Politikum:Was Seehofer ernst meint

Wenn es um Windräder und Stromleitungen geht, lassen sich Satire und Realität schon lange nicht mehr auseinanderhalten

Von Frank Müller

Die Bereitschaft, überholte Positionen zu räumen, ist bekanntlich der Kern der Politik von Horst Seehofer. Der Ministerpräsident betrachtet es geradezu als Auszeichnung, wenn er Standpunkte verändert, weil sich eben auch die Zeit verändert. Politik sei ein Prozess, raunt Seehofer dann, wenn es wieder mal so weit ist.

Insofern ist die Tatsache, dass Seehofer nun zwischen den Zeilen eingesteht, dass es womöglich doch zweier neuer Stromleitungen nach Bayern bedarf, nur eine konsequente Fortentwicklung. Nur Anfänger würden darin eine (Energie-)Wende zu Seehofers früheren Äußerungen sehen, der Freistaat brauche überhaupt keine neuen Trassen. Der Profi erkennt das Beständige im Wandel in Seehofer. Er will nun Leitungen, aber außerhalb des Landes. Trassen, die man nicht sieht, obwohl sie da sind - letztlich ist es eine philosophische Frage, ob die Leitungen damit existieren oder nicht.

Überhaupt, dieser Strom. Hat jemand schon einmal Strom gesehen? Er ist einfach da, so wie auch die CSU überall ist, ob man sie sieht oder nicht. Der Grünen-Politiker Dieter Janecek hat dieser Tage gesagt, es werde in Bayern zunehmend schwieriger, Satire von realer Politik zu unterscheiden. Das ist natürlich typischer Oppositionsunfug. In Wahrheit hat Seehofer die politische Satire dadurch erledigt, dass er sie in die Realpolitik aufgesogen hat. Die Windkraft ist so lange zur großen Atomalternative hochgeredet worden, bis sich herausstellte, dass es für sie sichtbare Windräder braucht. Wasserkraft war eine wunderbare Alternative, bis klar wurde, dass man für sie Wasserkraftwerke bauen muss. Extra schnell zu errichtende Stromleitungen für den Import nötiger Energie aus dem Norden hat die CSU begeistert mitbeschlossen, bis klar wurde, dass die Leitungen Masten brauchen, damit sie nicht auf den Boden fallen.

Als dies alles geschafft war, wurde der Bevölkerung gesagt, sie solle sich auf zwei Trassen minus X einstellen. Herauskommen dürfte nun, dass X gleich null ist. Und wer sich nun Sorgen macht, ob Bayern so seine Energiewende wirklich hinbekommt, den nennt Seehofer dann einen Anti-Bayern. Wer meint, das wäre dann Satire, der täuscht sich. Seehofer meint das wirklich ganz ernst.

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