Politikum:Milder Staat

Ein ehemaliges Mitglied des NPD-Bundesvorstands wurde als Ministerialrat der Obersten Baubehörde zu einer Kapazität. Der Staat hatte nach intensiven Gesprächen keine Zweifel an seiner Verfassungstreue - der damalige Radikalenerlass blieb in diesem Fall wirkungslos

Von Frank Müller

Die Geschichte führt lange zurück in die Zeiten des Radikalenerlasses, in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Damals konnte man erhebliche Probleme bekommen, wenn man als Postbeamter einmal ein Büro der DKP von innen gesehen hatte. Viele mahnten, der Staat solle keine Gesinnungsschnüffelei betreiben, sondern souverän bleiben, auch falls sich seine Schäflein am Rande des Spektrums bewegten.

Dass der Staat das - am ganz rechten Rand - durchaus konnte, zeigt eine Geschichte, die jetzt im Landtag publik wurde. Immerhin bis zum Leitenden Ministerialrat brachte es ein Mann, der von ganz rechts außen kam: Henning J., damals Mitglied des NPD-Bundesvorstands und in einschlägigen verwandten Organisationen wie der "Aktion Widerstand". J. hielt bis in die Siebziger mit seiner Einstellung nicht hinter dem Berg, veröffentlichte seine Thesen in verschiedenen Organen und kandidierte für die NPD auch für den Bundestag.

1974 trat er aus der NPD aus, dann änderte sich sein Leben. Er wurde Beamter in Bayern, stieg auf, wurde über die Jahrzehnte als Ministerialrat der Obersten Baubehörde zu einer gefragten Kapazität für das Baurecht. Wer heute nach seinen Schriften sucht, findet vor allem Standardwerke zur Baugesetzgebung. Er trat als Experte in Anhörungen auf und wurde dann und wann auch in der Süddeutschen Zeitung zitiert.

Im vergangenen Jahr starb Henning J. mit 68 Jahren. Er habe "seine letzte Reise angetreten", hieß es in der Traueranzeige seiner Familie. Doch die Geschichte hat einen Nachhall. Dem SPD-Abgeordneten Franz Schindler gingen der Lebenslauf und die Reminiszenz an die wüsten Tage des Radikalenerlasses nicht aus dem Kopf. Der Rechtsexperte der Fraktion ließ aus Pietät einige Monate verstreichen, bevor er nun in einer Landtags-Anfrage nachfasste, wie denn der Staat zur Geschichte seines Staatsdieners J. steht. Innenminister Joachim Herrmann antwortete, den Behörden seien J.s Aktivitäten durchaus bekannt gewesen. "Intensive Gespräche" habe es mit diesem gegeben und mehrmalige Überprüfungen. Und schließlich die Erkenntnis, dass "er sich deutlich von seinen früheren Aktivitäten distanziert habe und an seiner Verfassungstreue keine Zweifel bestünden". Der Staat kann milde seine, wenn er will.

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