Olympische Sportarten:Strapazen selbst getestet

Biathlon und Bobfahren, Skispringen oder Skirennen: Von außen betrachtet wirken viele Wintersportarten gar nicht schwierig. Doch wer sich erst einmal selbst an den Schießstand, auf die Schanze oder in den Eiskanal wagt, stellt fest: Es sieht einfacher aus, als es ist. Ein Selbstversuch.

Von SZ-Autoren

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Winterspiele in Sotschi beginnen - Zeit für einen besonderen Selbstversuch: Denn längst werden manche olympische Sportarten für jedermann angeboten, andere dagegen sollte man lieber den Profis überlassen. Biathlon und Bobfahren, Skispringen oder Skirennen absolvieren: Von außen betrachtet wirken viele Wintersportarten gar nicht schwierig. Doch wer sich erst einmal selbst an den Schießstand, auf die Schanze oder in den Eiskanal wagt, stellt fest: Es sieht einfacher aus, als es ist.

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(Foto: REUTERS)

Taumeln und rutschen Sie sitzen bequem auf dem Sofa vor dem Fernseher und sagen abschätzig: "Das ist doch kein Sport." Die Rede ist von Curling, jenem Sport, der nur dann ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt, wenn wieder Olympia ist. Vier Menschen hantieren wie wild mit ihren Besen, ein runder Granitstein gleitet über eine Eisfläche. Sieht einfach aus, findet der Zuschauer. Ist es nicht - sagen alle, die es mal ausprobiert haben. Denn da sind zuallererst die Schuhe: Einer hat eine glatte Sohle, einer eine gummierte. Viel Spaß hat also derjenige, der erstmals in seinem Leben mit zwei unterschiedlich besohlten Schuhen die spezielle Curling-Eisfläche, beispielsweise in Garmisch-Partenkirchen oder Oberstdorf, betritt. Zum Glück hat man als Stütze den Besen in die Hand bekommen. Aufgabe eins: Das Eis vor dem dahingleitenden Stein so stark mit dem Besen zu polieren, dass es leicht antaut und der Stein auf dem Wasserfilm dahingleiten kann. Man wischt. "Schneller!", ruft der Profi, denn der Stein driftet mangels Wasserfilm in die falsche Richtung. Man wischt schneller. Man wankt. Man rutscht. Man füßelt in Slapstick-Manier. Rubbelt weiter. Schwitzt. Der Stein wird langsamer, man selbst auch. "Schneller!", ruft der Profi. Man schwitzt noch mehr. Knapp 50 Meter fühlen sich an wie 5000 Meter. Aufgabe zwei: Den Stein so anzuschieben, dass er am Ende im "Haus", dem Ziel, zu liegen kommt. Elegant sieht das aus - beim Profi. Man selbst taumelt. Der Stein knallt aufs Eis, dreht ab, landet im Aus. Noch mal. Man rutscht aus, verliert den Besen, der Stein kreiselt unkontrolliert. Beim dritten Mal immerhin: Der Stein gleitet ruhig, man selbst steht noch. Kein Sport? Wir sprechen uns noch. Von Christina Warta

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(Foto: Getty Images)

Skaten auf streichholzschachtelbreiten Langlaufskiern Niemand mag das Gefühl, im Weg zu sein, andere unnötig aufzuhalten. In Luft möchte man sich in einem solchen Moment auflösen, aber so was ist ja immer noch nicht erfunden. Und so muss ich also da durch: durch diese nur ein paar hundert Meter lange, allerdings knochenhart gefrorene Loipe, auf der auch die anderen unterwegs sind. Die anderen, das sind die Cracks, die Profis mit den schlanken, durchtrainierten Körpern, die grußlos und ohne auch nur die Andeutung eines Schnaufens im ICE-Tempo an mir Dampflok vorbeizischen. Oh Mann, Biathlon ist ja so ganz anders als das, was Laien wie ich in Ruhpolding oder in Obertilliach ausprobieren können. Der kleine Ort in Osttirol etwa ist eine Hochburg der Biathleten. Ole Einar Bjørndalen, die norwegische Legende dieses Sports, lebt und trainiert hier - und ausgerechnet ich Anfänger stolpere nun durch seine Loipe! Wobei: Nach einer Weile macht das Skaten auf den streichholzschachtelbreiten Langlaufskiern richtig Spaß, immer gleichmäßiger und kontrollierter geht es irgendwann dahin - wenn nur die fiesen Anstiege nicht wären...

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(Foto: dpa)

... Und natürlich die Schießerei! Die kleinen schwarzen Scheiben stehen halt doch ein gutes Stück weiter weg als die Blümchen am Oktoberfest-Schießstand. Liegendschießen geht ja noch einigermaßen, da sich meine Atmung längst beruhigt hat, bis ich endlich mal so weit bin und richtig liege, um loszuballern. Aber im Stehen? Da wackeln Kimme und Korn wie bei schwerem Seegang hin und her. Eigentlich fällt das unter Munitionsverschwendung. So schlecht, wie ich schieße, so viele Strafrunden kann ich gar nicht laufen. Aber immerhin bin ich dort Bjørndalen & Co. nicht so sehr im Weg. Von Thomas Becker

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(Foto: dpa)

Loipen-Musik Es war in Lenggries. Ein Wintertag, an dem die Kälte klirrte. Die Loipe war hart, und die Schuppenski taten ihren Dienst. Eine kleine Müdigkeit war auch schon da, aber das war egal, weil das Ende der Runde nicht mehr weit war. Es war auch schon ein bisserl spät, langsam senkte sich die Dunkelheit übers schneebedeckte Feld, und keiner war mehr da außer mir. Die Spur bog in die Ebene hinein. Der Blick ging voraus, hinein in die Berge, zwischen denen eine gewaltige, sinkende Sonne wie ein glutroter Ball am violetten Himmel hing. Die Ski schürften im Rhythmus der Schritte, die Stöcke tanzten dazu im Takt, und die Seele war ganz frei und friedlich in diesem kalten, freundlichen Licht. Es stimmt natürlich, dass Langlaufen auch anstrengend ist. In der Ebene zu gleiten, ist etwas anderes als bergab, und wenn die Loipe sich hebt, kann es schon mal zu Flüchen kommen. Vor allem, wenn man die Lauftechnik nicht so gut beherrscht - in dieser Hinsicht sind beide Stilarten des Langlaufs, Skating wie klassisch, gleich ungnädig. Aber eine kleine Strapaze ist zwischendurch mal ganz gut. Sie bringt einen aus der Komfortzone raus und schärft das Bewusstsein dafür, was die Olympiasportler im Fernsehen durchmachen. Außerdem ist Langlaufen relativ billig, wenn man nicht eine Wachswissenschaft draus macht. Und man wird nicht so reingedrückt in diese Unkultur der Massenabfertigung wie in den Alpin-Gebieten. Es gibt geselligere Sportarten. Aber in der Winterstille einer Waldloipe bekommt man dafür auch eine Musik ins Ohr, die ein erholsamer Kontrast zu jeder Alltags- und Freizeitsport-Hektik ist. Wer mal so richtig hineingelauscht hat in die Melodie der schürfenden Ski, der möchte sie immer wieder hören. Von Thomas Hahn

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Furchen statt Spaß Da ist zunächst einmal die Sache mit dem Rennanzug: muss man nicht haben. Der Anzug des Skirennfahrers ist eng, sehr eng, er pappt wie eine zweite, künstliche auf der echten Haut, das fühlt sich nicht schön an. Der Anzug des deutschen Skirennfahrers ist auch noch weiß mit schwarzen Tigerstreifen drauf. Aber es geht auch in herkömmlicher Schneehose und Skijacke, es geht dann zwar nicht so schnell, aber schnell genug. Denn da ist ja noch die Sache mit den Furchen. Ein echtes Weltcup-Skirennen wie auf der Kandahar in Garmisch zu fahren, wäre vor allem deshalb schwierig, weil der Berg, auf dem die Profis hinunterschießen, so vereist ist, dass man als Normalsterblicher mit Skiern des Normalsterblichen Mühe hat, zu verhindern, vom Eis einfach weggerissen zu werden. Als Amateur aber kann man ohnehin keine Rennen auf solchen Pisten fahren, weil die Präparation so aufwendig ist, dass sie nur für die Profis zur Anwendung kommt. Das Hauptproblem, jedenfalls in den technischen Bewerben Slalom und Riesenslalom, haben aber Amateure und Profis gleichermaßen: Irgendwann bilden sich Furchen neben den Toren. Die Furchen werden zu tiefen Furchen, die tiefen Furchen werden zu Gräben, und jeder Starter fährt durch die gleichen Gräben, er muss, die Ideallinie gibt es so vor. Furchen sind Spaßbegrenzer. Aber dann: die Ziellinie. Der Adrenalinpegel steigt mit jedem Schwung, jedem Tor, jedem Graben, und wer bis zum Schluss die Ideallinie halten kann, dann über die Ziellinie rauscht, bekommt als Lohn das Gefühl, das nur Sportler wie Skirennfahrer bekommen. Das Gefühl, wenn die Rennzeit in Grün aufleuchtet. Grün für Bestzeit. Von Michael Neudecker

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(Foto: dpa)

"Draufhaun jetz'!" Erst Schwitzwäsche (ein Baumwoll-Overall), dann Tiefschutz, Strapse, Schienbeinschoner, Stutzen, die an den Strapsen festgeklipst werden. Die gepolsterte Hose drüber, Schlittschuhe anziehen (fest zuschnüren!), Brustschutz, Ellbogenschoner, Trikot drüber, Helm, Handschuhe. Schläger! Das Anziehen ist keine Herausforderung für den erfahrenen Eishockeyspieler, für den Anfänger dagegen schon die erste Hürde. Aber das hier ist eh nichts für Anfänger: Training mit dem EHC München, in der Oberliga, schon ein paar Jahre her. Der Trainer ist ein harter Hund, Niederbayer mit Glasauge, alle müssen liefern, Reporter, Profis. Pässe mit Schuss aufs Tor: kein Problem. Schlagschüsse von der blauen Linie: geht auch, wenngleich nicht ganz zur Zufriedenheit des Trainers ("Besser zielen! Draufhaun jetz'!"). Drei gegen drei in von Pylonen abgestecktem Raum: Oh je. Der Moment, in dem sich im Eishockey der Profi vom Amateur abhebt, ist der, wenn es gegeneinander geht. Dass Schlittschuhtechnik wichtig ist in diesem Sport, wusste man schon vorher, mit welchen Tricks Zweikämpfe bestritten werden, das sieht man von der Tribüne aus nicht so gut. Der fast 40-jährige Verteidiger, der immer aussieht wie der langsame, eben fast 40-jährige Verteidiger: auf einmal genial. An der Scheibe ein Gott, unglaubliche Wendigkeit, so spritzig, so reaktionsschnell. Und wenn der Puck dann mal am eigenen Schläger ist: ein kurzer Hakler, noch einer, eine Berührung da, eine Berührung dort, die Oberarme müssen viel einstecken, und dann ist der Puck schon wieder weg. Eishockey ist ein wunderbarer Sport, und fast 40-jährige Verteidiger sind seine wahren Helden. Von Michael Neudecker

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(Foto: dpa)

Die Kraft der Rinne Die sogenannte g-Kraft gibt - hobbysportlermäßig gesprochen - jene Belastung an, die den Körper bei einer Beschleunigung mal so richtig zusammenstaucht. In der Kinderschaukel wirken bis zu 2,5 g, bei der Wilden Maus auf dem Oktoberfest drücken den Passagier bis zu 3,6 g etwas tiefer in die Lederhosn und beim Fünfer-Looping maximal 5,2 g. Beim Taxi-Bobfahren im Eiskanal am Königssee setzt es sogar 6 g. Man darf also durchaus Respekt und gesunde Bandscheiben mitbringen, wenn man unweit von Berchtesgaden in die Eisrinne steigt und in einem echten Viererbob hinter einem Piloten Platz nimmt. Der kann zwar Bobfahren, braucht aber offenbar seine Ruhe. Auf der Rückseite seines Helms steht: "Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer reden". Spätestens in der zweiten Kurve merkt der Kunde, dass dies ein Witz ist. Jedenfalls verreißt es einem dermaßen die Kaumuskeln, dass selbst Angst- oder Freudenschreie in der Luftröhre stecken bleiben. Und weil das Eis nie völlig glatt ist, sondern von kleinen Löchern und Knubbeln übersät, dengelt der glücklicherweise behelmte Kopf zwischen den Bordwänden umher wie der eines Wackeldackels. In Turbodrom und Echowand zwingen einen die Kreisel zu einer ungewollten Verneigung vor den Kräften der Physik. 14 Kurven, 90 Euro und eine Minute mit 130Stundenkilometern in der Spitze später ist die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Orthopäden beendet. Wobei: Laut Guinness-Buch der Rekorde liegt die höchste, jemals von einem Menschen überstandene g-Kraft bei 179,8. Da ist noch Luft nach oben. Von Dominik Prantl

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(Foto: dpa)

Driften und rasieren "Bitte in der Mitte bleiben!" Das brüllt mir der Trainer von außen zu. Ich stehe in der Mitte der Eisfläche in der Münchner Olympia-Eishalle. Um mich herum rasen 18-jährige Shorttrack-Fahrer des Vereins Slic München mit über 40 km/h im Kreis. Diese Shorttrack-Schuhe sind übrigens unfassbar unbequem. Komplett aus Karbon und immer maßgefertigt. Deswegen war es gar nicht so leicht, ein passendes Paar zu finden. Die Füße schmerzen schon beim Stehen. Mit diesen Schuhen zu fahren, das ist nicht leicht, denn die Kufen sind um einiges länger als bei herkömmlichen Schlittschuhen. So wird mir zumindest die Angst genommen, nach hintenüber zu fallen. Allerdings sind die Kufen so scharf, dass man sich damit wohl mühelos rasieren könnte. Während die Jungprofis pausieren, drehe ich meine ersten Runden. Aufgrund der Kufenlänge fühlt es sich an, als würde ich mit Skiern über das Eis laufen. In den Kurven kann mein inneres Bein die Linie nicht halten. Bei jedem Versuch, die Füße enger zusammenzubekommen, verliere ich den Halt und drifte nach außen. Dann sind die Profis wieder am Zug und ich befinde mich wieder verloren in der Mitte. In den Kurven wirkt eine Kraft von über drei g auf die Beine der Läufer. Meinen eigenen Beinen dagegen reicht für den Moment schon das eigene Körpergewicht. Nach einer Stunde stehe ich sicher auf dem Eis. In der Kurve ist noch nicht an Übersteiger - das ist das Kreuzen der Beine, um zu beschleunigen - zu denken. Aber immerhin überhole ich die ersten Profis auf der Geraden. Dass sie in dem Moment gerade auslaufen lassen, spielt für mich keine Rolle. Die Winterspiele 2018 sind in Pyeongchang - ich trage dann auch gerne die Fahne! Von Max Möbus

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(Foto: dpa)

Zehn Meter ein Adler Die Einladung kam von einem Mann namens Karl Auer und klang wie ein schlechter Witz: "Fliegen wie die Adler - Skispringen für Jedermann" stand da. Ein Angebot, so wahnwitzig, dass ich weiter las, anstatt es sofort wegzuwerfen. Allen Ernstes lud die Tiroler Gemeinde Mieming zum Skisprung-Wochenende ein - die Ausrüstung werde gestellt, ein Trainer ebenso, und einen kleinen Wettkampf wolle man auch veranstalten. Auch an der Schanze in Oberstdorf wird derlei mittlerweile angeboten. Ich hingegen stand eine Weile später tatsächlich auf einem gefrorenen Feld bei Mieming und wartete auf Franz, den Professor vom benachbarten Skigymnasium, der Kaderschmiede von Österreichs Skispringern. Franz hatte Sprungski mitgebracht - und diese quietschbunten Anzüge, leider nur in den Magergrößen, die für diese Hungerhaken ja völlig ausreichen, in denen ein ausgewachsener Schreibtischhengst aber wie eine neonbunte Wurst aussieht. Unsere "Schanze" bestand aus einer mittelsteilen Schneeschneise im Wald, an die uns der Professor aber erst nach ein paar Vorübungen ran ließ. Zunächst erlaubte er nur Mini-Hüpfer mit wenig Anlauf: erst mal ans Gerät gewöhnen! Sprungski haben keine Stahlkanten, was die Landung spannend macht. Zudem ist die Ferse ähnlich fix in der Bindung wie beim Langlauf - eine wacklige Angelegenheit, aber mit Suchtpotenzial, zumindest auf unserem niedrigen Niveau. Am Ende des Tages konnten einige tatsächlich den kompletten Anlauf nutzen, etwa 30 Meter - und fliegen, wenn auch nicht gerade wie die Adler, aber doch immerhin gut zehn Meter weit. Großartiges Gefühl. Noch mal danke dafür, Karl Auer! Von Thomas Becker

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