Oberbayern:Wirtshausstuhl bricht zusammen - Mann klagt auf 10 000 Euro Schmerzensgeld

Er brach sich bei dem Malheur in Wolnzach das Sprunggelenk. Doch das Gericht sieht darin einen "schicksalhaften Unfallverlauf".

Kolumne von Andreas Glas

Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorf bei Utrecht. So beginnt Heinrich von Kleists Gerichtskomödie "Der zerbrochene Krug". Und weil die Parallelen frappierend sind, ist es natürlich sehr reizvoll, sich in Passagen dieser Kolumne frei bei Kleist zu bedienen.

Die lustspielhafte Kolumne beginnt also folgendermaßen: Die Handlung spielt in Wolnzach, einem oberbayerischen Markt bei Pfaffenhofen. Titel: "Der zerbrochene Stuhl". Es treten auf: Eine Richterin, ein Wirt und ein Wirtshausgast, dessen Stuhl just zusammenbricht, als er den zweiten Bissen seines soeben servierten Schnitzels zu Munde führt.

Zweiter Akt: eine Gerichtsstube in Ingolstadt. Gast: "Es trug sich ein unangenehmer Vorfall zu, der mir die heitre Laune störte."

Wirt: "Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien. Es ist ein Stuhl zerbrochen."

Richterin: "Ein Stuhl! So! Ei, wer zerbrach den Stuhl?"

Das war die Schuldfrage, die Landrichterin Birgit Piechulla dieser Tage zu klären hatte. Der Gast hatte den Wirt auf 10 000 Euro Schmerzensgeld verklagt, da bei dem Vorfall nicht nur zwei Stuhlbeine brachen, sondern auch das Sprunggelenk des Gastes. Die Richterin hat ihr Urteil aber recht fix gefällt.

Richterin: "Ei, Wetter! Wenn Stühle sind zerschlagen worden, so haften Wirte ihren Stühlen nicht."

Gast: "Frau Richterin! Soll hier dem Stuhle nicht sein Recht geschehn? Welch ein gewaltsames Verfahren."

Aber Frau Richterin ließ sich nicht umstimmen. Sie sprach von einem "schicksalhaften Unfallverlauf" und wies die Klage ab. Bei Stühlen, befand sie, handle es sich "nicht um allgemein gefahrtragende Einrichtungen", die der Wirt fortlaufend einem "Rütteltest" zu unterziehen habe. Eine Sichtkontrolle beim täglichen Wischen der Wirtsstube reiche aus. Und diese, nun ja, Stuhlprobe habe der Wirt regelmäßig vollbracht.

Damit war die Sache erledigt. Eine gescheite Pointe ist das freilich nicht für eine lustspielhafte Gerichtskolumne. Man könnte also noch drüber sinnieren, ob es in Wahrheit die Richterin selbst war, die den Stuhl heimlich ansägte. Aber man muss die Parallelen zu Kleist auch nicht überstrapazieren.

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