Parteistreit:Fremdschämen bei der Augsburger CSU

Armes Deutschland, armes Augsburg: Die CSU streitet um eine ausländerfeindliche Anmerkung. Nun halten Parteileute aus Protest ihre Mitgliedsbeiträge zurück - und manch einer schämt sich bereits, so einem Bezirksverband anzugehören.

Stefan Mayr

Das Leben könnte so schön sein in Augsburg: Seit fünf Wochen kicken die Fußballer in der Bundesliga. Seit 14 Tagen gibt es einen Apple-Shop in der Stadt (was nicht einmal Berlin, Stuttgart oder Nürnberg bieten können). Und die Staatsregierung pumpt Geld nach Augsburg wie lange nicht mehr. Eigentlich könnten die Lokalpolitiker der CSU einander auf die Schultern klopfen und in der Sonne des Erfolgs gelassen der Wiederwahl entgegen blinzeln. Aber was geschieht im kleinsten aller CSU-Bezirke? Trotz aller Erfolge wird mehr gestritten denn je. Offene Briefe und juristische Schriftsätze werden hin- und hergeschickt, Mitglieder und Wähler wenden sich schon jetzt mit Grausen ab.

Diskussion Söder - Köhler

Ausländerfeindliche Äußerung oder Lappalie? In der CSU in Augsburg wird erneut heftig gestritten.

(Foto: dpa)

Die nächste Eskalationsstufe zünden zwei Briefe, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Darin attackieren der zweite Bürgermeister Hermann Weber und der ehemalige CSU-Stadtreferent Reinhold Wenninger den neuen CSU-Bezirkschef Johannes Hintersberger überaus scharf und kündigen an, künftig keine Mandatsträger-Abgabe beziehungsweise weniger Mitgliedsbeitrag an den Bezirksverband zu zahlen.

Als Grund nennt Weber "eine Aussperrung ganzer Stadtteile" bei der jüngsten Kreisverbands-Wahl. Um ein ähnliches "Verfahren" künftig zu verhindern, werde er einen Betrag von 527,27 Euro fortan auf einem Treuhandkonto parken, bis eine "einvernehmliche Stadtratslistenaufstellung" sichergestellt sei.

Ex-Stadtreferent Wenninger wählt in seinem Brief an den "wenig geehrten Herrn Hintersberger" ungleich deftigere Worte: "Ich schäme mich, einem Bezirksverband anzugehören, der einen (...) integren Vorsitzenden am überfälligen Ausmisten des Augsburger Augiasstalles hindert und durch (...) Sie ersetzt." Ob noch mehr Briefe zahlungsunwilliger Mitglieder bei Hinterberger eingegangen sind, dazu sagt er nichts.

Erst vor zwei Monaten war Ministerpräsident und CSU-Parteichef Horst Seehofer mehrmals nach Augsburg geeilt, um den Konflikt im CSU-Verband zu beenden. Per Handschlag verpflichtete er die Lager, "miteinander statt übereinander zu sprechen" - und verkündete stolz den Burgfrieden. Dieses mühsam ausgearbeitete Stillhalteabkommen ist seit einer Woche vergessen, Parteimitglieder und Öffentlichkeit diskutieren eifrig über die drohende Spaltung der Partei.

Auslöser der neuerlichen Eskalation war wieder einmal der umstrittene Stadtrat Tobias Schley, den selbst seine Unterstützer als nicht einfachen Menschen bezeichnen. In einer E-Mail mokierte er sich über eine Einladung eines ausländischen Gastwirts und CSU-Mitglieds mit den Worten: "Armes Deutschland!!" Eine ausländerfeindliche Äußerung oder eine Lappalie? Der Wirt bekam die Mail zu lesen, ging damit an die Öffentlichkeit und fordert nun eine Entschuldigung plus Unterlassungserklärung. Diese wird Schley wohl nicht abgeben, stattdessen sagt er: "Das Briefgeheimnis und meine Persönlichkeitsrechte wurden verletzt."

Es ist eine Privatfehde zweier Parteifreunde, die in der CSU Augsburg ein politisches Erdbeben auslöste. In einem Offenen Brief schrieben Bürgermeister Weber und drei weitere CSU-Stadträte: "Wir schämen uns wegen solcher CSU-Repräsentanten." Die Antwort folgte prompt per Offenem Brief aus Schleys Ortsverein: "Wir schämen uns für die Verfasser dieses Briefes." Dies scheint derzeit der gemeinsame Nenner der Augsburger CSU zu sein: gegenseitiges Fremdschämen. "Arme CSU Augsburg", kommentiert die Lokalpresse einmütig.

CSU-Bezirkschef Hintersberger hatte sich hinter Schley gestellt und erklärt, er könne keine ausländerfeindliche Äußerung erkennen. Er zeigt sich nun "getroffen" von der Kritik seiner Parteifreunde. "So geht es nicht", sagt er, Mitgliedsbeiträge und Mandatsträger-Abgaben seien in der Parteisatzung festgelegt. Zudem sei er mit Parteichef Seehofer im Kontakt. Seinen Kontrahenten, den zweiten Bürgermeister Weber, kritisiert CSU-Bezirkschef Hintersberger nur wenig verklausuliert: "Hier will ein Amtsträger seiner solidarischen Verpflichtung gegenüber der Partei nicht nachkommen." Zudem legt er den Kritikern indirekt den Austritt nahe: "Man muss das Miteinander schon wollen. Wer das nicht will, soll mir das sagen." Weber und die drei Stadträte schrieben in ihrem Offenen Brief: "In letzter Zeit haben verdiente Mitglieder frustriert die Partei verlassen."

Sind das die Vorboten der prophezeiten Spaltung? Beobachter halten die Partei längst für irreversibel zersplittert. Was fehlt, ist nur noch der öffentliche Vollzug des internen Bruchs. "Ich schließe eine Abspaltung nicht aus", sagt eine Stadträtin, die namentlich nicht genannt werden will. "Lieber bin ich in einer eigenen Vereinigung und kooperiere dann mit der CSU, als dass ich in dieser Fraktion bleibe." Andere dagegen wollen die Fraktion unbedingt zusammenhalten, um Oberbürgermeister Kurt Gribl nicht zu schwächen. Dieser sagt zur Krise nur: "Da ist jetzt der Herr Hintersberger gefordert." Gribls Wiederwahl ist durch den Zoff gefährdet wie noch nie - trotz all seiner jüngsten Erfolgserlebnisse.

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