Papst-Besuch 2006:Benedettos Rückkehr nach Bayern

Benedikt XVI. bei der heiligen Messe auf dem Islinger Feld in Regensburg am 12. September 2006.

Der Papst in seiner bayerischen Heimat: Benedikt XVI. winkt den Gläubigen zu, bei der heiligen Messe auf dem Islinger Feld in Regensburg am 12. September 2006.

(Foto: dpa)

Als Benedikt XVI. im September 2006 heimkehrte, flackerte die alte bayerische Volksfrömmigkeit noch einmal auf. Doch was übrig bleibt von diesem Papst-Besuch in Bayern, sind nicht die großen Reden, sondern die kleinen Momente.

Von Katja Auer

Es war nicht wie beim Weltjugendtag 2005 in Köln, als die "Benedetto"-Rufe über den Rhein schwappten wie eine katholische La Ola. Als Jugendliche aus der ganzen Welt trommelnd und singend mit dem Papst eine riesige fröhlich-fromme Party feierten. Der Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat im September 2006 war anders, stiller - und doch für viele, die dabei waren, nicht weniger ergreifend.

Es bleiben die kleinen Momente im Gedächtnis. Der Feuerwehrmann in Marktl am Inn, der mithalf, die Besucher durch den Ort zu schleusen, in dem der Papst geboren wurde. "So etwas werde ich nie mehr erleben", sagte er mit Tränen in den Augen, als der Pontifex das Protokoll durchbrach und für einen kurzen Moment aus dem Papamobil ausstieg, um die Benedikt-Säule zu betrachten, die der Künstler Josef Neustifter für den Marktplatz geschaffen hatte. Der Griff des Papstes nach der Hand seines fast erblindeten Bruders Georg vor dem Taufstein in der Kirche St. Oswald, wo er am 16. April 1927, direkt nach seiner Geburt, getauft wurde. "Segen für diesen Ort, der mir so teuer ist", schrieb der Papst ins Goldene Buch. Der Lufthansa-Pilot Martin Ott, der den Papst von Weltjugendtag zurück nach Rom geflogen hatte - via Marktl, wo die Leute mit Kerzen und Gebeten hinauf und der Papst per Funk herunter grüßte. Am Tag des Papstbesuchs dirigierte Ott den Chor. Ganz tief gehe das emotional, sagte er damals. "Das ist, wie das erste Kind in den Händen zu halten."

In Marktl war der Besuch vielleicht am unmittelbarsten, schon deswegen, weil das Örtchen am Inn einfach nicht taugt für Großveranstaltungen. Trotz der süßen Mitra, die in der Bäckerei verkauft wurde, trotz der Papst-Devotionalien rund um das Geburtshaus, trotz der vorher kritisierten "Vermarktelung" des berühmten Sohnes. Auf den Marktplatz durften an diesem Tag 2000 Einheimische, mehr hätten auch nicht draufgepasst.

Anderswo, in München-Riem, auf dem Altöttinger Kapellplatz und auf dem Islinger Feld bei Regensburg, war Platz für Hunderttausende. Schon Wochen vorher hatten die Behörden vor Überfüllung gewarnt, hatten die Pilger aufgerufen, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen, damit sie es pünktlich zu den Gottesdiensten schafften. Wege waren markiert, Toiletten aufgebaut, Sonderbusse bestellt, Tausende Polizisten abgestellt. Nichts schien man dem Zufall überlassen zu wollen.

Das scheint viele abgeschreckt zu haben, gerade jene, die nicht mehr so gut zu Fuß waren, denn weder kam es in der Münchner U-Bahn zum befürchteten Kollaps, noch mussten Leute wieder heimgeschickt werden. Wer frühmorgens, eigentlich noch in der Nacht, weil man ja pünktlich sein wollte, über die Autobahn wanderte, die bei Regensburg zum Busparkplatz umfunktioniert worden war, der fragte sich gar, wo sie denn alle sein könnten, die angekündigten Papst-Pilger. Selbst die Busfahrer wunderten sich, wo denn das Chaos blieb, auf das sie sich eingestellt hatten.

Die Menschen, die zu den großen Gottesdiensten kamen und die Ränder der Straßen säumten, die das Kirchenoberhaupt im Papamobil abfuhr, sie prägten jene Tage mit der vielbesagten Volksfrömmigkeit, die längst nicht mehr selbstverständlich zu Bayern gehört. Aber zum Papstbesuch, so schien es, wollte er noch einmal aufflackern, der alte bayerische Katholizismus, der andernorts belächelt wird oder bestaunt, wenn die Touristen zur Leonhardi-Wallfahrt anreisen. Die Bilder taten auch beim Papstbesuch das Ihre dazu. Der Himmel weiß und blau, die Trachtler, die Fahnen. Der Papst an der Mariensäule, der Papst und die Kinder, der Papst vor der Schwarzen Madonna in Altötting. Von prächtigen Inszenierungen verstehen die Katholiken etwas.

Die Stimmung wollte dabei nicht überborden wie damals beim Weltjugendtag, und aufkommende "Benedetto"-Rufe verebbten schnell wieder. Die überschäumende Begeisterung der Südamerikaner, die lautstarke Freude der Südeuropäer, sie liegt den Bayern halt nicht so.

Eher ergriffen empfingen viele den Papst auf der Reise zu seinen Wurzeln. Wie die Frau auf dem Islinger Feld, die Papst Benedikt kannte, als er noch Joseph Ratzinger war und als Professor in Regensburg lehrte. Sie hatte sich von ihrer Tochter herbringen lassen, weil sie unbedingt dabei sein wollte, wenn der Papst heimkommt. "Ein freundlicher Mann" sei er immer gewesen, erzählte sie, und dass sie stolz darauf sei, dass nun ein Bayer die katholische Kirche führe.

In Regensburg hielt der Papst eine Rede, die ihm viel Kritik einbrachte hinterher, und in Altötting klagte er, dass es zu wenige Priester geben. Trotzdem sind weniger die Inhalte in Erinnerung geblieben als die Bilder und ein schwer zu beschreibendes Gefühl, das die Katholiken in Bayern für ein paar Tage eine Zusammengehörigkeit hat verspüren lassen.

Nach ein paar Tagen war der Papst wieder weg, und er scheint es geahnt zu haben, dass es der letzte Besuch in seiner Heimat gewesen sein könnte, im Land seiner Kindheit. "Auf Wiedersehen", sagte er, als er wieder ins Flugzeug stieg. Und fügte noch hinzu: "So Gott will."

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