Pflegekammer:Keine Lobby

Die Beschäftigten in Pflegeberufen hätten dringend eine eigene Berufsvertretung gebraucht, doch daraus wird leider nichts

Von Dietrich Mittler

Von der Mehrheit der Pflegekräfte in Bayern sind allenfalls Klagen zu hören, wie hart die Arbeitsbedingungen sind. Berechtigten Unmut in verändernde Kraft umzusetzen, daran mangelt es jedoch. Nur 20 Prozent der Mitarbeiter in der Pflege sind gewerkschaftlich engagiert, nur zehn Prozent der examinierten Pflegekräfte gehören einem der Berufsverbände an. Pflegeministerin Melanie Huml will der Pflege zu einer "starken Stimme" verhelfen. Ob das gelingt, ist zweifelhaft. Markus Söder hat seinerzeit als Gesundheitsminister eine berufsständige Kammer in Aussicht gestellt, die die Interessen aller Pflegenden tatsächlich eigenständig vertreten kann. Herausgekommen ist mit Humls "Vereinigung der bayerischen Pflege" nicht mehr als eine Pflegekammer light.

Die CSU im Landtag steht hinter dem Entwurf, ebenso die SPD. Auf beide wirkten Kräfte ein: die Gewerkschaft Verdi auf SPD-Seite, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft auf CSU-Seite. Sozusagen die große Koalition der Tarifparteien, die sich ausnahmsweise einig sind: "Bayern braucht keine Pflegekammer!" Nur die Motive sind verschieden: Verdi dürfte es Unbehagen bereiten, dass eine Kammer - bei ihr werden Pflichtbeiträge fällig - den Pflegenden einen Gewerkschaftsbeitritt verleiden könnte. Und Arbeitgeber haben gewiss keinen Gefallen daran, wenn mehr als 130 000 examinierte Pflegekräfte entdecken, welch einen Machtfaktor sie darstellen könnten.

Um Boden zu gewinnen, schlug Huml ein Konstrukt vor, das anders als eine Kammer ganz ohne Pflichtmitgliedschaft auskommt. Gerade aber die hätte - weil unausweichlich mit Kosten verbunden - Pflegende dazu bewegen können, eigene Interessen ernsthafter zu vertreten. Stattdessen aber sollen Arbeitgeber mit im Beirat der Vereinigung sitzen, mit weitgehendem Vetorecht bei der Weiterbildung. Und damit nicht genug: Die in der Vereinigung anfallenden Kosten trägt der Freistaat, was nicht gerade für Unabhängigkeit sorgt. Von einer souveränen Vertretung der Pflegenden ist dieses Konstrukt Meilen entfernt.

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