Politikum:100 Prozent Prinzling

Für die Seehofer-Nachfolge kann es nur einen Kandidaten geben. Der Name mag zwar überraschen - ist aber streng nach Logik abgeleitet

Von Wolfgang Wittl

Für jeden Politiker, der dem Herbst seines Schaffens entgegenblickt, stellt sich früher oder später die Frage, was von seinem Wirken überdauern wird. Hat er auf Kosten der Zukunft gewirtschaftet? Hat er Historisches geleistet oder sich im täglichen Kleinklein verloren? Hat er dem Land gedient oder nur der Partei? Womöglich gehen solche Sachen zunehmend auch Horst Seehofer durch den Kopf. Eines immerhin kann er schon jetzt für sich in Anspruch nehmen: Seehofer ist ein großer Gestalter. Konkret: ein Wortschöpfer.

Den Parteinachwuchs von der JU bezeichnete Seehofer einst als "Ichlinge" - ein Synonym für Egoist, das heute sogar in der Wissenschaft etabliert ist. Auch das Wort "Schmutzeleien" verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Eine Aufnahme in den Duden - unter S wie, sagen wir: Söder - dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Und nun also die "Prinzlinge".

Streng genommen gibt es den Begriff bereits, er bezeichnet die Nachkommen der chinesischen Kommunistenkader. Was insofern passt, da das Selbstverständnis vom Einparteienanspruch vereinzelt auch in der CSU ausgeprägt sein soll. Seehofer freilich hat die Prinzlinge noch einmal bajuwarisiert: Sie verkörpern jene Kandidaten, die für seine Nachfolge als Ministerpräsident und CSU-Chef infrage kommen - und vermehren sich in rasendem Tempo. Alle Bezirksvorsitzenden, die mehr als 90 Prozent erhalten, kommen in den Kreis der Anwärter - und dazu noch einige mehr. Die Zahl der Bewerber dürfte damit in etwa chinesischer Kaderstärke entsprechen.

Zu Zeiten der bayerischen Könige war das einfacher, die Thronfolge war von Geburt an geregelt. Aber damals hießen Prinzlinge auch noch Kronprinzen, wöchentliche Proklamationen waren überflüssig. Wobei sich auch in der CSU inzwischen abzeichnet, wer Seehofers Erbe antreten soll. In der Parteispitze hält sich ja hartnäckig das Gerücht, dass weder Markus Söder noch Ilse Aigner zum Zug kommen. Jetzt weiß man, wer der ominöse "Mister X" sein wird: ein Mann, der als Bundesminister zwar geschasst wurde, aber als Bezirkschef von Oberfranken 100 Prozent holte. Kein anderer Prinzling war bislang erfolgreicher als Hans-Peter Friedrich. Da sage noch einer, in der CSU gäbe es keine Basisdemokratie.

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