Politikum:Einfach kläglich

Jede Epoche wird mit griffigen Worten definiert. Und jetzt ist, wenn man so will, die Epoche des Klagens und Wehklagens angebrochen

Von Wolfgang Wittl

Die einprägsamsten Jahre Bayerns zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie mit einem griffigen Namen verbunden werden: Die friedvollen Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg sind als "gute, alte Zeit" in die Geschichte eingegangen. Mit Franz Josef Strauß ist (zumindest in der CSU) der Weg vom Agrar- zum Industriestaat verknüpft. Edmund Stoiber wird als Schöpfer des Hightech-Landes namens Laptopundlederhose überdauern. Jetzt ist, wenn man so will, die Epoche des Klagens und Wehklagens angebrochen.

Einen großen Anteil daran trägt natürlich wie immer die CSU, manchmal gewollt, manchmal aber auch ungewollt. Dass die Wahlkampfschlager Betreuungsgeld und Pkw-Maut vor Gericht landeten oder landen werden, dürfte einerseits kaum im christsozialen Interesse gewesen sein. Andererseits scheut sich die CSU keineswegs, eine Verfassungsklage als politisches Druckmittel gegen die Bundesregierung einzusetzen. Oder - wie Erwin Huber beim Flughafenausbau - gegen den eigenen Parteichef. Angesichts des Erfolgs der CSU braucht man sich daher nicht zu wundern, wenn diese Methode Nachahmer findet: Die AfD verklagt inzwischen nicht nur den Wirt eines Gasthauses, der ihr den Zutritt verwehren will, sondern auch die Staatsregierung, wenn diese nicht sofort gegen die Bundesregierung klagt.

Damit zu den Wehklagen: Dazu zählt etwa, wenn der evangelische Landesbischof sich beklagt, dass Horst Seehofer das "Ende der Willkommenskultur für notariell besiegelt" hält. Und Seehofer sich beklagt, der Bischof habe ihn gänzlich missverstanden. Die CSU-Ehrenvorsitzenden wiederum beklagen sich, dass ein Wahlkampf gegen die CDU bereits viel zu sehr betont werde (Theo Waigel) - oder eigentlich gar nicht stark genug betont werden könne (Stoiber). Die Grünen könnten sich beklagen, dass sie fast überall in Deutschland mitregieren, nur nicht in Bayern. Und FW-Chef Hubert Aiwanger darüber, dass er immer alles richtig macht, aber kaum jemand davon Notiz nimmt. Wie wohltuend ist da die bayerische SPD: Ihr Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher stürzte bei der Wiederwahl von 90 auf 76 Prozent ab. Kläglich? Andere Sozialdemokraten würden darüber bestimmt nicht klagen.

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