Oberbayern:Passionsspiele lösen Streit in Oberammergau aus

Oberammergau Passionplay 2010 Final Dress Rehearsal

Gott mag es bunt: Bei der Passion 2010 gehörten sogenannte lebende Bilder zur Inszenierung, hier ist Moses vor dem brennenden Busch dargestellt.

(Foto: Johannes Simon/Getty)
  • Die Gemeinde Oberammergau will die Ticket- und Übernachtungspakete für die Passionsspiele nicht mehr vermarkten.
  • Das hat der Gemeinderat hinter verschlossenen Türen und mit knapper Mehrheit beschlossen.
  • Nun wird ein Dienstleister gesucht - und im Dorf gibt es Streit über den Beschluss.

Von Matthias Köpf, Oberammergau

Die Pest wütete damals auch in Oberammergau, aber über die Jahrhunderte betrachtet war die Seuche eher Segen als Fluch: Die Oberammergauer gelobten einst, regelmäßig ein Passionsspiel aufzuführen, wenn sie von der Pest befreit würden. Seit 1634 tun sie das nun schon, in der Regel alle zehn Jahre, und in genau diesem Turnus schneit es ihnen das Geld der vielen Passionsgäste regelrecht hinein in ihr Dorf.

Damit alle genug abbekommen, hat die Gemeinde seit den 1920er-Jahren Pakete aus Eintrittskarten, Restaurantbesuchen und meistens zwei Übernachtungen geschnürt. Doch dem hat der Gemeinderat hinter verschlossenen Türen und mit knapper Mehrheit ein Ende gesetzt. Jetzt wird ein Dienstleister für den Ticketverkauf gesucht - und im Dorf wird gestritten, wieder einmal.

Der Streit gehört zu Oberammergau wie die Passion, was unter anderem daran liegt, dass die Oberammergauer in den fetten Jahren nach der Passion gerne großzügig waren und dann bis zur nächsten Passion die finanzielle Leidensgeschichte wegen der Folgekosten begann, zum Beispiel für das teure Erlebnisbad Wellenberg.

Für die vergangene Passion 2010 musste sogar die Staatsregierung mit einer Bürgschaft geradestehen, der Rekordgewinn von 37 Millionen Euro war dann schnell für Steuern, Schulden, laufende Ausgaben und für das von der Staatsregierung auferlegte Finanzierungspolster für die Passion im Jahr 2020 dahin. Inzwischen habe sich die Lage deutlich gebessert, man gehe wohl ohne große Vorbelastungen in die nächste Passion, sagt der parteifreie Bürgermeister Arno Nunn, der als gebürtiger Franke immer noch lieber "die Passion" sagt statt "der Passion", wie es die ganz eingefleischten Oberammergauer tun.

Unabhängig von der etwas besseren Finanzlage ist der Gemeinde jedoch der Verkauf von Passionsarrangements inzwischen zu risikoreich. Denn 2010 war bei allen 109 Aufführungen zwar praktisch jeder Platz besetzt, weil mehr als eine halbe Million Gäste nach Oberammergau kamen. Von den mehr als 300 000 Arrangements habe man aber ein Drittel unverkauft zurückerhalten und sich dann bemühen müssen, sie neu auf den Markt zu werfen oder die Tickets einzeln zu verkaufen, sagt Nunn.

Probleme mit den Paketen gebe es weniger in den USA, wo mehr als 600 Euro für so ein Arrangement im Budget für eine Europareise vielleicht weniger auffallen. Doch in Deutschland seien die Pakete immer schwieriger zu vermarkten, zumal bei einigen - Nunn nennt sie "Wundertüten" - nur die Kategorien des Sitzplatzes und des Hotels genannt werden, es aber zwischen verschiedenen Anbietern doch ein merkliches Qualitätsgefälle gebe.

Wenn nun die Gemeinde die zentrale Arrangement-Vermarktung aufgibt, fürchten manche der im Ort eher abseits gelegenen Häuser um ihre Gäste. Etwa die Hälfte der Besucher schläft ohnehin jenseits der Gemeindegrenzen in anderen Hotels im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, für welche Oberammergau die Vermarktung bisher miterledigt hat. Doch nicht nur die Hoteliers, die sich nun selbst dem Wettbewerb stellen sollen, bangen um ihre bisher gleichsam garantierten Umsätze und stellen sich die Frage, ob am Ende ein großer Veranstalter an die Stelle der Gemeinde treten und ihnen dann die Bedingungen diktieren wird.

Auch die Händler und Handwerker wie die Oberammergauer Herrgottsschnitzer sorgen sich, ob ohne Arrangements die Gäste lang genug im Ort bleiben, um zuverlässig bei ihnen einzukaufen. Schon machen Unterschriftenlisten die Runde. Den Beschluss des Gemeinderats per Bürgerentscheid zu kippen, wäre für die Oberammergauer nicht ungewöhnlich.

Der Bürgermeister, nach dessen Ansicht zwar viel für die alten Arrangements, aber eben noch ein bisschen mehr für deren Abschaffung spricht, zeigt sich gelassen. Auch der neue Vermarkter werde sich an noch zu entwickelnde Qualitätsvorgaben der Gemeinde halten müssen. Arrangements könne es weiterhin geben, nur eben nicht auf das kaufmännische Risiko der Gemeinde. Die geht mit dem Entschluss allerdings ein mindestens genau so großes politisches Risiko ein.

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