Gauweiler zu Integration:"Hysterische Reaktionen bringen nichts"

Was treibt CSU-Chef Seehofer in Sachen Integration gerade um? Ein altbekannter Standpunkt der Partei, sagt Peter Gauweiler - und erklärt, warum die Zuspitzung in der politischen Debatte nötig war.

Birgit Kruse

sueddeutsche.de: Herr Gauweiler, mit seinen Äußerungen zur Zuwanderung hat CSU-Chef Seehofer eine neue Integrationsdebatte ausgelöst - und heftige Kritik geerntet. Ging es ihm wirklich um das Thema, oder war es mal wieder an der Zeit, die Partei hinter sich zu bringen?

Dr. Peter Gauweiler, CDU/CSU-MdB aus Muenchen

Peter Gauweiler: "Die Zuspitzung, die Seehofer gebraucht hat, ist Teil des politischen Klarmachens."

(Foto: Seyboldtpress)

Peter Gauweiler: Ich denke, es ging um beides. Politik ist Richtung und auch Taktik. Und in der CSU stößt dieses Thema sowieso auf breite Zustimmung. Das weiß auch der Ministerpräsident. Ab und zu werden ja auch wir noch sagen dürfen, was aus unserer Sicht falsch läuft. Das ist die Aufgabe einer Regierungspartei. Politik muss handeln. Hysterische Reaktionen wie die der Integrationsbeauftragen Böhmer gegen die CSU bringen niemanden weiter.

sueddeutsche.de: Mit der Unterstützung der CDU-Politikerin Maria Böhmer, für die die Integration in Fahrt kommt, wird Seehofer nicht gerechnet haben. Mit der Zustimmung der Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel wohl auch nicht.

Gauweiler: Das habe ich auch gelesen. Ich kann es ja mal süffisant formulieren: Wir alle wundern uns, dass sich Frau Böhmer hier nicht mit ihrer Chefin abgestimmt hat.

sueddeutsche.de: Seehofers Ansehen innerhalb der CSU haben seine Bemerkungen geholfen. Doch wie sehr hat der CSU-Chef damit dem Streit um Integration geschadet? Er wird jetzt mit Thilo Sarrazin verglichen.

Gauweiler: Na und? Es war und ist Seehofers Aufgabe, das Thema anzusprechen. Dabei muss man sich bewusst sein, bei anderen Parteien bestimmte Reflexe auszulösen.

sueddeutsche.de: Das schließt heftige Kritik ein. Prompt fühlte sich Seehofer falsch verstanden und wollte seine Äußerungen aus dem Focus-Interview nur auf ausländische Fachkräfte gemünzt sehen.

Gauweiler: Über jede Formulierungen lässt sich streiten. Aber gerade in der Politik gilt: Die Zuspitzung, die Seehofer gebraucht hat, ist Teil des politischen Klarmachens. Man braucht das, um gehört zu werden. Es kann nicht jeder so unverbindlich reden wie Frau Merkel.

sueddeutsche.de: Über mangelndes Gehör kann sich Seehofer nicht beklagen.

Gauweiler: Ob Seehofer mit solch heftigen und zum Teil unqualifizierten Reaktionen gerechnet hat, weiß ich nicht. Aus Sicht der CSU vertritt er einen altbekannten Standpunkt. Er spricht ein zentrales Problem in der Einwanderungs- und Integrationsdebatte an. Und es gehört zur Pflicht eines CSU-Vorsitzenden, klarzumachen, was die CSU will und was nicht.

sueddeutsche.de: Und zu klaren Verhältnissen gehört es, die "Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen" zu unterbinden, wie Seehofer gesagt hat?

Gauweiler: Das Problem sind doch nicht Fachkräfte und Akademiker...

sueddeutsche.de: ... genau von ihnen spricht der CSU-Chef inzwischen.

Gauweiler: Im Kern geht es um das verheerende Problem der Armutswanderung, um den absehbaren Zusammenbruch der Sozialkassen und die Auswirkungen auf die Gemeinschaft, insbesondere in den Städten. Sicher, alle Armutsmigranten verdienen unser Mitleid. Und die staatliche Gemeinschaft tut auch sehr viel. Das ist richtig und nicht falsch. Man darf den Blick für das weltweite Ganze nicht verlieren. Aber keine staatliche Politik darf die Interessen der Menschen, die hier leben, vergessen. Der heilige Martin hat für den armen Bettler seinen Mantel geteilt. Aber das muss jeder selbst tun. Der Staat selbst kommt irgendwann mit der Mantelproduktion nicht mehr nach. Unser Sozialsystem verkraftet die weltweite Armutswanderung nicht. Ich denke, da können noch nicht mal die Grünen widersprechen.

sueddeutsche.de: Die ganze Integrationsdebatte dreht sich nur noch um Vorwürfe, die sich die Parteien gegenseitig machen. Wäre es nicht an der Zeit, die Debatte wieder zu versachlichen?

Gauweiler: Das ist in der Tat nötig. Aber es ist verdammt schwer. Man muss auch jahrelange Fehlentwicklungen zugeben können und daraus Konsequenzen ziehen.

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