Personalpolitik in der CSU:Seehofer und seine Golden Girls

Lesezeit: 4 min

Der bayerische CSU-Landtagsabgeordnete Jakob Schwimmer und die neue CSU-Fraktionsvorsitzende Christa Stewens im bayerischen Landtag. (Foto: dpa)

Gleiches Alter, ähnliche Karrieren, unterschiedlich erfolgreich: Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Fraktionschefin Christa Stewens haben gerade eine schwere Aufgabe - sie sollen der CSU aus der Krise helfen. Doch eine von ihnen droht zu scheitern.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Christa Stewens, 67, ist ganz ruhig. Sie sitzt in ihrem neuen, großen Fraktionschef-Büro. Die Regale sind leer, der Schreibtisch ist es auch. Noch trägt hier nichts ihre Handschrift. Keine eigenen Bilder, keine Trophäen aus einem langen Politikerleben. Seit drei Wochen ist sie jetzt Fraktionschefin. Was nimmt man da mit in das neue Büro? Stewens hat Akten dabei.

Barbara Stamm, 68, kämpft, es geht um das Ansehen des Landtags, ihres Landtags. Als Freibier-Parlament wird es verspottet. Die Rechnungsprüfer hat Stamm deshalb schon im Haus. Jetzt steht Stamm vor dem Plenarsaal, ihre Stimme überschlägt sich fast. Sie versucht zu erklären, warum sie zur Affäre nichts mehr sagen will, obwohl sie Transparenz versprochen hat.

Erfahren, ausrangiert, zurückgeholt

Stamm und Stewens. Zwei erfahrene CSU-Frauen, die viel gemeinsam haben: Beide sind gleich alt, beide waren früher Sozialministerin in Bayern. Beide wurden schon mal ausrangiert. Stamm als Ministerin vor gut zehn Jahren von Edmund Stoiber in den Wirren der BSE-Krise. Stewens war damals ihre Nachfolgerin. Und Stewens wurde von Horst Seehofer ausrangiert, 2008 in den Wirren der verlorenen Landtagswahl - da war sie ihm zu alt.

In diesen Tagen verbindet sie vor allem dies: Beide Frauen hatten nicht erwartet, noch einmal so herausgefordert zu werden. Beide sind für Seehofer extrem wichtig. Aber Stewens wächst in der Krise noch einmal über sich hinaus. Stamm droht an ihr zu scheitern.

Es gibt Momente, da hat Barbara Stamm feuchte Augen. In ihr zerbricht gerade etwas, es ist die Idee einer harmonischen großen Landtagsfamilie. Je böser und neidvoller die Affäre wird, desto weniger hat sie sie im Griff. Mitunter telefoniert sie mit Ehefrauen von Abgeordneten, Vertraute erleben, dass sie das mitnimmt. Dann wird sie weich und will einfach, dass alles wieder wird wie früher.

Trotzig Schweigen und forsch Aufklären

Seit genau einem Monat weiß Barbara Stamm erkennbar nicht mehr, was sie tun soll. Die Affäre nimmt ihren Lauf am 17. April, als sie in einer Pressekonferenz eigentlich die Vorwürfe des Parteienkritikers Hans Herbert von Arnim zurückweisen will. Dessen Buch und erste Schlagzeilen dazu über angebliche Abzocker und Selbstbediener bestimmen da schon die Nachrichtenlage.

Eine Journalistin der Abendzeitung will wissen, welche Abgeordnete noch Ehefrauen und Kinder beschäftigten. Stamm verschränkt die Arme und sitzt trotzig am Tisch. "Nein, die Namen nenne ich nicht."

Auf der anderen Seite nimmt der Druck zu. Seehofer lässt immer klarer erkennen, als wie groß er die Bedrohung durch die Affäre empfindet. Dann überzieht sie in die andere Richtung, baut sich auf einmal vor der Presse auf und gibt den rücksichtslosen Aufklärer. Plötzlich nennt sie Namen betroffener Abgeordneten und wem dies nicht passe, der könne sie ja verklagen, schnaubt sie.

Bei Stewens war es, als ob ein Schalter umgelegt wird. Plötzlich ist sie wieder da und mittendrin. Vom ersten Moment an nach der Wahl zur Fraktionschefin hat sie funktioniert. Vor dem Fraktionssaal verspricht sie Aufklärung, mit "Ruhe und Gelassenheit, aber auch mit Intensität."

Dasselbe gilt für Stewens Kollegin Barbara Stamm. (Foto: dpa)

Stewens kann anders als ihre Parteifreundin Stamm sehr hart zu anderen sein. Es ist vor allem auch auf ihren Druck zurückzuführen, dass Georg Winter, der Frau und sogar seine Kinder für sich arbeiten ließ, den Vorsitz im Haushaltsausschuss wenig später abgibt und der Forchheimer Abgeordnete Eduard Nöth, seine Kandidatur zurückzieht. Er hatte seine nicht volljährigen Töchter geringfügig beschäftigt. Stewens räumt auf. "Ich will kein Rambo sein", sagt sie. Sie bekommt auch so, was sie will.

Seehofer sagt in diesen Tagen, Stewens sei Gold wert. Was er damit meint, ließ sich am Donnerstag in der Plenardebatte zum neuen Abgeordnetengesetz studieren. Sie sagt: "Es war ein Fehler, dass wir die Verhaltensregeln im Parlament nicht schon vor Jahren geändert haben", während immer noch viele Parteifreunde sich auf den Standpunkt stellen, nichts Unrechtes getan zu haben.

Während Stamm sich aufplustert und fast schon zu hyperventilieren anfängt, legt Stewens ein feines Lächeln auf und bricht damit allen schon die Wucht aller Angriffe. So hält sie auch die Fraktion nach innen zusammen, was wirklich keine leichte Aufgabe in diesen Wochen ist.

Sie tut der Fraktion gut, das spürt man jetzt schon. Ihr geschasster Vorgänger Georg Schmid redete viel und sagte wenig. Stewens sagt wenig und bewegt viel. Wenn sie sagt, sie könne unabhängig agieren, weil sie im Herbst nichts mehr werden muss, dann heißt das auch, dass Seehofer mit ihr nicht alles machen kann.

Überforderte Parteimutter

Stamm, die Parteimutter, sie will beschützen. Als neulich spät am Abend noch über Filz und Spezlwirtschaft im Plenum gestritten wurde, wurde es ihr zu bunt, als der SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib das Wort "Amigofilz" in den Saal schmetterte. "Herr Kollege, einen Augenblick bitte", meldete sie sich von ihrem Präsidetenplatz aus zu Wort: "Ich habe heute schon im Ältestenrat gesagt, dass ich hier im Plenum das Wort Amigo nicht mehr hören möchte. Ich lege großen Wert darauf, dass wir uns in der Sprache parlamentarisch verhalten." Das sorgte dann eher für Heiterkeit.

Barbara Stamm ist eine Frau, die niemanden enttäuschen will, auch nicht Horst Seehofer. Wenn es für ihn in der Partei mitunter schwierig wird, dann holt er "die Barbara" an seine Seite. Sie ist gut für das Klima. Eine Trösterin. Er hatte sie bekniet, noch einmal anzutreten.

Und er hat Stewens bekniet, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. Ein "Revival der Alten", merkt Stewens an. Es fühlt sich immer gut an, gebraucht zu werden.

Stewens hört im Herbst auf. Sie kandidiert nicht wieder für den Landtag. Das war schon lange so geplant. Kaum ist Stewens im Amt, kommen schon die bedauernden Wortmeldungen, dass sie ja leider nicht weitermachen könne. Bei Stamm ist es umgekehrt. Sie kann und will weitermachen. Aber bei ihr sagen die eigenen Leute: Mal sehn, was kommt.

© SZ vom 18.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: