeug und gab einen Funkspruch durch, dass geschossen wird und dass wir Unterstützung brauchen. Als ich wieder hochschaute, lag der Kollege schon am Boden."

Wer den ersten Schuss abgegeben habe, fragt der Vorsitzende. Die Zeugin kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie habe bei ihrem Kollegen kein Mündungsfeuer gesehen, sagt sie, aber sicher sei sie nicht. Aber als sie zu dem am Boden liegenden Kollegen schaute, habe sie ganz kurz noch eine Person gesehen, die sich aufrichtete, ganz in der Nähe des getroffenen Polizeibeamten.

"Da hab' ich auch Schüsse abgegeben, drei oder vier", sagt sie. "Dann habe ich nichts mehr gesehen. Ich habe eigentlich nur noch gewartet, bis die anderen Streifenwagen kamen. Dann kam ein Kollege auf mich zu gelaufen, und wir liefen zusammen zu Mathias, und ich sagte: 'Puls fühlen', und er sagte: 'Da ist kein Puls'. Und ich sagte: 'Wir müssen wiederbeleben', aber ich war so durch den Wind, dass ich nur die Taschenlampe halten konnte."

Alle Versuche, das Leben von Mathias Vieth zu retten, waren vergeblich. "Da gab es nichts wiederzubeleben", sagt der Notarzt, der vor Diana K. als Zeuge gehört wurde.

Nachdem die Zeugin ihren Bericht beendet hat, geht der Vorsitzende Richter noch einmal alle Details mit ihr durch. Die Kleidung der Verdächtigen? Sie trugen Motorradhelme, darunter möglicherweise Sturmhauben. Die Figur? Normal, unauffällig. Der eine hatte eine helle Hose an, und Turnschuhe. Die Tasche? Sie war groß, dunkel, mit vielen aufgesetzten Taschen. Man nimmt die Tasche in Augenschein, die in einer Kiste auf dem Bauernhof des Schwagers des Angeklagten Raimund M. gefunden wurde. War es diese? Könnte sein, sagt die Zeugin, ganz sicher sei sie nicht. Auf der Tasche wurden Blutspuren gefunden, die eindeutig von dem getöteten Polizisten stammen.

Polizistenmord Augsburg

Kerzen, ein Kreuz und Blumen erinnern im August 2011 an das Verbrechen an Mathias Vieth.

(Foto: dpa)

Körperliche Verwundungen sind das kleinere Übel

Diana K. selbst ist nur mit großem Glück einer schweren Verletzung entgangen. "Als ich zum Auto zurückgelaufen bin, habe ich einen starken Schmerz an der linken Hüfte gespürt", sagt sie. Es stellte sich heraus, dass ein Schuss ihr am Gürtel befestigtes Reservemagazin getroffen hatte. "Eine meiner eigenen Patronen hat gezündet", sagt Diana K. "Ich hatte eine riesige Prellung."

Die körperlichen Verwundungen sind aber offensichtlich das kleinere Problem der Polizeibeamtin. Unter welchen seelischen Folgen sie nach dem Mord an ihrem Kollegen zu leiden hat, das will sie nicht vor großem Publikum erzählen.

Ihre Anwältin Marion Zeck beantragt für diesen Teil der Vernehmung den Ausschluss der Öffentlichkeit, weil Umstände aus dem engsten persönlichen Bereich erörtert werden müssten. Das Gericht hat sich darüber schon im Voraus Gedanken gemacht. Dem Antrag wird stattgegeben.

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