Peter Ramsauer:Ein Bilderbuch-Bayer in Lauerstellung

Landesgruppenchef Ramsauer ist Vorzeige-Bayer und beansprucht für sich den schönsten Wahlkreis der Republik. Nun prüft er seinen Ehrgeiz.

Stefan Braun

Was für ein Mannsbild. Er ist groß, er ist schlank, er ist braungebrannt. Seine silbergrauen Haare geben ihm etwas Erhabenes; ein rotbraunes Holzfällerhemd und ein Lederrucksack lassen ihn wie einen Naturburschen erscheinen. Dazu trägt er einen beigen Hut mit großer Krempe, ein bisschen Rocky Mountains steckt da drin und ein bisschen Parkranger.

Peter Ramsauer: Verbraucherminister Seehofer nennt ihn den schönsten Politiker Deutschlands: Peter Ramsauer.

Verbraucherminister Seehofer nennt ihn den schönsten Politiker Deutschlands: Peter Ramsauer.

(Foto: Foto: dpa)

Peter Ramsauer, 54, steht an der Bootsanlegestelle am Königssee, er redet über das Land, den See, die Millionenpläne für die Olympischen Spiele 2018 - und alles ist so, wie es im Bilderbuch sein muss. Grüß Gott, wir sind beim Ramsauer Peter, dem Vorzeige-CSUler aus Oberbayern.

Was zunächst durchaus wörtlich gemeint ist. Dieser Peter Ramsauer, seit drei Jahren Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ist phänotypisch der Paradebayer. Natürlich stinkt es ihm, wenn einer wie Horst Seehofer ihn immer mal wieder als schönsten Politiker Deutschlands preist - und damit auch auf den Arm nimmt. Aber natürlich zeichnet er auch selbst dieses Bild von sich.

Einmal im Jahr zeigt er Berliner Journalisten seinen Wahlkreis, den schönsten in Deutschland, wie er selbst sagt. Jedes Mal besucht er Käsereien, Liftbetriebe, Mittelständler und Almen, um sich und seine Heimat in schönstes Licht zu tauchen.

Das ist für sich betrachtet nichts Außergewöhnliches, viele Politiker tun das mittlerweile. Aber Ramsauers bewusst gesetztes Image berührt in der CSU eine Wunde. Während viele beim derzeitigen Duo Huber/Beckstein die Kraft derart identitätsstiftender Bilder vermissen, liefert Ramsauer sie gleich dutzendweise

Moskau, Eton, Washington

Parteichef Erwin Huber kann strampeln und reisen und auftreten wie er will, er kann solche Bilder nicht produzieren. Ramsauer dagegen wirkt wie eine Bildermaschine: Ramsauer, der verhinderte Pianist, der beim Klavierspielen ausspannt; Ramsauer, der ein Jahr am britischen Edelcollege Eton studiert hat; Ramsauer, der nach Moskau, London, Washington reist, seitdem er noch von Stoiber zum neuen CSU-Außenminister ernannt wurde. Was wär das, vermischt mit den Fotos vom Königssee, für eine CSU-Werbekampagne!

So sehr ist das inzwischen in den Köpfen der eigenen Leute, dass immer mehr Parteikollegen ihn ansprechen und in den Vordergrund schieben möchten. Selbst ehemalige Parteichefs drängen ihn zu mehr Ehrgeiz und kritisieren, dass er nicht lauter wird in den internen Machtkämpfen. Ein Mitglied des CSU-Präsidiums fasst das sogar so zusammen: "Jammerschade, dass wir das politisch nicht stärker nutzen können."

Das klingt wie ein Seitenhieb gegen die derzeitige Führung, aber es verweist auch auf eine Schwäche, an der Ramsauer selbst mitwirkt. Denn so sehr er an seinem Image bastelt, so laut hat er in den vergangenen Jahren immer wieder erklärt, dass er zufrieden sei mit seinem Berliner Amt, dass ihn kein parteiinterner Ehrgeiz treibe, er nicht nach Höherem strebe.

Immerhin sei der Landesgruppenvorsitz "eines der begehrtesten Ämter", das seine Partei zu vergeben habe. Das klingt selbstgenügsam und wird manchen in München froh machen, aber es beißt sich regelrecht mit dem Image, das er um sich herum aufbaut.

Natürlich ist der CSU-Landesgruppenchef in Berlin wichtig, er ist überall dabei, er gehört der Fraktionsspitze an, nichts kann dort gegen die CSU-Abgeordneten und ihren Chef beschlossen werden. Außerdem sitzt er im Koalitionsausschuss, streitet und entscheidet über jede Frage, die diskutiert wird. Ramsauer ist noch nicht einmal in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Und dann wären da auch noch die Reisen.

Der "wichtige Player"

So wie im Juli 2007. Ein bisschen überraschend kommt für ihn der Anruf Stoibers schon, aber das macht nichts, er sagt sofort zu, als der Noch-Ministerpräsident ihn einlädt, mit nach Moskau zu fliegen. Stoiber besucht zum Abschied den damaligen Präsidenten Wladimir Putin - und nutzt die Gelegenheit, Ramsauer bei Putin als "wichtigen Player" anzupreisen.

So kommt es, dass Erwin Huber und Ramsauer im Katharinensaal des Kreml wie zwei Schuljungen auf einem Zusatzbänkchen sitzen, während Stoiber und Putin über die Weltläufte plaudern. Der eine, Huber, ärgert sich, er ist da, weil er sich als Stoiber-Nachfolger präsentieren möchte. Der andere freut sich und strahlt wie ein Spitzbub.

Fortan reist Ramsauer durch die Welt, mal flitzt er nach Beirut, mal nach Teheran, mal nach London. Die Begründung: Er muss sich bilden, und er will sich zeigen. Im Libanon erfährt er, dass der Regierungschef dort seine Rolle in der Koalition genau kennt. Stolz merkt er sich das - und erzählt es später.

Doch so schön das sein mag und so mächtig es klingt, bis heute hat Ramsauer seine Rolle in Berlin nicht dazu genutzt, selbst ein Thema zu prägen. Bislang wirkt er vor allem als derjenige, der dazwischen grätscht, wenn er eine Initiative bremsen oder verändern möchte.

Das war so, als er zum Ausgleich für den Krippenausbau ein Betreuungsgeld forderte, und es war so, als er die Einführung des Elterngeldes für Väter zum "Wickelvolontariat" degradierte. Ein CSU-Spitzenpolitiker findet für seinen Verzicht auf eigene, auch riskante Initiativen harte Worte: "Hier liegen Grenzen seiner Tapferkeit, er ist keiner, der rausgeht und im Sturm voranmarschiert."

Ramsauer widerspricht dem natürlich. Und als ob er den Vorwurf widerlegen wollte, stürzt er sich derzeit in den Streit um die Erbschaftsteuer. Hier legt er sich dieser Tage so fest, dass Narben bald unvermeidlich sind, sollte er nicht alle seine Forderungen durchsetzen.

Von "Welten, die da inhaltlich aufeinander prallen", spricht Ramsauer und wirft der SPD vor, sie wolle Eigentum "zum Gegenstand von Klassenkämpfen" machen. Intern sieht er den "tiefsten Markenkern der bürgerlichen Parteien" betroffen und kündigt an, zur Not bis zum Schluss Widerstand zu leisten. Es könnte eine Nagelprobe für ihn werden.

Ob das so kommt, lässt sich - noch - nicht sagen. Dass Ramsauer Macht gerne einsetzt, lässt sich dagegen gut belegen. Zum Beispiel dort, wo es für eine Partei drauf ankommt: an der Basis. Ramsauer zu Besuch beim Philharmonie-Orchester Bad Reichenhall. Der Vorsitzende des Freundeskreises ist da, der Intendant und der Chefdirigent der 40 festangestellten Musiker.

Bei Kaffee und Mineralwasser schwärmen sie in vielen schönen Worten von ihrer Arbeit, nur eines bleibt fast verborgen: Warum das Orchester mit seinem Etat von 2,4 Millionen Euro vom Spareifer der Landesregierung verschont wurde. Tatsächlich wären sie alle hier längst abgewickelt, hätte es nicht Ramsauer gegeben, der auf Nachfrage von einem "Häuserkampf" spricht, um zu beschreiben, wie er beim bayerischen Finanz- und Kultusminister das Überleben des Orchester sicherstellte. Die drei Herren aus Reichenhall würden ihn seither am liebsten auf Lebenszeit wählen.

Das Nein zu Oberbayern

Das freilich hätte dem "Machtmenschen Ramsauer", wie die Bunte ihn neulich beschrieb, am 18. Januar 2007 auch nicht geholfen, dem Tag nach der Nacht von Kreuth, als Huber und Beckstein Stoibers Erbe unter sich aufteilten.

Ramsauer hatte derlei nicht für möglich gehalten, nicht ohne ihn einzubinden. Bis dahin hielt er sich für mächtig genug - und hatte auch deshalb auf eine Kandidatur als Bezirkschef für Oberbayern verzichtet. Heute weiß er, dass diese Einschätzung falsch war. Würde er nochmal vor die Frage gestellt - er würde anders entscheiden. Zumal er sich eigentlich doch jedes Amt zutraut.

Was dieser Tage an der Fischunkelalm beim Königssee zu einem, man kann sagen, Lapsus geführt hat. Als Ramsauer hier ankommt, wo der See und das Alpenpanorama wie eine Filmkulisse wirken, entfährt es ihm, der Ort sei nachgerade ideal für ein Sommerinterview im Fernsehen. Derlei ist eigentlich Parteivorsitzenden und Regierungschefs vorbehalten.

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