Plagiatsvorwurf gegen CSU-Politiker:"Er hat uns ordentlich ausgeschlachtet"

Jakob Kreidl.

Der Miesbacher Landrat und Präsident des bayerischen Landkreistags, Jakob Kreidl, soll in seiner Doktorarbeit massiv aus Quellen abgeschrieben haben, die er nicht angegeben hat.

(Foto: Claus Schunk)

Er entschloss sich zu promovieren, als er bereits über 50 Jahre alt war und ein angesehener CSU-Politiker. Nun könnte Jakob Kreidl seine Doktorarbeit zum Verhängnis werden: Der Landrat aus Miesbach hat offensichtlich von mehreren Quellen ausführlich abgeschrieben.

Von Martina Scherf und Christian Sebald

Gerüchte gab es wohl schon länger, doch nun ist es schwarz auf weiß bei Vroniplag im Internet nachzulesen: Die Doktorarbeit des Präsidenten des bayerischen Landkreistags und Miesbacher Landrats Jakob Kreidl (CSU) steht unter massivem Plagiatsverdacht. Kreidl, der eigentlich Diplom-Ingenieur für Nachrichten- und Telekommunikationstechnik ist, wurde im Jahr 2005 an der Universität der Bundeswehr Neubiberg mit einer Arbeit über den Kosovo-Konflikt promoviert.

In seiner Dissertation hat er offensichtlich von mehreren Quellen ausführlich abgeschrieben, ohne diese im Literaturverzeichnis anzugeben. Kreidl selbst reagierte auf die Vorwürfe völlig überrascht und wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben. "Das höre ich zum ersten Mal", sagte der Landräte-Chef. "Ich werde mich sofort damit auseinandersetzen."

Plagiatsvorwurf Kreidl

Blau ist das Original von Franz Lothar Altmann, gelb die Arbeit von Kreidl.

(Foto: SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer)

Vroniplag, die Internet-Plattform, auf der verdächtige Doktorarbeiten analysiert werden, hatte am Montag ein Drittel der Arbeit untersucht. Dabei seien "27 Seiten mit 50-75 Prozent Plagiatstext und 15 Seiten mit mehr als 75 Prozent Plagiatstext" gefunden worden. Vor allem bei einer Quelle hat sich Kreidl offenbar bedient, ohne dass sie im Literaturverzeichnis auftaucht: Ein Report der Professoren Berthold Meyer und Peter Schlotter für die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (2000).

Von diesem Bericht hat Kreidl nicht nur Teile der Gliederung übernommen, sondern auch ganze Textpassagen. Auch weitere Quellen, aus denen Kreidl umfänglich zitiert, ohne die Zitate kenntlich zu machen, kommen im Literaturverzeichnis nicht vor. Zum Beispiel ein Gutachten des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Klaus Dieter Naumann, oder eine Publikation der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Plagiatsvorwurf Kreidl

Auch die Passagen von Berthold Meyer und Peter Schlotter ähneln denen in Kreidls Doktorarbeit sehr.

(Foto: SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer)

Berthold Meyer, Honorarprofessor der Uni Marburg, hat sich die Doktorarbeit genau angesehen - und seine eigenen Worte darin wiedergefunden. "Auf 71 Seiten der Dissertation wird unser Report in irgendeiner Weise, zum Teil sehr umfangreich verwertet. Da unser Report selbst nur 66 Seiten umfasst, kann man sagen, dass dem Schreiber keiner unserer Gedanken und kaum eine unserer Quellen entgangen ist." Nun ist so etwas bei Doktorarbeiten nicht unüblich, allerdings muss die Quelle genannt werden. Dazu verpflichtet sich jeder Promovend, an der Bundeswehr-Universität sogar mit einer eidesstattlichen Erklärung. Kreidl hat sich sogar der von Meyer/Schlotter zitierten Quellen bedient und diese als eigene Recherche mit Fußnote angegeben - die hessischen Autoren aber sorgsam verschwiegen. "Er hat uns ordentlich ausgeschlachtet", so das Fazit des Wissenschaftlers Meyer.

Trotz aller Belastungen

Als Kreidl im Jahr 2005 an der Bundeswehr-Uni promovierte, gehörte er schon mehr als zehn Jahre als Abgeordneter dem Landtag an und war außerdem Vorsitzender des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit. Zugleich engagierte sich der inzwischen 60-Jährige weiter als Kreisrat und stellvertretender Landrat in seinem Heimatlandkreis Miesbach. In dieser Funktion vertrat er zusätzlich zu seinem Abgeordneten-Amt über Monate hinweg den schwer erkrankten damaligen Miesbacher Landrat Norbert Kerkel.

Trotz all dieser Belastungen trieb Kreidl seine Promotion voran. Seit einer Studienreise in den Kosovo interessierte er sich für die damalige Krisenregion. So wählte er als Thema für seine Doktorarbeit: "Der Kosovo-Konflikt. Vorgeschichte, Verlauf und Perspektiven. Zur Stabilisierung einer Krisenregion". Darin geht es um den ungeklärten völkerrechtlichen Status des Kosovo nach Kriegsende und die Frage, warum das "Nation Building" nicht vorankommt. Die Bundeswehr-Uni bewertete Kreidls Promotion mit einem "magna cum laude", der zweitbesten Note also.

Kreidl hat ursprünglich an der Fachhochschule im hessischen Dieburg Nachrichten- und Telekommunikationstechnik studiert und danach 16 Jahre lang als Ingenieur bei der Deutschen Bundespost gearbeitet. Seit 1980 ist der gebürtige Fischbachauer Mitglied der CSU, seit 1984 engagierte er sich in der Kommunalpolitik, zunächst als Gemeinderat in seinem Heimatort, später als dessen Bürgermeister, als Kreisrat und als CSU-Chef im Landkreis Miesbach. Im Jahr 1994 wurde Kreidl in den Landtag gewählt. "Damals wurde mir schnell bewusst, dass er gut wäre, mir noch politisches Grundlagenwissen anzueignen", sagt Kreidl, der als sehr fleißig und strebsam gilt. "Deshalb nahm ich 1996 das Studium an der Hochschule für Politik auf."

Offenbar mit großem Erfolg, seine Abschlussnote im Jahr 2000 eröffnete Kreidl die Möglichkeit zur Promotion. Im Jahr 2008 kehrte Kreidl als Landrat in den Landkreis Miesbach zurück. Er hatte sich Chancen auf den Innenminister-Posten im Kabinett von Günther Beckstein ausgerechnet, war aber nicht berücksichtigt worden. Seit 2010 ist er Präsident des Landkreistags.

Kreidls Doktorvater, der Politikwissenschaftler Jürgen Schwarz, heute 76, ist "erschüttert" über die Plagiatsvorwürfe. Er erinnert sich gut an seinen Doktoranden Kreidl. Dieser sei damals mit dem Wunsch auf ihn zugekommen, bei ihm zu promovieren, sagt Schwarz. Kreidl habe sein Thema so überzeugend dargelegt, dass er ihn angenommen habe. Der Landtagsabgeordnete sei dann selbst mehrfach auf den Balkan und nach Berlin gereist, um Gespräche im Außenministerium zu führen. Er habe dabei interessante Einschätzungen des Kosovo-Konflikts gewonnen.

Man sei ständig in Kontakt gewesen, er habe zwar Kreidl gefragt, warum er sich so eine Arbeit noch antue, wo er doch schon eine beachtliche politische Karriere vorzuweisen habe. Aber Kreidl habe in den Gesprächen und auch in der mündlichen Prüfung sehr überzeugt. Die Bundeswehr-Uni wollte am Montag keine Stellung nehmen. Man habe seit 1999 eine Ombudsstelle für Plagiatsfälle. Sie werde den Vorgang gründlich prüfen.

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