Oberbayern:Staatsregierung beschließt großzügige Hilfen für Flutopfer

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Viele Menschen in den Hochwassergebieten in Niederbayern haben alles verloren. (Foto: dpa)
  • Die Staatsregierung verspricht den Flutopfern sowohl schnelle als auch nachhaltige finanzielle Hilfen.
  • In manchen Fällen soll es bis zu 100 Prozent Schadenersatz geben.
  • Die Schadenssumme wird insgesamt auf über eine Milliarde Euro beziffert.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl, München

Michael Fahmüller war ein gefragter Mann am Dienstag in München: Wie hoch die Flutschäden in seinem Landkreis genau zu beziffern sind? Welche Erwartungen er an die Politik richte? Wie es für die Menschen in Simbach und Triftern nun weitergehen soll? Fahmüller berichtete eindrücklich von der Verzweiflung, aber auch vom Willen der Bevölkerung, sich dem Schicksal nicht zu ergeben.

Die für sich wichtigste Antwort hatte der Landrat von Rottal-Inn da bereits erhalten, während zur selben Zeit in seiner gebeutelten Heimat Wasserwerfer den Schlamm von den Straßen spritzten. Wie Fahmüller als Gast der Kabinettssitzung erfuhr, wird die bayerische Staatsregierung von sofort an ein Hochwasserhilfsprogramm installieren - ein Modell, das künftig auch bei vergleichbaren Katastrophen greifen soll.

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Fast drei Stunden hatte Ministerpräsident Horst Seehofer am Montagabend ein halbes Dutzend Minister einbestellt, um ein dreistufiges Hilfskonzept auf den Weg zu bringen: Zur ersten Gruppe zählen Opfer eines Jahrtausendhochwassers, wie jetzt im Kreis Rottal-Inn.

In Einzelfällen gibt es 100 Prozent Schadenersatz

Ihnen wird der Staat bis zu 80 Prozent der Schäden ersetzen, in Einzelfällen auch 100 Prozent - und zwar unabhängig von der Versicherbarkeit und Bedürftigkeit der Häuser und Personen. "Unsere Bürger zahlen eine Menge Steuern", sagte Finanzminister Markus Söder. "Da können sie erwarten, dass der Staat hilft, wenn sie selbst in Not geraten."

Zur zweiten Kategorie zählen die Opfer eines Jahrhunderthochwassers. Neben Sofortgeld (1500 Euro) und Soforthilfen (5000 Euro) dürfen auch sie in existenziellen Notlagen auf staatliche Komplettunterstützung hoffen. So wie derzeit Geschädigte in den Gebieten um Ansbach, Neustadt an der Aisch, Weißenburg-Gunzenhausen, Landshut, Straubing-Bogen, Dingolfing-Landau, Kelheim Passau und Weilheim-Schongau.

Für Unternehmer, Freiberufler und Landwirte soll es weitere Hilfen geben, kündigte Söder an. Zur dritten Gruppe gehören alle anderen Opfer von Notlagen, auch sie dürfen bei existenziellen Bedrohungen mit Hilfe aus einem Härtefonds rechnen. Außerdem sollen Steuern gestundet werden können und Sonderabschreibungen möglich sein. "Wir lassen keinen allein", sagte der Finanzminister.

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Die Pläne lehnen sich an die Hochwasserkatastrophe von 2013 an und müssen im Detail noch ausgearbeitet werden. Insgesamt rechnet Söder mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag, der auf den Freistaat durch die Flutschäden zukommt. Nach Fahmüllers Schätzung beträgt der Schaden allein in seinem Landkreis etwa eine Milliarde Euro, ein erheblicher Teil dürfte aber durch Versicherungen für Fahrzeuge und in der Landwirtschaft gedeckt sein.

Etwa 10 000 Helfer waren in den vergangenen Tagen dabei

Im Kabinett hat bereits das Nachdenken darüber begonnen, wie man Anreize schaffen kann, dass sich deutlich mehr Menschen gegen Hochwasser und andere sogenannte Elementarschäden versichern. "Denn die Extremereignisse der vergangenen Jahre zeigen, dass staatliche Hilfsprogramme nach einer solchen Katastrophe die teuerste Schadensbehebung sind", sagt Landwirtschaftsminister Helmut Brunner.

Seehofer hat allerdings die Devise vorgegeben: ein Schritt nach dem anderen. Zunächst hat die Hilfe für die Betroffenen Vorrang. Außerdem müsse man Gespräche mit der Versicherungswirtschaft führen. So sei es eine offene Frage, ob eine Pflichtversicherung rechtlich überhaupt möglich sei. Alles zu seiner Zeit, sagte Söder. "Heute ist das Signal der Hilfe wichtig."

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Innenminister Joachim Herrmann berichtete von gut 10 000 Helfern in den vergangenen Tagen, davon 8000 allein in Niederbayern. Bis alle Straßen wieder hergerichtet seien, würden aber noch Wochen vergehen. Das Hilfeleistungssystem habe sich als "besonders stark und belastbar" erwiesen, sagte Hermann.

Dennoch stehe man auch vor großen Herausforderungen, etwa wie die Menschen bei derart schnell auftretenden Katastrophen zu warnen seien. Die Ereignisse hätten gezeigt, dass man sich auf eine neue Komponente - Sturzfluten - einstellen müsse, sagte Umweltministerin Ulrike Scharf. Wasserwirtschaftsämter sollen Kommunen bei der Bewertung von kleineren Gewässern helfen.

Fahmüller zeigte sich mit seinem Besuch in München zufrieden. "Durch die Beschlüsse des Kabinetts haben die Menschen wieder einen Hoffnungsschimmer, dass es weitergeht", sagte er.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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