Polizeieinsätze bei Fußballspielen:Krawall zu Lasten der Steuerzahler

Reportage zum Fußball Champions League Spiel FC Bayern - FC Basel, 2010

Bei brisanten Fußballspielen - im Bild vor dem Spiel zwischen dem FC Bayern und dem FC Basel 2010 - sichert die Polizei die Zugänge zum Stadion.

(Foto: Johannes Simon)

Großeinsätze der Polizei gegen Fußball-Rowdys kosten viel Geld, der Freistaat Bayern will aber die Vereine nicht zur Kasse bitten. Das stößt auf Kritik: Die Kosten trägt der Steuerzahler, während Fußballklubs satte Gewinne einfahren.

Von Jörn Seidel

Trotz extrem hoher Kosten will der Freistaat die Fußballvereine auch weiterhin nicht bei Polizeieinsätzen gegen randalierende Fans zur Kasse bitten. Das Bremer Modell, nach welchem Spielveranstalter für einen erhöhten Beamten-Einsatz zahlen sollen, ist für Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kein Vorbild. Es sei Sache des Staates, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen.

Das stößt auf Kritik: Hermann Benker, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Bayern, rechnet vor, dass der Staatshaushalt bei 200 eingesetzten Polizisten mit mindestens 100 000 Euro belastet werde.

Großeinsätze der Polizei bei Fußballspielen sind längst keine Einzelfälle mehr. Bei Bayern-Derbys ist nahezu immer mit Krawall zu rechnen. Als der FC Bayern München im April vergangenes Jahr den 1. FC Nürnberg zum Heimspiel empfing, kam es vor der Partie zu Ausschreitungen. Randalierende Fans warfen Steine und Flaschen, die Polizei antwortete mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Bilanz: 30 Festnahmen und 16 verletzte Beamte. Vorausschauend hatte das Polizeipräsidium die Bundesliga-Begegnung mit den zwei traditionell rivalisierenden Fanlagern als Hochrisikospiel eingestuft und die Anzahl der Einsatzkräfte aufgestockt. Die Kosten dafür trug der Steuerzahler, während die Fußballklubs satte Gewinne einfuhren.

Im Rest der Republik sieht es kaum besser aus. Doch die hoch verschuldete Hansestadt Bremen ist es nun leid, auf den Einsatzkosten sitzenzubleiben. Vor Kurzem beschloss dort der Senat, dass künftig die Deutsche Fußball-Liga GmbH (DFL) als operatives Organ des Ligaverbands und Veranstalter der Spiele für die zusätzlichen Polizisten zur Kasse gebeten werden soll.

An jedem Fußballwochenende bis zu 1000 Polizisten

Der Freistaat indes lässt es sich einiges kosten, das Modell nicht zu übernehmen: An jedem Fußballwochenende sind 500 bis 1000 Landespolizisten zu Spielen der ersten und zweiten Liga im Einsatz, teilte das Innenministerium mit. Hinzu kommen Bundespolizisten in Bahnhöfen und auf Reisewegen. Das Aufgebot variiere je nach Anzahl der Zuschauer, angereisten Fans und sogenannten Problemfans, sagte ein Ministeriumssprecher. So seien bei einem Heimspiel des FC Ingolstadt 04 etwa 60 bis 200 Landespolizisten im Einsatz, beim FC Bayern mindestens 200.

Beim Hochrisikospiel des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart im Mai mit anschließender Meisterfeier seien 682 Beamte im Einsatz gewesen, teilt das Polizeipräsidium München mit. Allein in der vergangenen Saison seien 16 Heimspiele des TSV 1860 und des FCB als Hochrisikospiele eingestuft worden. Wie viele Polizisten zusätzlich zum normalen Aufgebot bei Hochrisikospielen eingesetzt werden, sei nicht erfasst.

Hermann Benker, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, geht es nicht in den Sinn, warum sich Bayern nicht dem Bremer Vorstoß anschließt. "Der Ligaverband kassiert für die Vermarktung der Fernsehrechte jährlich Hunderte Millionen Euro. Da ist es nicht zu viel verlangt, wenn er für die übermäßige Inanspruchnahme der Polizei eine Sicherheitsgebühr entrichtet", sagt er. Mindestens 50 Millionen Euro, so schlägt Benker vor, solle sie pro Saison betragen. Seine These, warum das nicht längst umgesetzt ist, klingt ernüchternd: "Solange unsere Spitzenpolitiker in den Aufsichtsräten der Fußballklubs sitzen, habe ich wenig Hoffnung, dass sich das bundesweit durchsetzt."

"Der Bremer Senat missachtet rechtsstaatliche Prinzipien"

Das Bremer Konzept greift indes nicht nur bei Fußballspielen. Es regelt die "Finanzierung von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Großveranstaltungen". Als Voraussetzung für die Kostenbeteiligung gilt, dass eine Veranstaltung auf einen wirtschaftlichen Überschuss abzielt, mehr als 3000 Besucher hat und Störungen der öffentlichen Sicherheit im Vorhinein zu erwarten sind.

Infolge des Bremer Vorstoßes dürften nun jedoch bald weitere Belastungen auf Bayern zukommen: So etwa hat bereits der Deutsche Fußballbund im Schulterschluss mit der DFL das Spiel der Nationalmannschaft gegen Gibraltar im November von der Hansestadt nach Nürnberg verlegt. Das könnte sich bei weiteren Spielen wiederholen, mutmaßen Experten.

In den bayerischen Fußballklubs stößt das Bremer Modell auf erheblichen Widerstand. "Der Bremer Senat missachtet rechtsstaatliche Prinzipien", sagte ein Sprecher des FC Bayern. Voll des Lobes ist er für Innenminister Herrmann, der bei seiner Meinung bleibt: "Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt die originäre Zuständigkeit beim Staat und damit bei der Polizei." Nur in ihren eigenen Räumen seien die Spielveranstalter verantwortlich für den geordneten Ablauf.

Und dafür, so sagt etwa Daniel Kirchner, der Spielbetriebsleiter des 1. FC Nürnberg, werde viel Geld ausgegeben: In der vergangenen Saison habe der Nürnberger Klub etwa eine Million Euro in Sicherheitspersonal, Ordner und Präventionsarbeit investiert. Was die Kosten für ein höheres Polizeiaufgebot betreffe, da solle man bitte nicht die 15 Millionen Euro vergessen, die der Verein allein in der Saison 2012/13 an Steuern gezahlt habe.

Innenminister Herrmann erfreut sich derweil der Rückendeckung von einer Seite, aus der er sonst eher Kritik hört: Auch die Landtagsfraktionen der Grünen und der Freien Wähler lehnen das Bremer Konzept ab. Allerdings dürften die Polizeieinsätze für Fußballspiele nicht auf Kosten der Dienststellen in der Fläche gehen, sagte Eva Gottstein, die bei den Freien Wählern für Innere Sicherheit und Sport zuständig ist. Zudem seien die Klubs "noch mehr als bisher in der Pflicht", intensive Präventionsarbeit zu leisten.

Von anderen Landesregierungen erfährt der Bremer Vorstoß bislang ebenfalls keine Unterstützung. Doch spätestens beim nächsten Hochrisikospiel dürfte die Diskussion darüber weitergehen.

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