Perchtenläufe:Der Maskenmann aus Marktschellenberg

Woodcarver Specializes In Krampus Masks

Richard Kranawetvogl fertigt die Masken für die Perchten.

(Foto: Johannes Simon/Getty Images)
  • Richard Kranawetvogl schnitzt auf einem einsamen Hof Larven für die Perchten im Berchtesgadener Land.
  • Der 43-Jährige ist allerdings bei den Perchtenläufen nicht mehr dabei.
  • Seine Masken haben eine breite Fangemeinde - sogar nach Amerika hat er sie schon verschifft.

Von Matthias Köpf, Marktschellenberg

Unten im Tal liegt der Nebel dicht über der Berchtesgadener Ache, und darüber hüllt sich der Untersberg in weiße Wolkenfetzen und in seine alten Sagen und Geschichten. In die von der Wilden Jagd zum Beispiel, die in diesen Nächten unversehens wieder durch die Dörfer toben kann drüben auf der Salzburger Seite, in Grödig oder in Glanegg.

Auch hier herüben, an einem einsam gelegenen Hof an der Nordwestflanke des Brändlbergs, fletschen grässliche Fratzen die Zähne. Richard Kranawetvogl streicht dem Wolf übers Fell. Er kennt seine Züge genau, jeden Zahn des Wolfsgesichts und auch jede Falte im Augenwinkel dieses Saukopfs mit den vier prächtigen Eber-Hauern und den Schafs- und Geißbockhörnern.

Der Wolf hat zwei seiner ursprünglich vier Hörner schon eingebüßt. "Über den haben sie heuer grausig geschimpft", sagt Kranawetvogl, der den Holzofen in seiner Werkstatt so gut eingeschürt hat, dass er im T-Shirt arbeiten kann. Dem jungen Burschen drunten in Berchtesgaden haben sie die Hörner mit der Flex von seiner neuen Wolfs-Larve geschnitten, erzählt Kranawetvogl. Er selber hält das für ein bisschen überzogen, aber in solchen Angelegenheiten herrschen eben raue Sitten, auch wenn dieses Wort mit den Raunächten sprachlich gar nichts zu tun hat.

Wie die Horrorgestalten in einem Fantasy-Film

Kranawetvogl hat die Hörner-Stümpfe abgenommen, die passgenau eingefrästen Nuten im Holz herausgeschnitzt und ein bisschen Fell darüber befestigt. Der Wolf sieht jetzt aus, als ob er immer schon so ausgesehen hätte: Ein bisschen nach einer Horrorgestalt aus einem Fantasy-Film. Aber die Gestalten der Filmemacher sind ja auch von irgendwas inspiriert. Von den Berchtesgadener Perchten-, Buttenmandl- und Krampusmasken zum Beispiel, wie Richard Kranawetvogl sie in seiner Werkstatt oberhalb von Marktschellenberg schnitzt.

Ihm selber wäre das mit den abgeflexten Hörnern damals, als er noch selber mitlief, nicht passiert, bekräftigt Kranawetvogl noch. Bei den Larven in Berchtesgaden ziehe sich das Holz nicht wie ein Helm über den Hinterkopf wie mancherorts in Österreich. "Damit sie schneller herunten sind, wenn es dann zum Raufen wird." Frauen beziehungsweise "Weiberleit" kann man da natürlich nicht brauchen, und für Verheiratete ist das auch nichts mehr, da sind sie in Berchtesgaden noch eigener als anderswo. Richard Kranawetvogl wird bald 43; die Jahre, in denen er noch in einer der "Passen" genannten Gruppen mitgelaufen ist, sind vorbei.

Wenn er die Fotos auf seinem Smartphone durchwischt, wechseln sich Aufnahmen von grausigen Masken mit solchen von seiner vierjährigen Tochter Josefa ab. Insgesamt sei heute aber alles schon ziemlich gediegen, und in die erste Reihe müsse sich ja niemand stellen, der keine blauen Flecken von den geflochtenen Ruten haben wolle. Und die Passen halten auch zusammen. Den neuen durchkommerzialisierten Berchtesgadener Weihnachtsmarkt hätten sie in ihren Larven nur betreten, wenn es gar nicht anders gegangen sei.

Kranawetvogl schnitzt auf eigene Rechnung

Mit dem Krampuslaufen und dem Perchtengehen angefangen hat Richard Kranawetvogl als Jugendlicher, so wie alle, und irgendwann hat er sich damals einen neuen Krampuskopf bestellt, doch der Schnitzer hat ihn warten lassen. "Das kann ich selber auch", hat sich der gelernte Schreiner Kranawetvogl irgendwann gedacht und sich in der Werkstatt eines Bekannten zeigen lassen, wie man aus einem Stück Holz eine Furcht einflößende Fratze macht. Sein erstes Stück hat der Bekannte dann gleich im eigenen Holzbildhauer-Laden verkauft und das nächste Dutzend auch. Seither schnitzt Kranawetvogl auf eigene Rechnung, wenn er nicht drunten im Tal seinem Brotberuf nachgeht.

Die Masken, die er heroben in seiner Werkstatt macht, entsprechen exakt den strengen Berchtesgadener Vorstellungen von einem Perchten- oder einem Krampuskopf - oder sie tun es eben nicht, wie sich an der Wolfsmaske gezeigt hat. Er richtet sich da ganz nach der Kundschaft, und der Wolf, der da jetzt zur Reparatur auf seiner Werkbank liegt, ist für ein Buttenmandl schon "recht bös", wie er zugibt. Die Buttenmandln gibt es nur in Berchtesgaden, sie sind in Stroh gehüllte Begleiter des Nikolaus, von denen einer einen teufelsartigen Kopf und die anderen Tierköpfe haben müssen, sagt Kranawetvogl. Das mit dem Tier hätte bei dem Wolf immerhin gestimmt, aber bemalt war er dann vielleicht doch zu sehr à la Herr der Ringe.

Viel Durcheinander bei den Perchten

Aber mittlerweile geht das für Richard Kranawetvogls ganz privaten Geschmack ohnehin alles ein bisschen zu sehr durcheinander. Die Perchten zum Beispiel, die längst auch draußen im Alpenvorland bis nach München hinein im Advent ihr Wesen treiben, die gehören für Traditionalisten eigentlich in die Raunächte zwischen Heiligabend und Dreikönig, in denen damals der Vater nach einem Rosenkranz mit dem Weihrauch auf der heißen Pfanne um den Hof gegangen ist. Die Gestalten sollten mit ihren schweren Glocken den Winter austreiben, so heißt es oft.

Die Kirche hat derlei Umtriebe nicht gerne gesehen. Anfang des 18. Jahrhunderts habe der Erzbischof drüben in Salzburg ein paar Burschen deswegen an den Schandbrunnen stellen lassen, erzählt Kranawetvogl, dessen Bairisch in der Klangfarbe hörbar von der Nähe zum Nachbarland geprägt ist.

Halloween könnte zum neuen Geschäftsfeld werden

Aber als Begleiter des Nikolaus sind die Perchten inzwischen quasi christianisiert, und wenn das mit Halloween so weitergeht, dann wird sich Kranawetvogl womöglich bald ein weiteres Geschäftsfeld erschließen können. So wie die alemannische Fastnacht mit ihrem festen Kanon von Hexengestalten. Die Auswahl wird dort mittlerweile manchen zu klein; dann bestellen sie bei Richard Kranawetvogl in Marktschellenberg einen Satz ganz neuer, selbst entworfener Hexen, die von Hand geschnitzt sind und nicht aus der alles nur noch weiter normierenden computergesteuerten Fräse kommen.

Seine Perchten macht Kranawetvogl aus einem verleimtem Klotz aus Weymouth-Kiefer oder Zirben. Er mag den Geruch, und das Lindenholz der Holzbildhauer und der Herrgottschnitzer ist für Larven sowieso zu schwer und für die grobe Bearbeitung mit dem Schnitzeisen zu hart. Und zu ziseliert sollen die Perchten ja auch nicht sein. Eine grobe Nase und große Zähne sind Standard, dazu zwei paar Geißbock- und ein paar Widderhörner. "Das ist Gesetz eigentlich, aber da halten sich nicht mehr viele dran", sagt Kranawetvogl.

Doch die Hörner kommen zum Schluss, zuerst holt er die Konturen mit der elektrischen Kettensäge aus dem Klotz, danach kommen die groben Eisen und dann immer feinere für die Gesichtszüge. Dann höhlt Kranawetvogl die Larve von hinten aus, und nach acht oder zehn Stunden kann er sie zum ersten Mal probeweise aufsetzen. Er habe einen ziemlich durchschnittlichen Kopf, sagt er. Es folgen die Sehschlitze, die Hörner, manchmal Glaskugeln für die Augen, manchmal nur gemalte, und manchmal baut Kranawetvogl auch Leuchtdioden ein, aber nur solange sein Vorrat noch reicht, denn in Zukunft wird er seine Larven höchstens noch für die LED-Ausrüstung vorbereiten.

Die Hörner bestimmen den Preis für die Masken

Die fertigen Dioden-Sets sollen sich die Kunden dann selber besorgen, ihm werden die dauernden Reklamationen wegen der Elektronik zu viel. Das Fell, oft Schaf und meistens Ziege, besorgt er sich bei einem Bauern in St. Johann. Für die Hörner hat er ähnliche Quellen, etliche Paar lagern in seiner Werkstatt.

Die Hörner bestimmen auch den Preis für die Larven, die ohne alles rund 500 Euro kosten. Ein Paar kleinere Kuhhörner gibt es für 20 Euro, für ein Paar Geißbockhörner von einem Meter Länge werden schon mal 1300 Euro oder noch mehr an Aufpreis fällig. Den "Dino", seinen ältesten eigenen Geißbock draußen auf der Weide, hat er neulich gemessen, der ist gerade bei 93 Zentimetern. Aber diese Larve werde er dann wohl selber behalten, sagt Kranawetvogl. Und die zwei Böcke, die ihm vor zwei Jahren ausgekommen sind und seither am Brändlberg herumstreifen und sich einfach nicht einfangen lassen wollen, die wird er sich wohl bald vom Jäger schießen lassen. "Ich brauch die Hörndl", sagt er.

Von den 20 Larven, die Richard Kranawetvogl pro Saison ungefährt schnitzt, gehen manche auch zu Marktschellenberger Exilanten in Hannover, und zwei hat er neulich sogar nach Minnesota verschiffen lassen, ohne Hörner allerdings, denn sonst müssten sie als tierische Produkte in Quarantäne. Und die Larven dahinten? Sind das jetzt Buttenmandln oder Perchten? "Da, wo die hinkommen, da spuit's koa Rolln", sagt Richard Kranawetvogl. "Die kemman auf Minga auffi."

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