Politikum:Beschämende Stille

Das fränkische Städtchen Altdorf fand völlig unfreiwillig internationale Beachtung - weil ein Bürgermeister Pöbeleien auf dem Anrufbeantworter eines Dekans hinterlässt

Von Olaf Przybilla

Ein Bürgermeister pöbelt einem Dekan auf den Anrufbeantworter. Weil dieser am Reformationstag den Sprecher des Zentralrats der Muslime in die evangelische Kirche eingeladen hat, glaubt sich der Bürgermeister dazu berechtigt, von einer, so wörtlich, "Islamschweinerei" zu schwadronieren.

Geschehen ist das vor zwölf Wochen in Altdorf, einer Stadt in Mittelfranken, in der einst die bedeutendste Universität der Region ihre Heimat hatte. Seither ist Folgendes passiert: Das Wort von der "Islamschweinerei" übernahmen Neonazis als Trophäe in ihren Wortschatz. Das Städtchen Altdorf wurde Gegenstand internationaler Berichterstattung. Der Dekan wurde mit Kritik überhäuft, zahlreiche Drohungen gingen bei ihm ein, zum Teil von der übelsten Sorte. Der Tenor dieser abscheulichen Anwürfe: Wäre das Wort von der "Islamschweinerei" einfach so als Begriff auf dem Anrufbeantworter geblieben und wäre also nicht zum Gegenstand von Berichterstattung geworden, so wäre Altdorf weiterhin das hübsche Frankenstädtchen mit Fachwerk und Universitätstradition. So aber: Schande, Schande, Schande. Leute, die den Geistlichen kennen, berichten von einem Mann, der im Kern getroffen ist.

Was nicht passiert ist in Altdorf: Der besagte 3. Bürgermeister, ein CSU-Mann, ist nicht zurückgetreten. Eine Sondersitzung des Stadtrats gab es in Altdorf nicht. Die Stadtratssitzung, bei der über den Bürgermeister und seinen verbalen Ausfall gesprochen wurde, war nicht öffentlich. Still ruht die Stadt.

Leider darf die Causa Altdorf als exemplarisch gelten. Die Argumente gleichen sich: Mein Gott, der Mann hat sich doch nie etwas zu schulden kommen lassen, sagen Stadträte in solchen Fällen. Einer mit rechtsextremer Gesinnung ist er auch nicht. Außerdem tut ihm das Ganze inzwischen leid. Also bitte: Schwamm drüber, weitermachen, wir-haben-doch-nun-wirklich-andere-Probleme.

Kommunalpolitiker wollen ernst genommen werden und das sehr zu Recht. Das heißt im Umkehrschluss allerdings auch, dass sie sich ernst nehmen lassen müssen. Ein Bürgermeister soll Schaden von seiner Kommune abwenden. Exakt der Gegenteil davon hat der 3. Bürgermeister von Altdorf getan. Da darf es ein "Einfach-Weitermachen" nicht geben.

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