Oktoberfest für Einsteiger:Urlaub im Bierdunst

Handreichung und Handlungsanweisung für Oktoberfest-Neulinge: Was ist was, was soll man tun, was auf gar keinen Fall, und was hilft, wenn der Abend im Bierzelt vorbei ist.

Stephan Handel und Christian Mayer

Oktoberfest für Einsteiger

Achterbahn

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(Foto: Robert Haas)

Muss man erlebt haben auf der Wiesn, bei der es ja immer auch um extreme Ausschläge nach oben wie unten geht, vor allem aber um die Beschleunigung aller Gefühlsregungen. Besonders nach der Bierzelt-Tortur ist die Fahrt mit der Höllenmaschine zu empfehlen, dann kann man nach einer kleinen Schreitherapie auf den Boden der Tatsachen zurückkehren - als Geläuterter, denn das durch die Raserei komprimierte Hirn ist garantiert gut durchblutet.

Oktoberfest für Einsteiger

Bavaria

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(Foto: Getty Images)

Die mythologische Monumentaldame ist die Schutzheilige der Trunkenbolde, die in ihrem Schatten ihren Rausch ausschlafen. Ein Kunstwerk wie aus einem Guss, obwohl ihr Schöpfer vieles miteinander verschmolz: den Leib einer antiken Göttin, die Haltung eines germanischen Vollweibs und die Grazie einer Münchner Wiesnbedienung.

Oktoberfest für Einsteiger

Chaos

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(Foto: Getty Images)

Vor allem Menschen, die noch nie auf dem Oktoberfest waren und dann unbedingt mal ein Bierzelt aufsuchen wollen, können kaum glauben, dass dieser unförmige Menschenbrei, in dem man plötzlich steckt, nicht ins Chaos führt. Dann aber merken sie rasch, dass die Wiesn erstaunlich friedlich ist - wie in einem Ameisenstaat scheint es geheime Laufwege zu geben, eine geheime Kraft scheint die Massen zu lenken, der Verkehr stockt zwar gelegentlich, um dann aber wieder friedlich abzufließen. So bleibt das Chaos aus, auch wenn Einzelne aus der Reihe tanzen. Wie kann das sein? Sogar die Wissenschaft ist hier überfordert - mit rationalen Mitteln ist der Wiesn aber ohnehin nicht beizukommen.

Oktoberfest für Einsteiger

Dirigent

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(Foto: Stephan Rumpf)

Die Wiesnkapelle hat keinen Dirigenten, sondern einen Kapellmeister, denn spielen können die Musiker das Zeug sowieso, und für feinere musikalische Ausformungen bleibt im Bierzelt kein Platz. Gelegentlich jedoch kommt es vor, dass ein vielleicht schon etwas angetrunkener Kanadier, Ruhrpottler oder Ebersberger auf die Bühne kommt, einen Fünfziger oder einen Hunderter anbietet - das sogenannte Huatgeld -, woraufhin er einen Trachtenhut auf den Kopf und ein Steckerl in die Hand gedrückt bekommt. Die Kapelle spielt dann, was sie sonst auch gespielt hätte, während der Gast-Maestro versucht, seine Gliedmaßen einigermaßen im Takt zu schlenkern. Zurückgekehrt an seinen Tisch, wird er seinen Kumpels berichten können, dass, bei allem Gewese, das die Thielemanns, Mehtas, Rattles dieser Welt um ihre Person machen, die Rolle des Dirigenten doch stark überschätzt wird.

Oktoberfest für Einsteiger

Erotik

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(Foto: Catherina Hess)

Frauen sehen im Dirndl immer viel besser aus als sonst. Dieses Kleidungsstück betont nun mal alle weiblichen Vorzüge. Männer sehen in Lederhose zwar tendenziell lächerlich, aber irgendwie auch rührend aus; sogar spießige Bürohengste mit dürren weißen Waden wirken, wenn man nicht so genau hinsieht, ein wenig wie unsere sehr frühen Vorfahren. Angeblich liegt es an dieser archaischen Verwandlung, dass sich Männer und Frauen - oder wie auch immer die Paarung geht - viel unbefangener, zwangloser einander nähern. Das ist natürlich Blödsinn, wahrscheinlich liegt es an der allgemeinen Benebelung.

Oktoberfest für Einsteiger

Grantler

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(Foto: Catherina Hess)

Eine seit Jahrhunderten in der oberbayerischen Schotterebene ansässige Gruppe dickköpfiger Ureinwohner, die beharrlich auf die Welt und die Wiesn schimpfen (die viel zu hohen Bierpreise, die verkleideten Preißn, die Schicki-Micki-Boxen etc.). Trotzdem kommen auch die Grantler jedes Jahr zurück in die Arena des Missbehagens, um sich erst aufzuregen, dann aber ebenso rasch abzukühlen. Das hat gar nichts mit Unfreundlichkeit zu tun, wie manche auswärtigen Besucher vermuten, es tut einfach nur von Herzen gut, bei jeder Gelegenheit unverständliche Flüche auszustoßen, Sakradi!

Oktoberfest für Einsteiger

Flohzirkus

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(Foto: Robert Haas)

Die Wiesn ist ein riesiges Vergnügen, eine gigantische Spaßmaschine. Aber es gibt auf dem Oktoberfest auch das Gegenteil des Großspurigen. Der Mäusezirkus zum Beispiel zeigt uns eine sehr intime Welt im Kleinen, allerdings mit ganz ähnlichen Zwängen (hier gelten wie bei den übrigen Wiesn-Angestellten keine festen Arbeitszeiten, die Mäuse malochen rund um die Uhr, um das Publikum zum Quietschen zu bringen). Noch kleiner ist der Flohzirkus, der nicht nur deshalb ein Kuriosum ist, weil man den Spaß hier mit der Lupe suchen muss. Auf einer winzigen Bühne sind Feinmotoriker unter sich, das Lieblingsgetränk der Flöhe ist nicht Bier, sondern Blut, warmes Menschenblut, am liebsten das des Direktors. Dermaßen gestärkt verbringen sie - genau betrachtet - wahre Herkulestaten.

Oktoberfest für Einsteiger

Hau-den-Lukas

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(Foto: Catherina Hess)

Der Hau-den-Lukas ist ein altertümlich anmutendes Frauenbeeindruckungsgerät: Ein Hammer ist so auf eine mit einem Hebel verbundene Zielfläche zu hauen, dass ein am anderen Ende des Hebels liegender Metallpfropfen möglichst hoch eine Röhre hinaufsaust. Es geht also um Energie: Je mehr davon dem Pfropfen mitgeteilt wird, desto höher wird er steigen. Eingedenk dessen, dass Energie Masse mal Geschwindigkeit ist, gilt es also, ihm eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu verleihen. Dazu fasst man den Stiel möglichst weit hinten an, schwingt ihn über den Kopf und dann nach vorne. Nun muss nur noch die Zielfläche getroffen werden - schon steht der Liebkosung "Ach, du mein Herkules" nichts mehr im Weg.

Oktoberfest für Einsteiger

Italiener

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(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn die Vorgärten rund um die Theresienwiese voll schlafender Südländer sind, wenn sich auf der Friedenheimer Brücke Wohnmobil an Wohnmobil reiht - dann weiß der Münchner: Es ist Italiener-Wochenende. Warum die Menschen von jenseits des Brenners am Ende der ersten Wiesn-Woche massenhaft nach München reisen, weiß kein Mensch, sie tun es jedenfalls, immer mehr auch schon früher. Zumindest in diesem Jahr kann man es ihnen nicht übelnehmen: Wenn sie an die Fußball-WM denken, haben sie allen Grund, sich ins Vergessen zu trinken.

Oktoberfest für Einsteiger

Jubiläum

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(Foto: dapd)

200 Jahre Oktoberfest - das ist ein guter Grund, noch einen Tag dranzuhängen. 17 Tage dauert die Jubiläums-Wiesn, bis zum 4. Oktober währt das Vergnügen, das wird so schnell nicht wiederkommen - der Münchner Stadtrat hat klargemacht, dass die Ausweitung ein Einzelfall bleiben soll.

Oktoberfest für Einsteiger

Krinoline

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(Foto: Stephan Rumpf)

Die Krinoline ist ein rührend unspektakuläres Fahrgeschäft aus einer Zeit, als die Erzeugung von Übelkeit gegen Eintrittsgeld noch nicht als Geschäftszweig erfunden war - ein einfaches Karussell, dessen horizontale Ebene hin- und herschwankt. Das eigentlich Schöne an der Krinoline jedoch ist, dass sie über ihre eigene Blaskapelle verfügt, fünf schon etwas ergraute Männer, die herzzerreißend alpenländisches Liedgut intonieren. Das sollten die Japaner mal fotografieren, nicht immer nur junge Australierinnen, die ihren Busen entblößen!

Oktoberfest für Einsteiger

Liebe

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(Foto: Robert Haas)

Eine Frau, die ihren Mann liebt, lässt ihn ins Bierzelt gehen. Wenn sie ihn sehr liebt, schimpft sie nicht, wenn er spät heimkommt. Und wenn sie ihn über alles liebt, stellt sie ihm am nächsten Morgen einen Brathering und ein Aspirin hin.

Oktoberfest für Einsteiger

Männer

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(Foto: AP)

Ein Mann, der seine Frau liebt, sagt ihr, wie toll sie in dem neuen Dirndl aussieht. Wenn er sie sehr liebt, freut er sich, wenn andere Männer im Zelt das auch finden und ihr einen Schnaps ausgeben. Und wenn er sie über alles liebt, stellt er ihr am nächsten Morgen einen Brathering und ein Aspirin hin.

Oktoberfest für Einsteiger

Nachdurst

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(Foto: AP)

Übermäßiger Bierkonsum führt im menschlichen Körper zu Mineralstoff-Verlusten, was am nächsten Tag erhöhten Durst mit sich bringt. Wer es sich leisten kann, der begegnet dem Hangover mit einem zweiten Frühstück in Gestalt eines Weißbiers. Dieses Bier, das den Maladen aufrichten und bei der Genesung unterstützen soll, wird in Bayern als "Stützbier" bezeichnet.

Oktoberfest für Einsteiger

Pinkeln

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(Foto: Robert Haas)

Es gibt ein paar Dinge, die einen Wiesnbesucher sofort als Auswärtigen, als Saupreiß'n identifizieren. Wer "ein Maaß Bier" bestellt, kommt bestimmt ebenso aus Duisburg wie jener, der "eine Brezel" begehrt. Und das Wasserlassen heißt in Bayern nicht Pinkeln, sondern: Bieseln. Diese Tätigkeit hat in München eine ganz neue Art von Delinquenten hervorgebracht: Ein Wildbiesler ist einer, der seine Notdurft nicht an den dafür vorgesehenen Orten verrichtet, sondern irgendwo, was erstens strafbar ist und zweitens eine Sauerei - allerdings nicht so schlimm, wie wenn jemand sagt, er gehe "zur" statt "auf d'Wiesn".

Oktoberfest für Einsteiger

Tracht

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(Foto: ddp)

Die Tracht ist zum einen das, was die Menschen anziehen, wenn sie auf die Wiesn gehen: Lederhose, Dirndl, oft in Ausgestaltungen, die mit traditioneller Bekleidung nicht mehr viel zu tun haben - die sogenannte Landhaus-Mode. Zum anderen ist die Tracht etwas, was der Bayer im Bierzelt seinem Hintermann androht, wenn der seinen Hintern zu weit auf die ihm nicht gehörende Bank schiebt. "Jetzt kriagst glei a Tracht" sollte also keinesfalls als Aufforderung zum Lederhosentausch verstanden werden.

Oktoberfest für Einsteiger

Wein

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(Foto: dpa)

Die Weintrinker, die sollen doch in Ochsenfurt bleiben, sich ein Schoppenglas kaufen und dort hinein von Zeit zu Zeit Bocksbeutel gießen. Was aber haben Weinliebhaber auf dem größten Bierfest der Welt zu suchen? Es gibt sie einfach, und wer statt der Maß das Viertel bevorzugt, bekommt es auch auf der Wiesn - vorrangig natürlich im Weinzelt, das den Vorteil hat, bis ein Uhr früh geöffnet zu sein, wenn die anderen Zelte schon geschlossen sind. Wer jedoch nach einem Abend im, zum Beispiel, Schottenhamel, ins Weinzelt wechselt, wird am nächsten Morgen feststellen, dass das alte Sprichwort "Wein auf Bier, das rat' ich dir" nur von begrenztem Wahrheitsgehalt ist.

Oktoberfest für Einsteiger

Zelt

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(Foto: dpa)

Ein Zelt ist eigentlich eine zeitlich befristete Behausung für wenige Menschen. Was das Bierzelt betrifft, so stimmt allenfalls das mit der kurzen Zeit - obwohl ein Tag im Hofbräu ganz schön lang werden kann. Die Menschenmengen, die dort Platz finden, würden jedoch jeden Mongolen grün vor Neid machen - in seine größte Jurte passen gerade mal 30 Menschen. Auf der anderen Seite: Von der Jurte leitet sich das deutsche Wort "Horde" ab, wodurch der Kreis zum Bierzelt dann wieder geschlossen wäre.

© SZ 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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