Personalprobleme im NPD-Landesverband:Kampf um die bayerische Rechte

Die bayerische NPD kämpft mit einer Austrittswelle und Schuld ist der Führungskurs des Landesvorsitzenden Ralf Ollert. Weil der sich gegen eine Zusammenarbeit mit dem Freien Netz Süd sperrt, hat er mittlerweile einen kompletten Bezirksverband verloren.

Antonie Rietzschel

Es wird langsam eng für den bayrischen NPD-Chef Ralf Ollert: In den vergangenen Wochen verließen mehrere Funktionäre die Partei und gaben als Grund den Führungskurs des Landesvorsitzenden an. Zuletzt erklärte Karsten Panzer seinen Austritt. Als Geschäftsführer der Bezirksgeschäftsstelle der NPD-Oberpfalz, "schließt" er diese für den "Parteienverkehr". "Unter einer neuen Parteiführung, die auch den echten Willen zum Erfolg hat, bin ich gerne bereit, mich wieder einzubringen", schreibt Karsten Panzer in einem offenen Brief, der Süddeutsche.de vorliegt.

Vorstellung bayerischer Verfassungsschutzbericht

Teilnehmer einer Neonazi-Demonstration marschieren durch Wunsiedel (Oberfranken). Die rechtsextreme Szene in Bayern hat ihre Aktivitäten in Bayern seit der Aufdeckung der Neonazi-Mordserie verstärkt.

(Foto: dpa)

Dass die Oberpfalz für die NPD verloren war, zeichnete sich bereits nach den Austritten der drei Vorsitzenden ab. In einem offenen Brief, der Süddeutsche.de vorliegt, arbeiten sich Daniel Weigl, Robin Siener und Simon Preisinger an einer langen Liste von Kritikpunkten ab: So habe sich unter dem NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel die NPD zu einer "Systempartei" entwickelt. Mit anderen Worten: Den Rechten ist die eigene Partei zu angepasst, zu nett.

"Seriöser Radikalismus" zieht nicht

Apfel hatte sich auf dem Parteitag im November letzten Jahres bei der Wahl des Parteichefs gegen den langjährigen Amtsinhaber Udo Voigt durchgesetzt. Während Voigt die NPD vor allem zu einer Partei der radikalen Rechten machte, steht Apfel in erster Linie für den von ihm propagierten "seriösen Radikalismus". Innen radikal, nach außen gemäßigt - mit diesem neuen Kurs sollen unentschlossene, rechtsoffene Wähler für die Ziele der NPD gewonnen werden.

Auch Ralf Ollert bemüht sich als Vorsitzender des bayrischen Landesvorstandes um einen gemäßigteren Auftritt des NPD-Ablegers. Dafür scheint er immer wieder vorsichtige Versuche zu unternehmen, sich von den radikalen Kräften, wie dem Freien Netz Süd zu distanzieren: Auf Szeneseiten kursiert die Meldung, dass der FNS-Aktivist Martin Wiese auf einer Parteiveranstaltung zur unerwünschten Person erklärt wurde und für ihn ein Auftrittsverbot bei NPD-Veranstaltungen gilt. Wiese wurde Anfang Mai wegen Bedrohung, Volksverhetzung und verfassungsfeindlicher Symbole verurteilt. Ob das Urteil rechtskräftig wird ist noch offen. Nach Aussage seines Anwalts will Martin Wiese eventuell Berufung dagegen einlegen.

Bei der Gründung eines Stützpunkts Franken/Oberpfalz der Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten soll der NPD-Landeschef Kritik am Freien Netz Süd (FNS) geäußert haben. Außerdem sind in einschlägigen Foren angebliche Zitate Ollerts im Umlauf, wonach die NPD nichts mit dem FNS zu tun haben wolle: "Wir machen keine unrechtmäßigen Sachen."

"Kleinkrieg gegen freie Kräfte"

Das Freie Netz Süd gilt als größtes Sammelbecken für die bayrische rechte Szene, ein Netzwerk für freie Kameradschaften und einzelne Neonazis. Laut Verfassungsschutz besteht der Aktivistenstamm aus 100-150 Personen. Doch das Mobilisierungspotential liegt bei bis zu 350 Personen.

Auch Daniel Weigl, Robin Siener und Simon Preisinger sind führende Aktivisten des Freien Netz Süd: Preisinger ist für Internetseite des Freien Netz Süd verantwortlich. Weigl hat einen eigenen Internetversand, mit dem er allerlei neonazistische Produkte und FNS- Propaganda vertreibt. Siener ist vor allem für die Vernetzung mit der tschechischen Neonaziszene zuständig. In ihrem Brief, der genauso wie der von Klaus Panzer auf der Internetseite des Freien Netz Süd veröffentlicht wurde, werfen sie Ollert vor, einen "Kleinkrieg gegen freie Kräfte" zu führen.

Mittlerweile hat auch Sebastian Schmaus, der neben Ralf Ollert für die NPD-Tarnorganisation Bürgerinitiative Ausländerstopp in Nürnberg im Stadtrat sitzt, seinen Austritt bekannt gegeben. Er wolle sich zukünftig in nationalen freien Strukturen engagieren, schreibt er. Heißt: im Freien Netz Süd.

Ollert braucht Freies Netz Süd

Dass sich Ralf Ollert trotz der Aus-und Übertritte so vehement gegen eine Zusammenarbeit mit dem FNS sperrt, ist letztlich auch darauf zurückzuführen, dass es von seinen politischen Gegnern gegründet wurde: 2008 hatte der radikalere und jüngere Flügel der Partei versucht Ollert als Vorsitzenden zu stürzen, weil er einigen Parteifunktionären schon damals zu brav war. Doch weil bei der Abstimmung gegen ihn keine Mehrheit zustande kam, misslang der Putsch. Die Abweichler traten daraufhin aus Protest aus der NPD aus und gründeten das Freie Netz Süd.

Seitdem spielt die NPD eine immer geringere Rolle: Die Mitgliederzahlen in Bayern sanken laut Verfassungsschutz in den vergangenen vier Jahren von mehr als 1000 auf 900. Damit ist NPD in Bayern zwar immer noch der größte Landesverband, doch mehrere Ortsverbände sind mittlerweile inaktiv. Bis heute gibt es keine eigene Immobilie, in der Veranstaltungen stattfinden könnten. Anders das Freie Netz Süd: 2010 kaufte die zum Netzwerk gehörende Kameradschaft "Freie Nationalisten Hof" ein altes Restaurant, das für Vorträge und Verbandsveranstaltungen geeignet ist. Über die Internetseite des Freien Netz Süd ist die bayrische Kameradschaftszene bestens vernetzt, sodass Aufmärsche wie zum 1. Mai in Hof problemlos organisiert werden können.

Der Landesverband schweigt

Ob Ollert das nun passt oder nicht - das Freie Netz Süd hat seine Partei längst an Bedeutung überholt. Die bayrische NPD ist auf deren Aktivisten angewiesen, die die Parteiarbeit übernehmen. Ohne sie verliert er an Einfluss in den einzelnen Regionen, wie das Beispiel in der Oberpfalz zeigt.

Die bayrische NPD steckt in der Krise - das gibt sogar Ralf Ollerts Stellvertreter Karl Richter offen zu. In einem Schreiben an die Mitglieder Vorstandes bezeichnet er im Frühjahr dieses Jahres die Bayern-NPD als "strukturell nicht kampagnenfähig". Richter wirbt dafür, stärker mit dem "parteifreien Umfeld" zu kooperieren und kritisiert Ollert dafür, dass er sich von diesem demonstrativ distanziere. Auch Karl Richter ist regelmäßig bei Aufmärschen des Freien Netz Süd zu sehen.

Zu den Austritten schweigt der Landesverband. Als sich auf dessen Facebook-Seite eine Diskussion zu dem Thema entspann, wurde sie gelöscht. Nachdem es für Ollert offenbar nicht in Frage kommt, mit den freien Kräften zusammen zu arbeiten, ist der Weg in die absolute Bedeutungslosigkeit vorgezeichnet. Landespolitisch, also im Parlament, spielte die Partei eh noch nie eine Rolle.

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