Polizeiaufgabengesetz in Bayern:Unendlichkeitshaft, bewaffnete Drohnen und präventive Durchsuchungen

Polizeiaufgabengesetz in Bayern: Landespolizeipräsident Schmidbauer rechtfertigt geplante Erweiterung der polizeilichen Kompetenzen

Wilhelm Schmidbauer, Landespolizeipräsident von Bayern

(Foto: dpa)
  • Bayerns Landespolizeipräsident Schmidbauer rechtfertigt das geplante Polizeiaufgabengesetz.
  • Das neue Gesetz würde der Polizei erlauben, auch präventiv stärker in die Privatsphäre der Bürger eingreifen zu können.

Von Lisa Schnell

Auf den Straßen wird gegen die Pläne der Staatsregierung demonstriert, die Befugnisse der Polizei auszuweiten. Die Grünen sprechen vom drohenden Überwachungsstaat, Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von Lügen und Missverständnissen. Am Donnerstag versuchte Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer aufzuklären. Noch bevor eine Straftat begangen wurde, soll die Polizei früher als bisher Briefe lesen oder Computer durchsuchen können.

Die Schwelle, wann sie tätig werden darf, wird mit dem neuen Gesetz gesenkt. Bisher musste eine konkrete Gefahr vorliegen, jetzt reicht eine drohende Gefahr. Dies bedeute nicht, dass kein Verdacht mehr vorliegen müsse, sagte Schmidbauer. Die Anpassung sei notwendig, da der Rahmen, wann die Polizei präventiv tätig werden kann, immer enger gesteckt worden sei. Nur, wenn Zeit und Ort eines Angriffs bekannt sind, könne sie bislang tätig werden. Das soll sich ändern.

Um das Juristendeutsch zu übersetzen, wählte Schmidbauer ein Beispiel: Ein Ehemann ist untergetaucht und kündigt an, seine Frau zu töten. Die Polizei weiß nicht, wann und wo ein Angriff erfolgen soll, sie kann nicht tätig werden. Auf der Grundlage des neuen Gesetzes soll sie ein Kontaktverbot aussprechen können, ihm verbieten, bestimmte Orte zu besuchen. Auch das Abhören seines Telefons oder eine Onlinedurchsuchung wären denkbar, genau wie das Anlegen einer Fußfessel. Dafür und für alle Eingriffe, die im Geheimen ablaufen, brauche es die Genehmigung eines Richters.

Richtervorbehalte bedeuteten allerdings nicht immer eine vertiefte Prüfung, gibt Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München I, zu bedenken. Den Begriff der drohenden Gefahr hält er für nicht genau genug definiert und kritisiert eine "nicht mehr akzeptable Herabsetzung der polizeilichen Eingriffsschwelle".

An den Regeln, wann eine Person präventiv eingesperrt werden kann, ändert sich laut Schmidbauer nichts. Dafür brauche es immer eine konkrete Gefahr, also das Wissen um Ort und Zeit eines mutmaßlichen Angriffs. Auch die Behauptung, dass der Beschuldigte kein Recht auf einen Pflichtverteidiger habe, stimme nicht. Eine Obergrenze, wann er aus der Haft entlassen werden muss, gibt es nicht, ein Richter muss alle drei Monate neu über den Fall entscheiden.

Diese als Unendlichkeitshaft kritisierte Regelung wurde schon im Juli 2017 vom Landtag beschlossen. Auch beim Ausspähen von Wohnungen und dem Einsatz von intelligenter Videoüberwachung mit Gesichtserkennung bestünden hohe Hürden. Seit 2008 habe es deshalb keine Wohnungsüberwachung mehr gegeben. Die etwa 80 Kameras, mit denen eine Gesichtserkennung möglich ist, würden nur eingesetzt, wenn es um schwerwiegende Delikte ginge, aufgenommen werde erst, wenn ein Treffer erfolgt.

Neu ist die präventive Untersuchung der DNA, etwa von einem Mann, der sich Kindern verdächtig nähert. Schmidbauer erhofft sich davon eine präventive Wirkung, Kritiker sehen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet. Ähnlich verhält es sich mit der "sprechenden DNA", bei der Augenfarbe oder Herkunft festgestellt werden.

Wird neben einem Kindergarten ein Taschentuch mit Spermaresten gefunden, könnten über eine solche DNA-Analyse Übereinstimmungen mit Intensivtätern festgestellt werden, sagt Schmidbauer. Gibt es einen Treffer, drohe dem Beschuldigten etwa ein Aufenthaltsverbot bei dem Kindergarten. Auch der Einsatz von Drohnen soll neu geregelt werden. Sie können in Zukunft zur Überwachung von Wohnungen verwendet werden und zum "Einsatz unmittelbaren Zwangs", also als Waffen. Die Polizei aber habe gar keine bewaffneten Drohnen, sagt Schmidbauer. Ihre Verwendung soll das Gesetz dennoch ermöglichen.

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