Plagiatsvorwürfe gegen CSU-Politiker:Ein bisschen wie Guttenberg

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Jakob Kreidl, Landrat Landkreis Miesbach. (Foto: Claus Schunk)

Es erhärtet sich der Verdacht, dass der Miesbacher Landrat Jakob Kreidl seine Doktorarbeit absichtlich manipuliert hat. In der CSU weckt der Fall Erinnerungen an Karl-Theodor zu Guttenberg.

Von Martina Scherf, Christian Sebald und Mike Szymanski

Der Miesbacher Landrat und Präsident des Landkreistags, Jakob Kreidl (CSU), gerät weiter unter Druck. Am Dienstag erhärtete sich der Verdacht, dass Kreidl seine Doktorarbeit nicht redlich verfasst, ja sogar absichtlich manipuliert hat In der CSU weckt der Fall Erinnerungen an Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Verteidigungsminister, der vielen als künftiger CSU-Chef galt, musste vor zwei Jahren zurücktreten, als herauskam, dass er bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben hatte.

Der Fall Kreidl hat längst nicht diese Dimension, bei ihm handelt es sich um einen Kommunalpolitiker. Dennoch belastet er die CSU. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl muss sich ein prominenter CSU-Mann gegen Vorwürfe zur Wehr setzen, er habe sich den Doktor-Titel erschlichen.

Kreidl selbst wollte auch am Dienstag keine inhaltliche Stellung beziehen. Der Verdacht habe ihn "wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen", sagte er und erklärte weiter, er müsse sich erst "im Detail damit auseinandersetzen". Dafür brauche er Zeit. Er habe neben seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter "über Jahre hinweg mit teils längeren Unterbrechungen abends, an den Wochenenden und im Urlaub an der Dissertation gearbeitet", erklärte Kreidl.

Zugleich verwies er darauf, dass die Bundeswehr-Uni Neubiberg die Vorwürfe "sauber prüfen und lückenlos aufklären" werde, und betonte: "So wie sie dann entscheidet, werde ich das akzeptieren." Kreidl, der eigentlich Diplom-Ingenieur für Nachrichten- und Telekommunikationstechnik ist, wurde 2005 an der Bundeswehr-Universität mit einer Arbeit über den Kosovo-Konflikt promoviert.

Die Uni äußerte sich am Dienstag nicht. Ihre Präsidentin Merith Niehuss stand "aus terminlichen Gründen" für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Nach Angaben ihres Sprechers erfuhr die Universität erst Ende Januar von den Plagiatsvorwürfen. Man werde den Fall prüfen. Vor Ende dieses Verfahrens gelte Vertraulichkeit. Das Wissenschaftsministerium äußerte sich ähnlich. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) befindet sich auf Delegationsreise in Singapur. Sein Sprecher teilte mit: "Wir müssen abwarten, was die Prüfung ergibt. Die Universität leitet mit Sicherheit die notwendigen Schritte ein, wenn sich der Verdacht erhärtet."

Auch in der CSU-Spitze war zunächst niemand bereit, öffentlich Stellung zu nehmen. Zumal Kreidl ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer nachgesagt wird. Vereinzelt wurde jedoch die Prognose gewagt, dass Kreidl seinen Titel wohl verlieren werde. "Die Dinge nehmen jetzt ihren Lauf", hieß es mit Blick auf die Untersuchungen. Aber anders als im Fall Guttenberg dürfte Kreidls Laufbahn als Politiker deshalb wohl kein Ende nehmen. Der CSU-Politiker und Vorsitzende des Hochschulausschusses des Landtags, Oliver Jörg, warnte vor vorschnellen Urteilen. "Es gilt die Unschuldsvermutung", sagte Jörg.

Ganz ähnlich lauteten die Einschätzungen aus dem Landkreistag. "Auch wenn wir alle völlig überrascht sind, die Vorwürfe ändern nichts daran, dass Kreidl das Präsidentenamt sehr gut ausfüllt", sagte ein prominentes Vorstandsmitglied, "ich sehe keinen Grund, warum er es abgeben müsste, wenn er den Doktortitel verliert, zumindest jetzt nicht." Sogar SPD-Landräte solidarisieren sich mit Kreidl. "Auch ohne Doktortitel ist er ein hervorragender Präsident", sagt der Hofer SPD-Landrat Bernd Hering. Gleichwohl dürfte es auf Landesebene für Kreidl entscheidend sein, wie er mit der Krise umgeht.

Im Kreis Miesbach, wo sich Kreidl 2014 zur Wiederwahl stellen muss, stehen sie hingegen fest zu ihrem Landrat. Zwar ist der 60-Jährige nicht überall beliebt. Manch einem ist er zu selbstbewusst und zu forsch. Aber Kreidl gilt als fleißig, strebsam und einer, der den Landkreis voranbringt. Und er kann leutselig sein, er ist heimatverbunden und kommt von daher im konservativen Kreis Miesbach gut an. Außerdem fehlt der Konkurrenz ein Kandidat mit dem Format, ihm das Amt abzujagen.

Indessen laufen die Untersuchungen bei der Internet-Plattform Vroniplag weiter. Bis Dienstagabend waren fast 40 Prozent der 303 Textseiten umfassenden Arbeit geprüft. Dabei tauchten 27 Seiten mit 50 bis 75 Prozent Plagiatstext und 22 Seiten mit mehr als 75 Prozent Plagiatstext auf.

Auch die Gliederung der Dissertation ist in weiten Teilen identisch mit einem Bericht des Professorenduos Meyer und Schlotter aus dem Jahr 2000 - diese Tatsache ist lediglich durch das Umformulieren der Kapitelüberschriften vertuscht worden. Das Ausmaß der fremden und nicht gekennzeichneten Texte könnte aber noch weit größer sein. Denn Vroniplag kann nur solche Publikationen mit der Dissertation vergleichen, die im Internet zugänglich und den Prüfern bekannt sind.

Als "guttenbergesk" bezeichnet die Berliner Informatikerin Debora Weber-Wulff, die sich bei Vroniplag in der Aufklärung von Plagiaten engagiert, denn auch den Fall Kreidl. Wie der Ex-Verteidigungsminister habe der Miesbacher Landrat ganze Strecken aus fremden Texten kopiert und an vielen Stellen versucht, die Übernahme durch die Veränderungen von Kleinigkeiten zu verschleiern.

Als Beispiele nennt Weber-Wulff, dass ein englischer Begriff ins Deutsche übersetzt oder ein Datum mit einer Zahl statt dem ausgeschriebenen Monat benannt worden sei. Dies lasse eindeutig auf Vorsatz schließen, sagt die Dozentin. "Selbst wenn die Arbeit trotzdem noch einen originären Kern aufweisen würde, könnte das die Schwere des Vorwurfs nicht aufwiegen."

© SZ vom 27.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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