Parteitag der Piraten:Im Selbstfindungsprozess

Die bayerischen Piraten sind der größte Landesverband - um ihre Positionen müssen sie aber noch ringen: Jeder darf alles zu allem sagen, das ist das Prinzip der Piraten, dem sie auch beim Landesparteitag in Straubing folgen. Doch mancher macht von seinem Rederecht öfter Gebrauch, als anderen lieb ist.

Wolfgang Wittl, Straubing

Basisdemokratie kann manchmal anstrengend sein, der Antrag A09 15.3. zum Positionspapier P82 ist so ein Fall: Immer würden nur die kleinen Leute belastet, nie die Arbeitgeber, ruft der Mann am Mikrofon. Daher sei es an der Zeit, dass endlich eine Maschinensteuer eingeführt werde: "Die bringen auch eine Leistung, dann soll man dafür auch eine Steuer bezahlen." Weiter hinten, am anderen Mikrofon formieren sich bereits die Bedenkenträger zur Gegenrede. Es könnte wieder länger dauern.

Jeder darf alles zu allem sagen, das ist das Prinzip der Piratenpartei, dem sie auch am Wochenende bei ihrem Landesparteitag in Straubing folgt. Mancher macht von seinem Rederecht öfter Gebrauch, als anderen lieb ist; mitunter kommt einem die Zeitbegrenzung auf eine Minute pro Beitrag arg großzügig vor. "Es geht weder schnell noch einfach", sagt Stefan Körner, der bayerische Landesvorsitzende. Aber das mache die Piraten aus: Jede Meinung wird gehört. Um jeden der 160 Anträge behandeln zukönnen, haben sie den Parteitag am Sonntag um eineinhalb Stunden vorverlegt.

Die Piraten befinden sich im Selbstfindungsprozess, das gibt Körner unumwunden zu. Ihre grundsätzlichen Ziele - Freiheit im Internet, Schutz der Privatsphäre, freier Zugang zu Bildung, politische Transparenz - sind bekannt. Nun geht es darum, mit Blick auf die Bundes- und Landtagswahlen 2013 das Profil zu schärfen und sich weitere Positionen anzueignen. "Die Wähler wollen wissen, wofür wir stehen", sagt Körner.

Doch je schneller sich die Piraten festlegen, desto mehr verfliegt der Charme des Unbekannten, der sie von anderen Gruppierungen unterscheidet. Die Piraten verstehen sich als Mitmachpartei im ständigen Aufbruch. Auch deshalb bremst Körner bei der Ausweitung des Programms, er sagt: "Lieber weniger Angebote, die aber sauber definiert und realisierbar."

Staunen über den eigenen Erfolg

Über ihren Erfolg staunen die Piraten bisweilen selbst. Der bayerische Landesverband hat sich innerhalb eines halben Jahres fast verdoppelt, mit 4800 Mitgliedern ist er der größte in Deutschland. Vor zwei Jahren habe er gedacht, die Zukunft der Partei sei offen, sagt Körner. Heute sei er sich sicher, dass es sich um mehr als ein Phänomen handele. Die Umfragen sehen die Piraten in Bayern bei etwa fünf Prozent, Körner ist vom Einzug in den Landtag überzeugt. Andere Parteien suchten bereits das Gespräch und seien neugierig, was da auf sie zukommt.

Wenn die Piraten das selbst nur wüssten. Die mehr als 200 Mitglieder, die im Magnobonus-Markmiller-Saal der Barmherzigen Brüder unter einem drei Meter hohen Jesuskreuz debattieren, sind zwar überwiegend schwarz gekleidet, verkörpern jedoch eine bunte Mischung - vom Althippie in Motorradkluft bis zum sakkotragenden Juristen. Auf einer Leinwand blinken die neuesten Twitter-Meldungen auf, die Dichte an Laptops und iPads im Saal dürfte allenfalls in Silicon Valley höher sein. Immerhin: Abgestimmt wird mit Papierzetteln.

Der Parteitag spricht sich für "freie Hochschulbildung für alle" aus, für "nachhaltige, dezentrale und umweltfreundliche Energieversorgung" und "fahrscheinlosen Nahverkehr". Auf zwei weiteren Parteitagen im September und Oktober soll abgestimmt werden, ob die Anträge ins Landesprogramm aufgenommen werden. Die Einführung einer Maschinensteuer wird dann nicht mehr auftauchen. Antrag A09 15.3. wurde nicht einmal zur Abstimmung zugelassen.

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