Streit in der CSU:Kommunalpolitiker wehren sich gegen Pkw-Maut

Maut

Kommunalpolitiker in den bayerischen Grenzregionen wollen Ausnahmen bei der Pkw-Maut.

(Foto: dpa)

Sie sind "stinksauer", fürchten Einbußen beim Tourismus und wollen die Pläne von Verkehrsminister Dobrindt unbedingt verhindern: Kommunalpolitiker in den bayerischen Grenzregionen fordern Ausnahmen bei der Pkw-Maut. Und schüren damit den Streit innerhalb der CSU.

Von Heiner Effern, Stefan Mayr und Mike Szymanski

Unter CSU-Politikern in den Grenzregionen wächst der Widerstand gegen die Mautpläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Parteichef Horst Seehofer. "So wie sie jetzt vorgelegt worden sind, dürfen sie nicht kommen", sagt der Freilassinger Bürgermeister Josef Flatscher (CSU). Sein Amts- und Parteikollege in Simbach am Inn, Klaus Schmid, fürchtet, dass "unseren Geschäften und Wirtshäusern bis zu 50 Prozent Umsatz flöten gehen".

Eine Maut auch außerhalb von Autobahnen sieht er "sehr problematisch". Beide Politiker loben ausdrücklich den Vorstoß des bayerischen Verkehrsministers Joachim Herrmann, der eine Ausnahme von der Maut für die Grenzlandkreise angeregt hatte. "Ich finde gut, dass er das gemacht hat. Wir hätten auch gerne, dass die Pläne zu Ende gedacht werden", sagt der Freilassinger Bürgermeister Flatscher.

Massive Einbußen für Grenzorte

Herrmann hatte als erster prominenter CSU-Politiker die Sorgen der Grenzbewohner in der Öffentlichkeit artikuliert. Seehofer hatte ihn dafür gerüffelt, doch die Diskussion über die Maut für Ausländer ist parteiintern nicht mehr einzufangen. Generalsekretär Andreas Scheuer versuchte sie dennoch zu stoppen. Am Montag erklärte er: "Es ist angesichts des Geldmangels beim Straßenbau kleinkariert und völlig neben der Spur, jetzt eine Debatte über den kleinen Grenzverkehr zu führen." Doch auch die CSU-Landräte aus Berchtesgaden und Lindau kritisieren Dobrindts Konzept. "Wir sollten wie viele andere Länder eine allgemeine Autobahn-Maut einführen, die für alle gilt, also auch für Inländer", sagt Landrat Elmar Stegmann. "Ein Alleingang ist nicht im Sinne des europäischen Gedankens."

Sein Kollege Georg Grabner hat gegen eine Ausländer-Maut auf deutschen Autobahnen nichts einzuwenden, doch eine Abgabe für die meisten untergeordneten Straßen kann er sich nicht vorstellen. "Man müsste mit Sicherheit bei uns die Möglichkeit haben, von dieser Mautpflicht befreit zu werden." Er stehe "absolut" hinter dem Vorstoß von Verkehrsminister Herrmann. Ziele für Tagesausflügler aus Österreich, wie der Königssee oder die Rupertus-Therme in Bad Reichenhall, hätten bei einer Maut ohne Ausnahmen massive Einbußen zu fürchten.

Die Landtagsabgeordnete Reserl Sem aus dem Kreis Rottal-Inn hat ähnliche Gedanken bereits aufgeschrieben und ihren "Brandbrief" direkt an Dobrindt geschickt. Dessen Mautpläne sorgten für "eine Schieflage, über die man in den Grenzregionen stinksauer" sei, sagt sie. Ein Konzept sollte "durchdacht" sein. Und wenn es das nicht sei, dürfe man schon darüber sprechen, sagt die Abgeordnete.

Sie ist nicht die einzige, die an Bundesverkehrsminister Dobrindt geschrieben hat. Auch vom Füssener Bürgermeister Paul Iacob (SPD) ist Post in Berlin angekommen. Sollte die Maut auch auf Land- und Staatsstraßen kassiert werden, befürchtet Iacob, "dann werden wir in Füssen ganz starke Einbußen im Einzelhandel haben." Dies bestätigt Peter Stöferle von der Industrie- und Handelskammer Schwaben: "Es gibt im Allgäu einige Händler, die Angst um ihre Tagesgäste aus Österreich haben." Bei einem "Eintrittspreis von 100 Euro" würden sich viele Leute sagen, "da lohnt sich das Einkaufen in Deutschland nicht mehr".

Kuriose Konsequenzen

Die Industrie- und Handelskammern aller betroffenen Regionen gehen auf Distanz zu Dobrindts Plänen. "Es liegt auf der Hand, dass der kleine Grenzverkehr durch die Abgabe massiv betroffen wäre", erklärt Walter Keilbart, IHK-Geschäftsführer in Niederbayern.

Ohne Ausnahmen würde die Maut auch teilweise kuriose Konsequenzen haben: Die Bewohner des österreichischen Zollanschlussgebietes Kleinwalsertal können ihre Heimat mit dem Auto nur über Deutschland erreichen. Bürgermeister Andi Haid von der Gemeinde Mittelberg (Vorarlberg) hat bereits mit seinem Kollegen Bernhard Eggel aus Jungholz (Tirol) angekündigt, sich massiv für eine Sonderregelung für die beiden Exklaven einzusetzen. Fried-Joachim Störmer vom Hotel- und Gaststättenverband Kleinwalsertal fordert die Ausnahmeregelung auch für ausländische Touristen, die im Tal Urlaub machen:"Für ausländische Gäste würden durch die Maut höhere Reisekosten entstehen - was letztlich unserem Tourismus schadet."

Nachteile fürchtet der Burghauser Bürgermeister Hans Steindl (SPD) auch für ein starkes Industriezentrum wie das Chemiedreieck. Allein nach Burghausen würden täglich 2000 Pendler aus Österreich kommen, viele davon mit dem Auto über die Landstraßen. "Ich kann mir vorstellen, dass die sagen: Ich bringe meine Arbeitskraft hier ein und muss dafür Strafe zahlen." Dobrindts Pläne seien nicht tragbar und werden "so auch nicht kommen".

Ganz verhindern würde sie am liebsten der SPD-Fraktionschef im Landtag, Markus Rinderspacher: "Keine Maut ist die beste Lösung." Er könne nicht erkennen, worin der Vorteil für Bayern bestehe. Im September werde die SPD ein öffentliches Hearing veranstalten, bei der Wirtschaft und Kommunen zu Wort kommen sollen. "Die Maut will in Wahrheit niemand." Dass Dobrindt die Maut auf alle Straßen ausgeweitet habe, entspreche auch nicht dem Koalitionsvertrag.

Doch auch für die Maut auf kleinsten Straßen finden sich Fürsprecher, etwa der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner. "Wenn man von Anfang an schon über Ausnahmen diskutiert, kommt man nie zu Potte." Wenn es schon Sonderregelungen in Grenzregionen geben solle, dann EU-weit. Sein Traunsteiner Kollege Klaus Steiner (CSU) hält den Vorstoß Herrmanns noch für zu früh. "Zuerst müssen wir wissen, geht das EU-rechtlich überhaupt. Dann können wir über Details reden."

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