Oberfranken:Fall Peggy: Das Trauma von Lichtenberg

Fall Peggy - Lichtenberg

Für viele Menschen in Lichtenberg ist der Fall Peggy traumatisch.

(Foto: dpa)

Die Ermittlungspanne ist eine peinliche Geschichte. Sie verdeckt aber nur kurz den Zustand der kleinen Heimatstadt des Mädchens - dort leidet man seit 15 Jahren unter dem Verschwinden des Kindes und den Folgen.

Von Olaf Przybilla

Die Pressekonferenz, auf der Ermittler am Mittwoch eine der peinlichsten Ermittlungspannen der Nachkriegsgeschichte einräumen mussten, fand in Bayreuth statt. Etwa 70 Kilometer entfernt von dort liegt Lichtenberg. Die Wucht der Neuigkeiten im Fall Peggy war aber wieder einmal so heftig, dass die Öffentlichkeit kaum noch Nerven hatte, den Blick in die nahe Kleinstadt zu richten und zu fragen, wie es den Leuten dort eigentlich gehen muss.

Lichtenberg, das ist der Ort, in dem vor 16 Jahren eine Schülerin aus der Nachbarschaft von einem Tag auf den anderen verschwunden ist. Mehr als 15 Jahre lang war nicht mal klar, ob das Mädchen überhaupt tot ist oder womöglich verschleppt wurde. Allein das schon wäre Grund genug für ein kollektives Trauma. Damit aber nicht genug: Als ein geistig behinderter Mann zum Mörder erklärt wurde, waren es hauptsächlich die Menschen aus der Kleinstadt, die nicht müde wurden, auf offenkundige Ungereimtheiten aufmerksam zu machen.

Der Riss ging quer durch Familien. Hier diejenigen, die sagten: Die Justiz hat gesprochen. Dort diejenigen, die entgegneten: Das kann aber so nicht stehen bleiben. So lange regte sich Widerstand, bis die Justiz den Fall wieder aufrollen musste. Und der geistig behinderte Mann freikam - als ein zu Unrecht Verurteilter.

Als dann plötzlich die braune Bande vom NSU am Kapitalverbrechen an Peggy schuld sein sollte, verschlug es der Stadt endgültig den Atem. Als hätte ein komplett durchgeknallter Regisseur einen maximal surrealen Trash-Tatort in Oberfranken inszenieren dürfen.

Und nun? Waren es offenbar die Spurensicherer selbst, die die Spur eines Neonazis zu den Knochenresten von Peggy mitgebracht haben. Aus Versehen, wie es heißt. Einem Drehbuchschreiber würde man spätestens an der Stelle sagen: Verzeihung, Sie brauchen dringend Hilfe.

Am kommenden 6. April wäre Peggy aus Lichtenberg in Oberfranken 25 Jahre alt geworden. Man mag sich nicht ausmalen, wie sich dieser Tag in der geschundenen Kleinstadt anfühlen muss. Wie sich das Ermittlungsdesaster für die Mutter von Peggy anfühlen muss, sprengt ohnehin jede Vorstellungskraft. Die Überreste ihres Kindes dürfen nach wie vor nicht beigesetzt werden.

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