Parteitag:Szenen einer Ehe

Wenn Horst Seehofer heute bei Angela Merkels CDU antritt, droht Ärger: Die gegenseitigen Besuche der Parteichefs sind immer schon knifflig gewesen.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl

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CDU-PARTEITAG MERKEL MIT STOIBER

Quelle: DPA

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Sollte Horst Seehofer mulmig sein vor diesem Dienstag, so lässt er sich zumindest nichts anmerken. Der CSU-Chef vermittelt sogar den Eindruck, er freue sich auf seinen Auftritt beim CDU-Parteitag in Karlsruhe. Der Schwesterpartei schickte er bereits einen Gruß. Er wünsche einen guten Parteitag - "trotz meiner Anwesenheit". Es ist eine lockere Anspielung auf den Auftritt von CDU-Chefin Angela Merkel beim CSU-Parteitag vor gut drei Wochen. Die CDU wähnte die Kanzlerin schlecht behandelt. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Auch die CSU-Vorsitzenden hatten es bei Merkels CDU nicht immer leicht.

Essen, 2000: Spätestens jetzt weiß Angela Merkel, was es heißt, CDU-Chefin zu sein. Edmund Stoiber hat beim ersten Gastbesuch Geschenke mitgebracht: Boxhandschuhe, Masskrug, Regenschirm. Die Boxhandschuhe für den immerwährenden Kampf gegen die kleine Schwester; den Masskrug, um den Ärger über die Bayern hinunterzuspülen; den Regenschirm, weil die CSU einen im Regen stehen lassen kann. Oder doch nicht? Die offizielle Version klingt natürlich anders: Die Boxhandschuhe soll der politische Gegner zu spüren bekommen (nein, nicht die CSU), der Masskrug soll an die Lufthoheit über den Stammtischen mahnen, der Regenschirm dient als Symbol für Zuverlässigkeit. Noch scheint Merkel daran zu glauben.

Edmund Stoiber und Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg, 2001

Quelle: Sven Simon

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Dresden, 2001: 6:33 zu 6:48 Minuten? 6:28 zu 6:50? 6:34 zu 6:47? Die exakten Zeitangaben weichen je nach Medium ab, doch alle Stoppuhren weisen Stoiber als Sieger aus. Der CSU-Chef bekommt einen längeren Applaus als Merkel. Auf einem CDU-Parteitag! "Ich sollte hier ja nur ein Grußwort sprechen", sagt Stoiber bescheiden. Was heißt nur? Bei Stoiber dauern selbst Grußworte 80 Minuten. Merkel bekommt in Dresden einen Vorgeschmack auf das legendäre Wolfratshauser Frühstück. Dort darf sie Stoiber ein paar Wochen später die Kanzlerkandidatur servieren.

FOTOPREIS "RÜCKBLENDE" FÜR DPA-BILDJOURNALISTIN

Quelle: dpa

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Hannover, 2002: Stoiber ruft die Union zur Geschlossenheit auf. Was man halt so sagt, wenn man eine Wahl verloren hat. Merkel? Ihre Zeit kommt.

Leipzig, 2003: Merkels Zeit ist da. Stoiber auch, aber keiner interessiert sich mehr für ihn. Aber halt, etwas war noch. Wieder geht es um Applaus, nur anders als vor zwei Jahren. Der CSU-Generalsekretär, ein junger Mann namens Markus Söder, und der JU-Chef, ein gewisser Manfred Weber, beschweren sich, ihr Chef Stoiber sei von der CDU beim Klatschen boykottiert worden. "Völliger Quatsch", "Verfolgungswahn", schallt es zurück. Merkel schweigt. Und genießt vermutlich. Eine weitere Kanzlerkandidatur Stoibers hat sich erledigt.

Bundestagswahl historisch

Quelle: Kai Pfaffenbach/dpa

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Düsseldorf, 2004: Die CDU-Delegierten beklatschen Stoiber wieder standesgemäß. Manche rufen "Bravo". Stoiber holt Merkel beim Schlussapplaus trotzdem sofort neben sich. Seine Krawatte ist in der CDU-Farbe orange gehalten. Sicher ist sicher.

Dortmund, 2005: Die CDU hebt Merkel auf den Kanzlerkandidatinnen-Schild. Stoiber spricht. Merkel dankt. Routine.

CSU Parteitag - Merkel und Stoiber

Quelle: dpa

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Dresden, 2006: Gleicher Ort, falsche Zeit: Wie gern wird Stoiber an den Auftritt in Dresden vor fünf Jahren zurückgedacht haben, als die CDU ihm eifrig zujubelte. Doch diesmal ist er nicht als Kanzler in spe zu Gast, sondern als Ex-Superminister, der sein Amt in Berlin nie angetreten hat. Stoiber zieht in den Saal ein, die Delegierten lesen Zeitung. Auch eine Botschaft.

Gemeinsame Präsidiumssitzung CDU/CSU -Merkel Huber

Quelle: dpa

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Hannover, 2007: Wer den Kopf aus der Zeitung wieder gehoben hat, reibt sich verwundert die Augen. Irgendwie ist der CSU-Chef ein anderer geworden: nicht mehr so brüllend laut, nicht mehr so leidenschaftlich attackierend, sondern irgendwie: nett? Die CDU muss sich an ein neues Gesicht gewöhnen. Nicht der gestürzte Stoiber, sondern Erwin Huber aus dem niederbayrischen Reisbach macht der Schwester seine Aufwartung. Der enge Schulterschluss sei ihm ein Anliegen gewesen, sagt Huber.

Am Ende steigt er auf einen Stuhl und lässt sich dankbar feiern. Was Merkel unter Schulterschluss versteht, erfährt die CSU erst später im Landtagswahlkampf bei der Pendlerpauschale. Sie zeigt die kalte Schulter und macht Schluss mit den Wünschen der CSU.

CSU-Parteitag in Nürnberg

Quelle: Daniel Karmann/dpa

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Stuttgart, 2008: Auch deshalb ist dieser freundliche Mann aus Reisbach schon wieder Geschichte. Der neue CSU-Chef heißt Horst Seehofer, und der lässt sich gleich mal entschuldigen. Offiziell verweist er als Ministerpräsident auf Verpflichtungen bei der Rettung der BayernLB. Tatsächlich will er Merkel nicht gleich die Aufwartung machen, wo die CSU der Kanzlerin doch eine Mitschuld am Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern gibt. Also schickt Seehofer den CSU-Vize Peter Ramsauer - allerdings nicht, ohne vorher via Interview die Steuerpolitik Merkels als "schlicht und einfach falsch" abzukanzeln. Für den armen Ramsauer ist das eine denkbar ungünstige Ausgangslage. Sein Applaus: 20 Sekunden.

Karlsruhe, 2010: Aber die CDU kann auch noch gemeiner sein: Ganze eineinhalb Stunden muss Seehofer in Karlsruhe warten. Erst einmal wollen die Delegierten in Ruhe über Präimplantationsdiagnostik (PID) reden. Als der CSU-Chef dann endlich die Bühne betreten darf, umweht ihn eine eisige Kälte - zumindest von den anwesenden CDU-Delegierten. Viele sind verärgert über manche Vorstöße des bayerischen Ministerpräsidenten. Andere sind einfach zum Essen gegangen, während Seehofer spricht. Die Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik hat schließlich Kraft gekostet.

Auftakt CSU-Parteitag

Quelle: Daniel Karmann/ dpa

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Leipzig, 2011: Eine derart tiefe Verbeugung, wie Seehofer sie diesmal vor der CDU-Chefin macht, dürfte einzigartig sein in der Geschichte der beiden Schwesterparteien. Allerdings hält sich bei den Delegierten bis zum Schluss hartnäckig der Eindruck, die Lobhudelei sei nicht zur Gänze frei von Ironie gewesen. Gut möglich: Anstatt auf großer Bühne zu sprechen, darf er am Delegiertenabend reden. Was wie ein Privileg aussieht, ist eine undankbare Aufgabe: Gefühlt 200 Meter ist der Gang mit den Delegierten lang, lediglich in den ersten fünf Reihen ist Seehofer überhaupt zu verstehen. Als der Lärm zu groß wird, bricht er nach wenigen Minuten ab.

Hannover, 2012: Gerade mal 20 Minuten spricht Horst Seehofer, doch immerhin: Es sind unterhaltsame 20 Minuten. Der CSU-Chef gibt den fidelen Polit-Opa. Während der Anreise habe er mit seinen Begleitern darüber gesprochen, ob es in der CSU schon mal ein so "kubanisches Wahlergebnis" gegeben habe, sagt er mit Blick auf Merkels fast 98 Prozent vom Vortag. Die CSU werde vorerst ein schnurrendes Kätzchen und kein brüllender Löwe mehr sein, verspricht Seehofer. Doch "die Abteilung Unterwerfung", von der er spricht, hat keine große Zukunft.

CSU-Parteitag

Quelle: Sven Hoppe/dpa

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Köln, 2014: Seehofer muss absagen, er ist erkältet. Schade, das hätte nämlich interessant werden können. Die CDU ist über die Man-spricht-deutsch-Politik der Schwester ziemlich verärgert. Statt Seehofer fährt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nach Köln. Doch entgegen seiner Gewohnheit sagt er nichts. Hämischer Kommentar aus der CDU-Spitze: "Er hat sich nicht zu fragen getraut, ob er reden darf."

Karlsruhe, 2015: Obwohl intern wegen ihrer Flüchtlingspolitik kritisiert, muss Merkel den Jubel ihrer Partei nach achteinhalb Minuten abwürgen. Seehofer darf an diesem Dienstag ran. Das wird nicht leicht für ihn.

© SZ vom 15.12.2015/vewo
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