Parteitag für ungültig erklärt:Ein Scherbenhaufen namens Linkspartei

Es war ein chaotischer Landesparteitag der bayerischen Linken 2010 in Schwaben. Nun ist er von der Landesschiedskommission im Nachhinein für ungültig erklärt worden - und damit auch die Wahl des Vorsitzenden.

Uwe Ritzer

Viel hätte nicht gefehlt, und einige wären sich an die Gurgel gegangen. Es reichte auch so schon. Als Parteichef Klaus Ernst ans Rednerpult trat, verließ ein Drittel seiner Genossen unter wütendem Protest den Saal. Es war ein chaotischer Landesparteitag der bayerischen Linken Anfang Dezember 2010 im schwäbischen Asbach-Bäumenheim, der entsprechend hohe Wellen schlug. Nun wurde der Parteitag nach Informationen der Süddeutschen Zeitung von der Landesschiedskommission der Linken im Nachhinein für null und nichtig erklärt. Und damit auch die Wahl des amtierenden Landeschefs Xaver Merk und der Landesschatzmeisterin.

Bayerischer Landesparteitag der Partei Die Linke - Ernst

Bayerns Linke, die mit Klaus Ernst sogar den Bundesvorsitzenden stellt, ist auf dem besten Wege, sich politisch lächerlich und überflüssig zu machen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Montagmorgen weiß Xaver Merk von nichts - oder aber er gibt sich nur unwissend. Dabei fiel die Entscheidung der Landesschiedskommission bereits am Sonntag. Damit folgte das Gremium mehreren Anträgen von Kreisverbänden und einzelnen Parteimitgliedern. Sie hatten diese vor allem damit begründet, dass bei Abstimmungen auf dem Parteitag teilweise mehr Stimmen gezählt wurden, als stimmberechtigte Delegierte anwesend waren. Zwar hatten Genossen das Parteitagspräsidium auf die offenkundig unkorrekten Abstimmungen hingewiesen, jedoch ohne Erfolg. Da könne man nichts machen, und bei korrekter Wahl gäbe es auch keine anderen Mehrheiten, hatte man Einwände lakonisch abgetan.

Mit der Entscheidung vom Sonntag erreichen die seit Jahren anhaltenden Grabenkämpfe im Landesverband von Bundesparteichef Klaus Ernst einen neuen Höhepunkt. Landeschef Merk, ein Gewerkschafter aus Neu-Ulm, der als Gefolgsmann von Ernst gilt, kündigte am Montag Gegenwehr an. "Wenn die Landesschiedskommission tatsächlich so entschieden hat, dann wird das bei der Bundesschiedskommission angefochten", sagte Merk der SZ.

Er selbst gehe davon aus, in einer Landesvorstandssitzung am Samstag zumindest kommissarisch als Landeschef eingesetzt zu werden. "Ob ich derzeit amtiere oder nicht, weiß ich nicht", sagte Merk. Eva Mendl, die als Landessprecherin die weibliche Hälfte des linken Spitzenduos bildet, wollte auf Anfrage nichts sagen. "Ich weiß nichts von dieser Entscheidung", behauptete sie. Mendl steht in der Kritik weil sie als gewählte Landeschefin gleichzeitig als Mitarbeiterin von Parteichef Ernst angestellt ist.

Nun droht den hoffnungslos zerstrittenen bayerischen Linken eine neue Zerreißprobe. Allmählich werden parteiintern sogar Zweifel laut, ob der Landesverband überhaupt noch lange besteht. Ausgerechnet die Bundesschiedskommission der Linken befeuert diese Debatte. Sie musste über eine Beschwerde des Rosenheimer Genossen Sepp Obermeier befinden, der das Auswahlverfahren des Landesvorstands bei der Neubesetzung des hauptamtlichen Landesgeschäftsführerpostens angefochten hatte. Obermeier, der sich selbst um die Stelle beworben hatte und als Kritiker von Teilen der Landesspitze gilt, hält das Prozedere für willkürlich. Nicht Qualifikation, sondern sachfremde Erwägungen hätten eine Rolle gespielt. So seien bayerische Bewerber für den Posten von vornherein ausgeschlossen worden.

Merk bestritt dies auf Anfrage. Doch Zeugen bestätigen, dass Merk bei einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht genau das bestätigt habe. Dabei ging es um eine einstweilige Verfügung, die Obermeier gegen seine Partei erlassen haben wollte. Damit scheiterte er zwar, und auch die Bundesschiedskommission wies seine Beschwerde zurück - allerdings aus rein formalen Gründen. "Unabhängig von diesem Ergebnis", sah sich die Kommission jedoch zu einem "klarstellenden Hinweis" veranlasst, der nichts anderes ist als ein massiver Rüffel für die verantwortlichen bayerischen Genossen.

Es entspreche nicht den Ansprüchen der Linken an sich selbst, "wenn ein Landesverband, wie in dem vorliegenden Verfahren geschehen, sich auch nur den Anschein gibt, im Rahmen einer Stellenbesetzung politisch unbequeme Mitglieder auszugrenzen und sich von sachfremden und willkürlichen Erwägungen leiten zu lassen", schrieb die Kommission. Sollten Obermeiers Vorhaltungen stimmen, wäre dies "ein schwerer Verstoß gegen die Ordnung der Partei, der im Wiederholungsfall sogar die Auflösung des Landesverbands rechtfertigen könnte".

Starker Tobak. Dass ein Organ einer Bundespartei einem Landesverband mit dessen Auflösung droht, dürfte in der deutschen Parteienlandschaft einmalig sein.

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