Passau/Ingolstadt:Da geht noch was

Die "Passauer Neue Presse" kauft den "Donaukurier" und wächst damit kräftig. Warum sich der Ingolstädter Verleger auf den Deal einließ, bleibt unklar

Von Andreas Glas und Uwe Ritzer, Passau/Ingolstadt

Am Tag danach ist das Staunen immer noch groß bei den Mitarbeitern der Passauer Neuen Presse (PNP). Als sich die Belegschaft am Dienstag zur kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung traf, "wusste keiner, worum es geht", sagt ein PNP-Redakteur. Umso größer war die Überraschung über die Nachricht, die Verlegerin Simone Tucci-Diekmann verkündete: Die PNP-Verlagsgruppe kauft den Ingolstädter Donaukurier - und schraubt ihre Auflage von gut 162 000 Exemplaren auf fast 250 000 Stück hoch. Der Kauf macht die PNP mit einem Schlag von der viertgrößten zur zweitgrößten Regionalzeitung Bayerns. Doch am Tag nach der Übernahme wird nicht nur gestaunt in Passau, es wird auch gerätselt: Was bezweckt PNP-Verlegerin Tucci-Diekmann mit dem Donaukurier-Deal?

Anders als der kantige Zeitungsgründer Hans Kapfinger (1902-1985) brachte Tucci-Diekmann, 43, nur wenig journalistische Kompetenz mit, als sie vor sieben Jahren die Geschäftsführung der Verlagsgruppe übernahm. Bei ihrem Antritt nannte sie vor allem ein großes Ziel: Wachstum. Insofern ist es konsequent, dass das Passauer Verlagshaus seine Einkaufstour in Bayern fortsetzt, nachdem das Haus unter anderem das Trostberger Tagblatt (2012), das Reichenhaller Tagblatt und den Freilassinger Anzeiger (2014) geschluckt hat. "Durch Zukäufe will die PNP ausgleichen, dass ihr zu Hause die Leser weglaufen", sagt ein Insider. "Kaum auszumalen, wie unsere Auflage ohne Zukäufe ausschauen würde", zitiert ein Teilnehmer der Betriebsversammlung die Verlegerin Tucci-Diekmann.

Passau/Ingolstadt: Das Verlagshaus in Passau ist nun Zentrum der zweitgrößten bayerischen Regionalzeitung. An erster Stelle steht die "Augsburger Allgemeine".

Das Verlagshaus in Passau ist nun Zentrum der zweitgrößten bayerischen Regionalzeitung. An erster Stelle steht die "Augsburger Allgemeine".

(Foto: Aconcagua / CC-BY-SA 2.5)

Während die PNP in den vergangenen Jahren an Auflage verloren hat, konnte der Donaukurier als eine der wenigen Regionalzeitungen sogar leicht zulegen. Der Auflagenschwund kratzt am Selbstbewusstsein der PNP, die unbestritten versucht, sich in der großen Politik zu profilieren. Sie strebt danach, von Agenturen zitiert zu werden, lädt bekannte Persönlichkeiten zu Gesprächsrunden ein, versucht im Konzert der überregionalen Blätter mitzuspielen - und vernachlässigt das Lokale, sagen Kritiker. Dabei ist das Kernverbreitungsgebiet der PNP nach wie vor der ländliche Raum. Dort allerdings sind die Bevölkerungszahlen rückläufig - und damit die Zahl potenzieller Leser. Im Gegensatz zum Raum Ingolstadt, der kräftig wächst. "Dort oben ist halt noch was möglich", sagt ein PNP-Redakteur über das Potenzial, das Verlegerin Tucci-Diekmann offenbar im Kauf des Donaukuriers sieht. Sie selbst war am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme erreichbar, überhaupt äußert sich die 43-Jährige nur selten öffentlich.

Auch in Ingolstadt stieß die Übernahme auf große Überraschung. Weil es in den vergangenen Jahren so aussah, als habe Georg Schäff Vergnügen an seiner Rolle als Zeitungsverleger. 2004 hatte er den Herausgeber-Posten gemeinsam mit seiner Großmutter Elin Reißmüller übernommen, seit deren Tod 2009 hat er das alleinige Sagen. Und er mischte sich kräftig ein, schasste mehrere Chefredakteure. Schäff wetterte auch öffentlich gegen das Leistungsschutzrecht und ließ als Zeichen des Protestes 2007 in einer spektakulären Aktion die Titelseite des Donaukuriers schwarz einfärben. Engagiert gerieten seine Aufrufe, sich der digitalen Medienwelt zu öffnen, "zu "handeln und nicht zu heulen". Meinungsfreudig und pointiert äußerte er sich auch zu Google View, Vorratsdatenspeicherung oder bürgerlichen Freiheitsrechten.

Passau/Ingolstadt: Die Passauer Verlegerin Simone Tucci-Diekmann übernimmt den "Donaukurier".

Die Passauer Verlegerin Simone Tucci-Diekmann übernimmt den "Donaukurier".

(Foto: PNP)

Diese öffentliche Präsenz passt so gar nicht zum Auftreten seiner Familie. Die Schäffs mit Stammsitz im mittelfränkischen Treuchtlingen sind eine verschwiegene Familienunternehmer-Dynastie. Ihr gehört eines der größten deutschen Getränkeimperien, ein extrem verschachteltes und stetig wachsendes Konglomerat an Firmen, die hauptsächlich Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke herstellen. Die meisten Schäff-Getränke werden unter Handelsmarken von Discountern und Supermarktketten verkauft.

Wie hoch der Umsatz der Firmengruppe ist und wie viele Menschen für die Schäffs arbeiten, ist von außen seriös schwer abzuschätzen; selbst altgediente Branchenkenner trauen sich nur oberflächliche Schätzungen zu. Firma und Familie sind extrem verschlossen. Der letzte nennenswerte öffentliche Auftritt war ein unfreiwilliger: In den Achtzigern musste der heute noch lebende Firmenpatriarch Fritz Schäff wegen eines Verstoßes gegen das Reinheitsgebot in seiner Treuchtlinger Brauerei zu einer happigen Geldstrafe verurteilt. Die Brauerei gibt es inzwischen nicht mehr.

Passau/Ingolstadt: Familienunternehmer Georg Schäff: Seine Mitarbeiter fürchten nun drohende Sparmaßnahmen und einen Stellenabbau.

Familienunternehmer Georg Schäff: Seine Mitarbeiter fürchten nun drohende Sparmaßnahmen und einen Stellenabbau.

(Foto: Donaukurier / oh)

Als Georg Schäff den Mitarbeitern des Donaukuriers am Dienstag die Nachricht vom Verkauf mitteilte, soll er geweint haben. Und er betonte, dass durch den Verkauf die Zukunft des Ingolstädter Blattes gesichert sei. Wirklich glaubhaft konnte er dies aber offenbar nicht vermitteln. In der Redaktion des Donaukuriers herrscht seit Dienstag die Angst vor Stellenabbau und Sparmaßnahmen.

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