Oberpfalz:Eine Stadt kämpft um ihr Wasser

Drinktec - Abfüllanlage

Investitionsfreudig: Rund 100 Millionen Euro will sich Edeka in Teublitz die modernste Getränke-Abfüllanlage in ganz Europa kosten lassen.

(Foto: dpa)

Der Edeka-Konzern will im oberpfälzischen Teublitz eine hochmoderne Abfüllanlage für Getränke bauen. Die Politiker freuen sich auf Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Doch die Bewohner leisten Widerstand.

Von Wolfgang Wittl, Teublitz

Alfred Steiner kennt sich aus mit Widerstand. Als vor rund 30 Jahren eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage in seine oberpfälzische Heimat Teublitz kommen sollte, war Steiner einer der Ersten, der dagegen aufmuckte. Als die WAA dann im benachbarten Wackersdorf angesiedelt werden sollte, zählte er zu den Letzten, die sich solange wehrten, bis die Pläne endgültig vom Tisch waren. So sei er halt erzogen worden, sagt der 70-Jährige: sich nicht einfach alles gefallen zu lassen. Als Dauernörgler fühle er sich deshalb keineswegs, "um Gottes willen", nein. Steiner sieht sich als hundertprozentigen Demokraten, als Optimisten, als Rentner im Unruhestand. Und so unruhig wie jetzt war es schon lange nicht mehr in Teublitz.

Seit bekannt geworden ist, dass der Lebensmittelkonzern Edeka hier eine Getränke-Abfüllanlage errichten will, rumort es in der Kleinstadt nördlich von Regensburg. 100 Millionen Euro soll die Ansiedlung kosten, vielleicht auch mehr. Edeka äußert sich dazu nicht, "da wir uns erst in der Prüfungsphase befinden", wie es heißt. Vor drei Monaten, in einer nicht öffentlichen Sitzung des Stadtrates, gab ein Vertreter des Konzerns noch bereitwillig Auskunft. Aber da kochten die Emotionen auch nicht so hoch wie jetzt. Auf der einen Seite die Bürgermeisterin und ihre CSU-Mehrheit, die das Projekt durchsetzen wollen; auf der anderen eine Bürgerinitiative, die den "Ausverkauf unseres Wassers", wie Steiner sagt, unbedingt verhindern will.

Das Tiefenwasser reicht nicht

Einig sind sich alle über die Qualität des Teublitzer Tiefenwassers, das durch eine Tonschicht vor Verunreinigungen geschützt ist und 5000 Jahre alt sein könnte. Weil es viele Mineralstoffe enthält, bräuchte man es nur in Flaschen zu füllen. Genau das hat Edeka vor. Jährlich 500 000 Kubikmeter Wasser will der Konzern in den kommenden 30 Jahren von der Stadt kaufen, eine weitere Million Kubikmeter für Süßgetränke soll aus anderen Kommunen bezogen werden. Für Bürgermeisterin Maria Steger ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, für die Bürgerinitiative ein Versündigen an kommenden Generationen.

Etwa 400 000 Kubikmeter Wasser verbraucht die Stadt Teublitz, die derzeitige Fördermenge ist auf 525 000 Kubikmeter festgeschrieben. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten besagt, dass die Entnahmemenge auf 750 000 Kubikmeter jährlich erhöht werden könnte. Um die mit Edeka benötigten 900 000 Kubikmeter zu erreichen, fehlen aber noch 150 000 Kubikmeter. Da der Konzern eine einheitliche Mineralwasserqualität braucht, sollen Teublitzer Bürger daher künftig 200 000 Kubikmeter Wasser aus Schwandorf beziehen. Auch das sei von sehr guter Qualität, sagt Bürgermeisterin Steger. Weil das Schwandorfer Wasser sogar teurer ist, würde Edeka für die Differenz aufkommen.

Überhaupt zeigt sich der Lebensmittelkonzern sehr investitionsfreudig. In dem dreistelligen Millionenbetrag enthalten ist nicht nur der Kauf des gut 38 Hektar großen Geländes an der A 93, sondern auch dessen Erschließung zu einem Gewerbegebiet, inklusive der Abholzung Zehntausender Bäume. Außerdem zahlt Edeka mehrere von der Stadt veranlasste Gutachten. Kommt der Vertrag nicht zustande, kann Teublitz die Gutachten zurückkaufen, muss aber nicht. Etwa 200 Arbeitsplätze sollen entstehen, reichlich Gewerbesteuer fließen. So ein Angebot könne man doch nicht ablehnen, sagt Steger, zumal die klamme Stadt in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld erst zehn Millionen Euro in eine Mittelschule gesteckt hat.

Überzeugung mit Halbwahrheiten?

Steiner hingegen sagt: "Unsere Bürgermeisterin vertritt die Interessen von Edeka, nicht die der Bürger." Steuereinnahmen und Arbeitsplätze seien nichts als vage Versprechungen. Auch die Bürgerinitiative befürworte ein Gewerbegebiet, aber ein kleineres für den Mittelstand mit mehr Arbeitsplätzen. Die Abfüllanlage soll die modernste in Europa werden - mit wie vielen Beschäftigten sei in so einem automatisierten Betrieb schon zu rechnen? Man wisse von einem vergleichbaren Fall mit gerade mal 60 Mitarbeitern. Und sei ein Konzern nicht spezialisiert auf Abschreibungen, um Steuern zu sparen? Dazu komme die Belastung durch einen Vierschicht-Betrieb und bis zu 300 Lastwagen am Tag.

Die größte Sorge der Gegner gilt ihrem Wasser: Als vor Jahrzehnten noch die Maxhütte in Betrieb war, habe man jährlich 700 000 Kubikmeter entnommen. Es habe Jahre gedauert, bis sich der Brunnen erholt habe. Die Bürgermeisterin sagt, es seien sogar rund eine Million Kubikmeter gewesen - ohne größere Folgen. Klarheit wird wohl erst das hydrogeologische Gutachten bringen, das im Wasserwirtschaftsamt Weiden geprüft wird. Erst dann ließen sich verbindliche Aussagen zur Fördermenge treffen, sagt Amtsleiter Mathias Rosenmüller.

Bürgerbegehren in Arbeit

Für die Gegner der Anlage steht allerdings schon jetzt fest, dass sie kein fremdes Wasser zukaufen wollen, nur weil Edeka aus ihrem Brunnen bedient werden soll. Ein entsprechendes Ratsbegehren wurde im Stadtrat mit CSU-Mehrheit indes abgelehnt. Die Bürgermeisterin sieht für einen solchen Entscheid keine Veranlassung. Sie sei vor der Wahl offen mit dem Thema umgegangen, sagt Steger. Trotzdem sei sie mit fast 70 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden, auch die CSU-Fraktion habe zugelegt. Warum also nur wenige Monate später darüber abstimmen?

Die Bürgerinitiative kritisiert, die Bürgermeisterin arbeite mit Halbwahrheiten, viele Details seien insgeheim bereits festgezurrt und kämen erst nach und nach ans Licht. Wer sich seiner Sache sicher sei, habe vor einer Befragung der Bürger doch nichts zu befürchten. Im benachbarten Maxhütte, das zu einem kleinen Teil ebenfalls am Gewerbegebiet beteiligt wäre, hat der Stadtrat soeben beschlossen, kein Wasser an Edeka zu liefern. Bürgermeisterin Steger sagt, sie werde die Sache in Teublitz durchziehen. Sie könne versichern, dass "hier nichts verscherbelt wird".

So hat nun ein Wettlauf eingesetzt: Bis die Bürgermeisterin weitere Verträge unterschrieben hat, wollen die Gegner ein Bürgerbegehren starten. Die Stimmung ist derart aufgeheizt, dass es beim Sammeln von Stimmen bereits zu einer Rangelei auf offener Straße kam. Noch ist Alfred Steiner zuversichtlich, dass die Teublitzer "unser wichtigstes Gut" schützen werden. Um ihn gehe es längst nicht mehr, er sei ja schon 70, "aber auch ich habe Kinder und Enkelkinder". Wobei: Seine Mutter wurde 97.

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