Offener Brief an Seehofer:"Lassen Sie Ihrem Versprechen Taten folgen"

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Um das Öko-Geschäftskonzept erfolgreich weiterführen zu können, dürfen die Richtlinien für Gentechnik auf EU-Ebene nicht gelockert werden. (Foto: dpa)

Der Öko-Bäcker "Hofpfisterei" sieht wegen der Liberalisierung der Gentechnik auf EU-Ebene sein Geschäft in Gefahr. Er fordert Seehofer zum Handeln auf. Überflüssig, findet die Staatskanzlei.

Von Ralf Scharnitzky

Er ist diese Woche im Angebot: der Öko-Frankenlaib; 4,19 statt 4,70 Euro das Kilo. Eines von zahlreichen Brotsorten der Hofpfisterei. Sie sind bei Kunden in ganz Bayern gefragt - vor allem in der Happy Hour, der letzten Verkaufsstunde des Tages, wenn die Ware billiger über die Ladentheke geht. Dann bilden sich lange Schlangen in vielen der 162 Filialen der Hofpfisterei. In der Führungsspitze des handwerklichen Unternehmens ist die Stimmung allerdings nicht ganz so happy. Die Öko-Bäckerei sieht ihr Geschäftskonzept in Gefahr - durch die Gentechnik. In einem offenen Brief, abgedruckt am Donnerstag in zwei großen Münchner Tageszeitungen, hat das Unternehmen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an das Regierungsprogramm erinnert, in Bayern keine grüne Gentechnik zuzulassen. Firmenchefin Nicole Stocker in der Anzeige: "Lassen Sie ihrem Versprechen Taten folgen."

Der Münchner Traditionsbetrieb, der mit 900 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 81 Millionen Euro erwirtschaftet, verspricht seinen Kunden reine Natur: Das Getreide stammt aus der ökologischen Landwirtschaft zumeist aus der Region, die Verarbeitung findet in der eigenen Öko-Mühle in Landshut statt, beim Backen wird auf chemische und künstliche Zusätze verzichtet - heißt es auf den Internetseiten. Das Öko-Getreide wird vor der Verarbeitung zudem auf mehr als 500 Rückstände untersucht. Verunreinigungen durch die Luft können nicht ausgeschlossen werden. Bisher lagen die Werte weit unterhalb der gesetzlichen Vorgaben. Das Ergebnis: "weitestmögliche Rückstandsfreiheit", wie es im besten Behördendeutsch heißt.

80 Prozent der Deutschen lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab

Doch das könnte sich jetzt ändern. Weil Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika den Umgang mit der Gentechnik etwas liberaler handhaben. Auf EU-Ebene wird das Feld für grüne Gentechnik bereitet und bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA könnten auf Druck der US-Nahrungsmittelkonzerne weitreichende Zugeständnisse bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln gemacht werden. "Die derzeit in Deutschland geltende Null-Toleranz-Grenze beim aktiven Einsatz von Gentechnikpflanzen für alle Öko-Produkte wäre durch eine weitere Zunahme gentechnischer Verunreinigungen gefährdet", erklärt die Geschäftsführerin der Hofpfisterei Nicole Stocker. Die Öko-Bäckerei möchte möglichst alle Rohstoffe aus Bayern beziehen. "Deshalb sind wir auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Bayern angewiesen", heißt es in dem offenen Brief. Da nach aktuellen Umfragen etwas 80 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel sind, glaubt Familienunternehmerin Stocker für ihre Kampagne "Keine Gentechnik in Lebensmitteln" weitere Unterstützer zu finden. "Nur einer muss den Anfang machen", sagt Stocker am Donnerstag der SZ.

Der offene Brief ist nur ein Teil, wenn auch der wichtigste, der bundesweiten Kampagne. Geplant sind eine Internetplattform als öffentliches Meinungs- und Informationsforum sowie Veranstaltungen mit Experten und Wissenschaftlern, die über die Risiken von gentechnisch veränderten Organismen für das ökologische Gleichgewicht und die Artenvielfalt aufklären sollen. Alle Lebensmittelhersteller, Molkereien, Metzgereien, Bäckereien und Brauereien sowie Landwirte können sich an der Kampagne beteiligen. Die Geschäftsgrundlage der Öko-Betriebe sei durch eine Ausweitung von grüner Gentechnik gefährdet. "Deshalb gilt es, gemeinsam dagegen Flagge zu zeigen und den Druck auf die politischen Entscheider zu erhöhen", so Nicole Stocker.

Agrarministerkonferenz fordert Beibehaltung der europäischen Richtlinien

Eine gelungene Werbeaktion mag in der Staatskanzlei, im Landwirtschaftsministerium und beim Bauernverband keiner hinter der Kampagne vermuten - aber gebraucht hätte es die Aktion nach deren Ansicht auch nicht. Aus dem Agrarministerium heißt es: "Seit 2009 lehnen wir den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Bayern generell ab." Die Gentechnik bringe den Landwirten keine Vorteile und werde von den Verbrauchern abgelehnt. Es werde deshalb auch künftig in Bayern keinen Anbau geben. Im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen mit den USA habe die Agrarministerkonferenz unter Vorsitz von Minister Helmut Brunner (CSU) die Beibehaltung der strengeren europäischen Regeln bei der Gentechnik gefordert. Auch im Bauernverband wird auf ein Nein zur Gentechnik verwiesen, das bereits 2008 von allen bayerischen Kreisobmännern beschlossen wurde.

Dass Ministerpräsident Seehofer seinen Versprechen - auch ohne Aufforderung - Taten folgen lassen wird, steht für die Staatskanzlei außer Frage. Wer auf den offenen Brief antwortet, steht noch nicht fest - nur das: Die Antwort wird nicht per Zeitungsanzeige erfolgen.

© SZ vom 17.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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